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WÜRZBURG
Exklusiv-Interview: Michael Mittermeier und der Blackout
Rat aus Würzburg: Der Stand-up-Comedian über sich und Schubladen – Zwei Gastspiele in Bamberg
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:56 Uhr

Förderer von Michael Mittermeier war Mathias Repiscus, Chef des Kabarettkellers Bockshorn, der damals, vor 20 Jahren, als Repiscus den Komiker unter seine Fittiche nahm, noch in Sommerhausen beheimatet war (und heute in Würzburg beheimatet ist). Nun tourt Mittermeier mit seinem neuen Programm „Blackout“. Ein Gespräch über Blackouts und die Schubladen Comedian und Kabarettist.

Frage: Sie haben zum Einspielen für die Tour eine Vorpremiere auch im Bockshorn in Würzburg gegeben. Holen Sie sich noch Rat bei Mathias Repiscus?

Michael Mittermeier: Natürlich quatschen wir übers Programm, es ist mir schon wichtig, was Leute wie Mathias sagen. Er hat natürlich eine komplett andere Sicht auf die Dinge. Er kommt ursprünglich vom Theater, macht seit 30 Jahren Kabarettveranstaltungen und hat dadurch einen Blick von der anderen Seite. Und es ist natürlich toll, wenn ich ihn begeistern kann. Und er war sehr begeistert.

Sind Sie politischer geworden?

Mittermeier: Nicht geworden. Ich habe immer Politik drin gehabt, vielleicht ein bisschen politischer. Deswegen fand ich ja auch so toll, was Mathias gesagt hat: „Es wirkt nie so moralinsauer wie im Kabarett manchmal.“

Stimmt es, dass es, als Sie den Programmtitel „Blackout“ gefunden hatten, am nächsten Tag in München zu dem großen Stromausfall kam?

Mittermeier: Wir hatten den Titel schon, es war der erste Tag, als mein Co-Autor und ich uns getroffen und überlegt haben, in welche Richtung das Programm gehen soll. Und tatsächlich, an diesem Abend gab es in München den großen Blackout. Wir hatten uns in Frankfurt getroffen, weil ich auf Tour war, am nächsten Morgen war in Frankfurt Blackout. Schräg. Wir haben uns SMS geschickt: „Wir sind Propheten.“ Zum Glück haben wir das Programm nicht „Super-GAU“ genannt.

Glauben Sie an Zeichen?

Mittermeier: Manchmal schon. Ich war beim großen Blackout in New York vor zehn Jahren. Das sind Zeichen.

Hatten Sie selbst schon mal einen Blackout?

Mittermeier: Auf der Bühne ist mir mal der Kreislauf weggesackt. Ich bin quasi ohnmächtig geworden. Gott sei Dank!, muss man sagen, war es eine Nummer, bei der ich saß. Ich habe, das klingt jetzt schräg, eine Szene gespielt, wo der Großvater stirbt und die anderen drum herum aufs Erbe warten. Plötzlich ist mir der Kreislauf weggesackt. Als ich dann wieder aufgewacht bin, nach vielleicht einer halben Minute oder so, dachte ich mir: Was ist denn hier los? Wo bin ich eigentlich? Dann sah ich die ganzen Leute, die schauten mich alle an. Dann habe ich getastet, ich habe diese Jacke an und die Brille auf, die habe ich nur bei dieser Sterbeszene, okay! Ich habe dann halt einfach weitergespielt. Die Leute fanden das großartig, die dachten: So geil hat noch nie einer einen Sterbenden gespielt.

Sie haben dem in Burma inhaftierten Comedian Zarganar geholfen, freizukommen. Wie kam es dazu?

Mittermeier: Indirekt geholfen. Zarganar ist der berühmteste Comedian Burmas ever. Er saß früher schon jahrelang im Gefängnis, und dann wurde er vor ein paar Jahren noch mal verknackt, weil er politischen Humor macht in Burma. Vor ein paar Jahren hat die Staatsmacht ihn zu 59 Jahren Gefängnis verurteilt, später haben sie das Urteil reduziert auf 35 Jahre. Ich bin mit dem britischen Dokumentarfilmer Rex Bloomstein zusammengekommen, der wollte eine Doku über Zarganar drehen. Wir sind auch nach Burma gereist, undercover, waren auf seinen Spuren, letztlich war das alles nicht ganz ungefährlich. Diese Doku, die ich mit meinem Team produziert habe, ist weltweit gelaufen, bei Filmfestivals in 17 Ländern, amnesty international hat sie zu Dutzenden von Veranstaltungen weltweit genutzt. Und Zargana ist tatsächlich freigelassen worden, im Oktober 2011. Wie viel der Film dazu beigetragen hat, kann man natürlich nicht genau ermessen. Zargana meinte zu mir, es hat sicher dazu beigetragen. Das Projekt hat zwei, drei Jahre meines Lebens bestimmt. Das war schon 'ne tolle Geschichte, weil ich gemerkt habe, dass man mit seiner Stimme was bewegen kann.

Da gehört Leidenschaft dazu und auch Mut.

Mittermeier: Von Mut spreche ich nicht so gern. Mut haben Menschen wie Zargana, die wissen: Wenn ich auf der Bühne das sage, werde ich wieder verhaftet und gefoltert. Das ist für mich Mut. Für uns war das . . . ich weiß es nicht. Leidenschaft war dahinter, klar, weil wir gesagt haben: Wir werden so lange weitermachen, bis der Mann aus dem Gefängnis ist.

Sie waren zuletzt wieder viel im Ausland unterwegs. Was haben Sie da gelernt?

Mittermeier: Vergangenes Jahr habe ich vier Wochen in Schottland gespielt, jeden Tag, Solo-Shows, auf Englisch. Im Oktober war ich zwei Wochen lang in London in einem tollen Theater. Da musst Du von null ran, anderes Land, andere Sprache, keiner kennt Dich. Keiner lacht, weil ich der Mittermeier bin.

Den Mittermeier kennt dort wohl niemand.

Mittermeier: Ich werde in London nicht gebucht, nur weil in Deutschland 5000 Leute zu mir kommen. Das interessiert niemanden in England. Das ist eher ein Hindernis. Da sind die Engländer knallhart, die sagen: Deutsche haben keinen Sense of Humor. Das ist deren Einstellung. Punkt.

Die Engländer haben ja auch selber genügend gute Komiker.

Mittermeier: Das ist ja der Punkt. Ich bin der erste Comedian aus Deutschland, der im Ausland auf Englisch spielt. Im August werde ich wieder nach Schottland gehen und eine neue Show spielen. Das ist sehr spannend.

Wo kommt die Sehnsucht her, auch noch Europa erobern zu wollen?

Mittermeier: Ich bin Deutscher, es geht nicht um Europa, es geht um die Welt, Freunde. Hallo . . . (er lacht). Es ist ein alter Traum, Du musst halt einfach nur die Eier haben, es zu tun. Da bin ich ganz bei Olli Kahn. Englisch ist die Muttersprache der Stand-up-Comedy. Und viele von uns, auch ich, sind beeinflusst von den amerikanischen und englischen Kollegen. Das ist the last Frontier, anderes Land, andere Sprache, keiner kennt Dich, keiner gibt ein Schiss auf Dich. Wenn Du das hinkriegst, dann bist Du gut.

Sie haben es offenbar hingekriegt.

Mittermeier: Ich krieg's hin. Ich spiele jetzt im April wieder zwei Wochen in London. Und wenn das nicht gut ist, was ich da mache, dann bist Du da ganz schnell raus. Man muss das schon mal sagen: Der Markt im englischsprachigen Ausland ist härter. Da ist Deutschland Sozialhilfeland für Komiker. Es ist die härteste Schule, die Du machen kannst. Ich kann's nur empfehlen, und ich sehe mich immer noch als Lernender und Suchender.

Macht Sie dieser Erfolg im Ausland stolz?

Mittermeier: Das macht mich stolz und kickt mich. Aber es macht halt auch extremst Spaß. Ich mache das ja nicht aus einer Verspannung heraus, dass ich das tun müsste.

In Deutschland wird gerne zwischen Comedian und Kabarettist unterschieden. Im Englischen gibt's für den Beruf nur ein Wort: Stand-up-Comedian. Warum versucht man hier, die Komiker immer in eine Schublade zu stecken?

Mittermeier: Das ist halt einfach der Deutsche. Und warum ist da kein Rilke drin, und Tucholsky muss vom Fenster reinwinken. Ganz ehrlich: Was soll das? Wenn ich Satire machen würde wie Tucholsky, jetzt, 50 Jahre später, was sollte das denn? Die Welt ändert sich. Natürlich waren die Jungs toll. Aber es geht um die Weiterführung. Jede Zeit hat ihre neuen Kabarettisten und Satiriker. Und in Deutschland, diese Trennung von U und E, von Unterhaltung und Ernstem, das ist schon ein bisschen verspannt. Der Humor muss dann noch eine besondere Dimension haben. Entschuldigung: Wenn was lustig ist, ist es lustig. Ich schaue mir doch nicht Bastian Pastewka an oder Anke Engelke und sag' nachher: Das war ja nur lustig. Was soll das denn?

Aber wir sind uns doch einig, dass die Genannten in einer anderen Liga spielen als beispielsweise Mario Barth?

Mittermeier: Es geht doch nicht darum, dass wir die Leute miteinander vergleichen. Der deutsche Feuilletonist geht da hin und will es schlecht finden. In England gibt es Comedykritiker. Die tun nichts anderes. Die haben 500 Comedians gesehen. Der kommt zu mir, und wenn der mir die Packung gibt, dann sag' ich: Mist, aber Du hast 500 Comedians gesehen, Du kannst das beurteilen. Am Ende des Tages ist es ja auch viel Geschmackssache. Ich habe auch meine Favoriten. Und dann gibt's Mario Barth, ja. So what? Der hat 'ne Klientel, die ist glücklich, wenn sie reingeht und wieder rausgeht. Der Engländer würde sagen: „Where's the fucking Problem?“ Es wird immer verglichen: Comedians sind schlecht, weil sie nur was über Hunde und Frauen machen. Und die Kabarettisten sind gut, weil sie die Tageszeitung runterbeten. Das stimmt eben so nicht. Wir haben gute Kabarettisten und gute Comedians. Und wir haben schlechte Kabarettisten und schlechte Comedians.

Michael Mittermeier

Der Komiker, Autor und Sänger, geboren am 3. April 1966 in Dorfen, Oberbayern, verbindet moderne Comedy mit Elementen des klassischen Kabaretts. Seine Magisterarbeit schrieb er über das Thema „Amerikanische Stand-up-Comedy“. Seit 1998 ist Mittermeier mit der Sängerin Gudrun Allwang (Künstlername Somersault) verheiratet. Das in Pullach lebende Paar hat eine Tochter, Lilly, die in Mittermeiers Buch und dem damit verzahnten Programm „Achtung Baby!“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Am 16. und 17. Mai (jeweils 20 Uhr) gastiert Mittermeier in der Stechert Arena in Bamberg. Karten unter Tel. (0 61 02) 7 76 65

Michael Mittermeier 1993 im Bockshorn in Sommerhausen.
Foto: von Schroetter | Michael Mittermeier 1993 im Bockshorn in Sommerhausen.
 
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