Simone Rethel ist vieles – Schauspielerin, Malerin, Autorin. Vor allem aber war sie viele Jahre lang die Frau an der Seite von Johannes (Jopie) Heesters. Am Samstag, 27. Oktober, liest die 63-Jährige in Würzburg (siehe Infobox). Ein Gespräch über ihre Berufe und das Leben mit Jopie Heesters.
Simone Rethel: Ein Vermächtnis? Nein. Aber im Zusammenleben mit ihm habe ich viel gelernt, viele guten Erfahrungen gemacht. Mir wird immer unterstellt, ich hätte ihn angetrieben. Nein! Er ist von sich aus aktiv geblieben, er hat bis zuletzt am Leben teilgenommen. In unserer Gesellschaft gäbe es nicht so viele demente, Rollstuhl fahrende Greise, wenn die Menschen nicht aufhören würden, aktiv zu sein. Jopie hat nie von früher geredet, wie so viele alte Leute. Er lebte immer zukunftsorientiert in der Gegenwart. Für mich ist es schlimm zu sehen, wie schon jüngere Leute aufhören zu leben, wenn 60-Jährige sich zur Ruhe begeben. Inaktivität führt zum Abbau des Geistes und des Körpers. Ich habe schon als junges Mädchen erlebt, wie wichtig Aktivität ist. Als Axel von Ambesser, dem ich alles verdanke, mich für „Die fromme Helene“ entdeckte und mir zum Besuch einer Schauspielschule riet, war ich keine besondere Schülerin. Ich wurde erst gut, nachdem ich Schule und Schauspielschule gleichzeitig absolvierte und viel mehr gefordert war.
Rethel: Ich habe nie auf irgendetwas verzichtet! Natürlich geht alles langsamer. Aber das spielt doch keine Rolle. Man muss sich sehr früh schon mit dem Altern auseinandersetzen. Es gehört zum Leben. Das Schlimmste, was es gibt, ist, jugendlich zu tun, sich in bunte Hemden zu wickeln oder auf Motorräder zu werfen. Das Leben muss altersentsprechend ablaufen. Ich habe entgegen dem Vorwurf, der immer wieder auftaucht, Jopie nie vorgeführt. Ich habe das getan, was er wollte. Im Alter etwas Positives zu erkennen, ist die Kunst, das langsamere Tempo zu akzeptieren! Ich habe Jopie bis zum Schluss alles zugetraut, alles alleine machen lassen, auch wenn ich Verschiedenes hätte schneller erledigen können.
Rethel: Jopie war sehr sportlich. Noch mit 106 war er regelmäßig im Fitnessstudio, ab dann ist ein Trainer ins Haus gekommen. Mein Mann wusste, dass das Demenzrisiko kleiner ist, wenn man immer wieder an seine Grenzen geht – natürlich unter medizinischer Betreuung.
Rethel: Da muss ich mich selbst an der Nase fassen (lacht). Natürlich weiß ich das auch. Aber ich bin nachlässig. Früher habe ich gern Tennis gespielt, das aber wegen Schulterproblemen aufgegeben. Und dann habe ich zu wenig gemacht. Ich hab' Jopie immer zum Studio gefahren und bin dann eine Tasse Cappuccino trinken gegangen. Das wird sich jetzt auch ändern. In meiner Freizeit habe ich mich um meine Bilder und um meine Bücher gekümmert. Ich stamme ja aus einer Malerfamilie, arbeite mit Tusche, Hinterglas und Öl. Für das Buch „Johannes Heesters – Ein Mensch und ein Jahrhundert“ waren sehr viele Recherchen nötig. Es hat 1750 Fotos und ist zwei Kilo und 700 Gramm schwer. Allein die Rechte für die Fotos zu ermitteln, hat viel Zeit und jede Menge Arbeit gekostet.
Rethel: Wir waren zusammen, weil wir uns beide altruistisch geliebt haben. Wir waren füreinander da, es herrschte absolute Offenheit, es gab bis zum Schluss keine Geheimnisse zwischen uns. Ich habe Jopie nicht gepflegt, wir haben miteinander gelebt. Wenn ich etwas eingekauft habe, dann immer für ihn oder im Gedanken an ihn. Seit ich allein bin, muss ich lernen, für mich zu leben. Das ist ganz schwer. Die Tatkraft, die man gemeinsam hat, ist größer.
Rethel: Er war ein sehr männlicher Mann. Einer der alten Schule. Die Leute fielen fast vom Stuhl, wenn er „Gnädige Frau“ sagte oder einer Frau in den Mantel half. Er war höflich und uneitel. Und er war kein Macho, eher in Sorge um mich und sehr unglücklich darüber, als er mir nicht mehr genug helfen konnte. Auch zu seiner ersten Frau, so haben mir die Töchter erzählt, muss er sehr liebevoll gewesen sein, hat sie bis zu ihrem Tod treu gepflegt.
Rethel: Wir waren immer von jungen Menschen umgeben. Sie haben Jopie geliebt. Seine beiden Pianisten waren 25 und 40 Jahre alt. Jung und Alt, das gehört zusammen.
Rethel: Ich reise schon eine ganze Weile mit meinem Buch „Sag nie, du bist zu alt“. Im ersten Teil der Veranstaltung lese ich daraus. Ich möchte Mut zum Älterwerden machen und dazu beitragen, das Alter mit Lebensfreude und Neugier zu erleben. Auf unsere eigene Einstellung kommt es an, was wir aus dieser Lebensphase machen. Viele kommen nach der Lesung spontan auf mich zu und bedanken sich. Sie spüren, dass ich mit meinem Buch gegen die Angst vor Alter und Tod schreibe. Das ist doch ein wunderbares Echo! Nach der Pause werde ich eine Hommage an Johannes Heesters präsentieren. In meinem Fotobuch sind jede Menge Fotos, Kommentare von Jopie und vieles, das die Jahrzehnte kommentiert. Ein Zeitzeugnis sozusagen. Durch heutige Technik ist es ja möglich, daraus eine kleine Mediashow zu machen mit Musik und Zwischentexten.
Simone Rethel in Würzburg
Die Schauspielerin und Buchautorin, geboren am 15. Juni 1949 in Herrsching am Ammersee, ist die Tochter des Malers und Designers Alfred Rethel und Enkelin des Flugzeugkonstrukteurs Walter Rethel sowie Nachfahrin des Historienmalers Alfred Rethel und des Miniaturmalers August Grahl. Als Schülerin spielte sie 1965 die Hauptrolle in dem Film „Die fromme Helene“ unter der Regie von Axel von Ambesser (mit Theo Lingen und Friedrich von Thun). Regisseur von Ambesser engagierte sie in der Folgezeit immer wieder für Bühne und Fernsehen. Sie trat vor allem auf Boulevardbühnen auf und wirkte in zahlreichen TV-Reihen wie „Der Kommissar“, „Derrick“, „Der Alte“ und „Diese Drombuschs“ mit. Von 1992 bis zu dessen Tod an Heiligabend 2011 war Rethel mit dem 46 Jahre älteren Johannes Heesters verheiratet. Am Samstag, 27. Oktober, liest sie um 20 Uhr im Theater Chambinzky in Würzburg aus dem Buch „Johannes Heesters: Ein Mensch und ein Jahrhundert“ sowie „Sag nie, du bist zu alt“. Eintrittskarten unter: Tel. (09 31) 5 12 12.