zurück
MEININGEN
Evita singt sich in die Herzen
Das Publikum schmilzt dahin: Julia Steingaß als Evita in Meiningen.
Foto: Marie Liebig | Das Publikum schmilzt dahin: Julia Steingaß als Evita in Meiningen.
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:48 Uhr

Ach, diese Süße, diese seelenerweichende C-Dur-Süße von „Don't cry for me, Argentina“. Sie dringt so unmittelbar ins Gemüt wie die intravenöse Infusion eines Glückshormonpräparats. Selbst wenn der bekannteste Song aus dem Webber-Rice-Musical „Evita“ – wie alle Titel – in reichlich unpoetischem Deutsch gesungen wird: Es wird einem ganz warm ums Herz. Und dazu kommt noch diese zeitlos geheimnisvolle Aura charismatischer Frauenfiguren an der Seite mächtiger Männer.

Gelingt Regisseur Kurt Josef Schildknecht im Meininger Theater Evitas Wiedererweckung nach dem legendären Erfolg des Musicals 1989/90? Schmelzen die Zuschauer dahin wie das einfache Volk auf der Bühne? Ja, sie schmelzen. Dank einer hinreißenden Julia Steingaß, die sich als Evita stimmlich, schauspielerisch und tänzerisch so souverän durch 16 Jahre Leben im Schatten und im Licht bewegt, dass man den Blick nicht von ihr wenden mag.

Seelenerweichend

Neben ihr spielt sich Sven Zinkan als Erzähler Che Guevara in die Herzen der Zuschauer. Michael Jeske mimt passioniert den Machtmenschen Perón. Und Monika Reinhard (alternierend mit Carolina Krogius) als Peróns ehemalige Geliebte und Stan Meus als Tangosänger geben in kürzeren Auftritten ihren Figuren Profil – in einem glänzend aufeinander abgestimmten Ensemble.

Bemerkenswert ist zudem die Choreografie von Julia Grunwald. Mit dramaturgischer Raffinesse bringt sie nicht nur das Eisenacher Ballett, den Chor (Leitung: Martin Wettges), den Kinderchor der Meininger Kantorei und die Statisterie in Schwung, sondern auch die Bühnenbretter, die Helge Ullmann mit abstrakten, graukalten Turmfassaden bestückt hat.

Vor allem bei Szenen, in denen der gesamte Generalstab (fantasievolle Kostüme von Annette Mey) bedrohlich gegen diese unverschämte Aufsteigerin aus dem vierten Stand im Gleichschritt marschiert und steppt, vor allem da spürt man, wie das Räderwerk der Choreografie ineinandergreift und sich mit den harmonisch-süßen, lateinamerikanisch-heißen und poppig-dissonanten Tönen der Meininger Hofkapelle unter Mario Hartmuth synchronisiert. Nur die gelegentlich überlaute Aussteuerung des mikroportverstärkten Gesangs lässt zu wünschen übrig.

Die Inszenierung baut zwar auf differenzierte Akzente von Widersprüchlichkeit und Doppelmoral im Leben der Volksheldin. Aber bald fließt wieder die seelenerweichende Süße von „Weine nicht um mich, Argentinien“ ins Gemüt. Dieses Leitmotiv, das alle anderen Songs und Melodien überstrahlt, dieses Leitmotiv wird uns bis in den Schlaf begleiten. Besonders deshalb, weil es Julia Steingaß als Zugabe ein letztes Mal singt – auf Spanisch. Stille im Saal. Dann bricht der Jubel los.

Nächste Vorstellungen: 25. Juni, 14. und 24. September. Karten Tel. (0 36 93) 451-222

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Siggi Seuß
Che Guevara
Evita
Meininger Theater
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen