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Exklusiv-Interview: Das große Glück des Ingolf Lück
Auftritte in Schweinfurt und Würzburg: Der Komiker über Unglück und die vielen Ansprüche an Männer
Das Gespräch führte Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 02.05.2012 22:52 Uhr

Im Fernsehen moderierte er in „Formel Eins“ Musikvideos und in „Die Wochenshow“ satirisch Nachrichten, er war auf der Theaterbühne beklatschter „Caveman“ und dramatisierte einen Hitchcock-Film („39 Stufen“): Nun tourt Ingolf Lück (53) mit seinem Programm „Lück im Glück“ über Deutschlands Kleinkunstbühnen – dabei gastiert er an diesem Freitag in Schweinfurt und tags darauf in Würzburg. Ein Gespräch mit Lück über Glück, Unglück und ernsthafte Antworten.

Frage: Ich würde mich mit Ihnen gerne über Glück unterhalten. Wann waren Sie denn das letzte Mal glücklich?

Ingolf Lück: Ja, das Programm heißt zwar „Lück im Glück“, dabei geht es aber natürlich nicht darum, einen glücklichen Lück auf der Bühne zu sehen . . . Obwohl . . . Wenn die Leute nach dem Programm auf den Stühlen stehen und applaudieren, dann sieht man einen glücklichen Lück (er lacht). Aber natürlich geht es um die kabarettistische Brechung des Glücks. Es geht um die ganz vielen Abers dahinter. Es gibt doch heutzutage so viele Ansprüche, die an uns Männern gestellt werden. Auf der einen Seite sollen wir treu sorgende Familienväter sein, auf der anderen attraktive Liebhaber für unsere Frauen. Ich gucke gerade hier runter in den Garten, da muss ich heute noch grobe haptische Arbeiten verrichten, Rasen neu einsäen, einen Baum fällen. Neuerdings sollen wir ja auch filigrane Gerichte kochen, für die ganze Familie, möglichst nachhaltig und abwechslungsreich, und das dreimal am Tag. Wir sollen alle Ergebnisse unseres Lieblingsvereins seit Erfindung des Lederballs auswendig können. Wir sollen Autofahren wie Sebastian Vettel und Schumi, aber natürlich CO•-neutral. Wir sollen Kants kategorischen Imperativ auf den Lippen führen und und und. Und dabei sollen wir auch noch glücklich sein. Deshalb komm' ich mit meiner Selbsthilfegruppe für gestresste Männer ja auch nach Schweinfurt und nach Würzburg.

„Ich bin ja tätiger Pessimist: Ich erwarte immer das Schlechteste.“

Ingolf Lück

Was macht den Privatmenschen Lück glücklich?

Lück: Den Privatmenschen Lück gibt es ja im Grunde gar nicht. Weil der Privatmensch Lück ist ja auf Tournee, der ist ja immer unterwegs. Natürlich muss ich meine privaten Dinge auch erledigen. Wenn ich in Schweinfurt und Würzburg gespielt habe, das sehe ich hier auf meinem Plan, dann habe ich am nächsten Morgen Kinderdienst. Das bedeutet, ich muss die Kinder in die Schule und in den Kindergarten bringen . . .

. . . in Schweinfurt gastieren Sie am Freitag, in Würzburg am Samstag . . .

Lück (lacht): Na gut, da ist Wochenende, aber da werden am Morgen im Kölner Zoo die Otternbabys gefüttert, da muss ich hin mit den Kindern. Und das, nachdem ich im Theater am Abend abgebaut, die Gläser gespült und eben noch mal durch die Toilette gewischt habe und nach der Abrechnung dann die Nacht durchgefahren bin, mit HR 4 und James Last. Und dann bin ich morgens um sechs in der Nähe von Köln, und es beginnt mein Kinderdienst. Es ist ja auch nicht so, dass man in der Familie als großer Sieger von einer erfolgreichen Tournee kommt. Wenn ich nach Hause komme, muss ich mich in der Hierarchie erst wieder hinter den Meerschweinchen einreihen. Und ich muss mich eine Woche lang raufarbeiten, so dass ich von der Familie bemerkt werde. Dann gehe ich wieder auf Tour, und alles beginnt von vorn.

Wie viel Glück braucht's denn für so eine Karriere wie die Ihrige?

Lück: Meine Karriere kann ich nicht bewerten. Ich bin ja tätiger Pessimist: Ich erwarte immer das Schlechteste. Wenn ich jetzt nach Schweinfurt und Würzburg komme, dann denke ich erstmal: Ich habe mich verfahren und bin in der falschen Stadt. Dann denke ich: Ich bin im falschen Jahr dort, der Auftritt ist bestimmt ein Jahr später. Dann habe ich Angst, dass die Garderobe nicht aufgeht, dass es nur pappige Brötchen gibt, dass kein Mensch kommt, dass der Bühnenvorgang runterfällt und das Licht nicht funktioniert. Das erwarte ich als Pessimist, und wenn davon drei, vier Dinge einfach nicht eintreffen, bin ich schon sehr schnell glücklich.

„Ich bin Clown, solange ich mich erinnern kann.“

Ingolf Lück

Sie sollen auch Hypochonder sein.

Lück: Niemals! Das behaupten andere. Ich bin richtig krank.

Was wäre das größte Unglück?

Lück: Das größte Unglück wäre, wenn meine Auftritte in Schweinfurt und Würzburg kein Erfolg würden und ich an den Abenden ein unglückliches Publikum hinterlassen würde. Aber ich habe das nun über 200 Mal gespielt, und bisher ist es immer gut gegangen.

Ernsthaft antworten Sie heute nicht mehr, oder?

Lück (lacht): Ich bin Komiker.

Bisweilen bekomme ich sogar von Komikern ernsthaft Antworten . . .

Lück: Ich bin Clown, solange ich mich erinnern kann. Was ist daran verwerflich?

Um Gottes willen, nichts.

Lück: Mein aktuelles Thema ist der ganz normale Familienwahnsinn, mein Thema ist der Glücksterrorismus, mein Thema ist 50, also uralt geworden zu sein. Vermeintlich ernsthafte Themen. Aber wenn man sie kabarettistisch umdreht, erkennen sich die Menschen darin wieder, und es wird lustig.

Sie haben sehr viel weniger Fernsehen gemacht zuletzt. Vermissen Sie es nicht?

Lück: Nein. Theater . . ., die Bretter, die die Welt bedeuten. Theater riecht anders. Theater schmeckt anders.

Was ist so toll daran, auf der Bühne zu stehen?

Lück: Man hat als Künstler eine Verantwortung. Die Menschen haben sich freigenommen, sie haben sich eine Karte gekauft, sie haben sich einen Babysitter besorgt. Und Du hast dann zwei Stunden mit diesen Menschen. Das heißt: Du hast von Deinem Publikum unglaublich viel Vertrauensvorschuss, und mit diesem Vorschuss verantwortungsvoll umzugehen und den Menschen einen teils nachdenklichen, teils kabarettistischen und puppenlustigen Abend zu bereiten, das ist eine große Freude. Ich mache ja seit über 30 Jahren nichts anderes: Alles, was ich so erlebe und mir ausdenke, kanalisiert sich in Theater oder theaterverwandten Formen. Das kann ein Fernsehformat sein, das kann ein Kabarettprogramm sein, das kann ein Theaterstück sein. Ich habe so viele Ideen, die müssen raus, und dafür braucht es immer unterschiedliche Medien, um den Stoff an die Zuschauer zu bringen. Natürlich kann man sagen: Da sind viele Talente am Werk, da ist eine künstlerische Hyperaktivität. Aber die muss bedient werden. Die braucht Nahrung.

Ingolf Lück in Schweinfurt und in Würzburg

Der Schauspieler, Synchronsprecher, Moderator, Komiker und Regisseur, geboren am 26. April 1958 in Bielefeld, studierte Germanistik, Philosophie und Pädagogik, brach die Studien jedoch ohne Abschluss ab. Er verschrieb sich früh der Bühne und gründete mehrere Theatergruppen. Lück wurde im „Sprungbrett“-Theater in Köln für die ARD-Musikvideosendung „Formel Eins“ entdeckt, die er ab Januar 1985 für knapp ein Jahr moderierte. Einem breiten Publikum wurde er durch die Sat.1-Sendung „Die Wochenshow“ bekannt. Von 1996 bis 2002 führte er durch die Satireshow, 2011 dann auch durch eine Neuauflage, die Sat.1 jedoch nach acht Folgen einstellte. Lück hat zwei Kinder und lebt in Köln. Er ist bekennender Fan des Fußball-Drittligisten Arminia Bielefeld. Mit seinem Programm „Lück im Glück“ gastiert Ingolf Lück am Freitag, 4. Mai, um 19.30 Uhr im Theater der Stadt Schweinfurt, Karten: Tel. (0 97 21) 51-4 75 oder 51-0, sowie am Samstag, 5. Mai, um 20.15 Uhr im Bockshorn in Würzburg, Karten: Tel. (09 31) 4 60 60-66.

 
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