Andreas Kümmert hat eine schwere Zeit hinter sich. Nach seiner Eurovision-Song-Contest-Absage im März 2015 hagelte es Kritik in den Medien und Hasskommentare im Internet. Die „Bild“-Zeitung taufte ihn „ESC-Kneifer“ und begleitete eine Zeit lang jeden seiner Schritte. Nur wenige zeigten Verständnis. „Ich kann schon nachvollziehen, dass es schwer zu verstehen war“, sagt Andreas Kümmert.
„Wie groß diese ganze Sache ist, habe ich einfach nicht auf dem Schirm gehabt, weil ich mich zu wenig damit befasst habe.“ Er habe es sich aber eigentlich zugetraut, dann gesehen, dass man funktionieren muss, wenn man in diese Situation verwickelt sei. „Da hat es bei mir in dem Moment einfach blockiert. Ich habe eine Riesenangst bekommen und deswegen abgelehnt.“
Kümmert tauchte ab. In dieser Zeit hat er sich Hilfe geholt, macht seit über einem Jahr eine Psychotherapie und nimmt Antidepressiva, um mit seiner Angststörung klarzukommen.
Das Cover ziert eine herzförmige Dose
Seitdem geht es stetig bergauf. Das Lampenfieber hat er im Griff, auch der Umgang mit Fans und Medien ist einfacher geworden. Jetzt ist er wieder da, an diesem Freitag erscheint sein neues Album „Recovery Case“. Er verarbeitet darauf die Erfahrungen im Rampenlicht der letzten drei Jahre. Es sei ein sehr persönliches Album geworden, sagt Kümmert. „Man denkt im Schreibprozess nie darüber nach, was andere Leute davon halten. Das Album wird mich auf jeden Fall angreifbar machen. Jeder, der einen Makel finden will, findet auch einen.“
Auf dem Cover ist eine herzförmige, ziemlich mitgenommene Dose zu sehen. „Drinnen steckt noch ein Funken Hoffnung“, sagt Kümmert. Die Songs heißen „Reflection“ oder „Train To Nowhere“ und lassen tief in sein Seelenleben blicken. Anderas Kümmert singt davon, sich selbst zu akzeptieren oder sich an kleinen Dingen zu erfreuen. Er fragt nach dem Wohin, und seine Texte klingen fast wie Aufträge aus den Therapiesitzungen.
„Ich habe gelernt, dass man sich am besten Hilfe holt, wenn man sie braucht und sich dafür nicht zu schämen braucht“, sagt Andreas Kümmert. „Ich denke, dass ich inzwischen an einem Punkt bin, an dem ich mich selbst ganz gut reflektieren und sehr offen über meine Probleme reden kann.“
In den zwölf neuen Songs steckt wesentlich mehr Andreas Kümmert, als in „Here I Am“, seinem Debütalbum für Universal. Die Texte hat er alle selbst geschrieben, die Musik zum Teil gemeinsam mit Christian Neander, dem Gitarristen der Hamburger Band Selig, die in den Neunzigern sehr erfolgreich war.
„Weil ich als Teenager großer Selig-Fan war, gab es anfangs eine Hürde“, sagt er. „Ich habe aber schnell gemerkt, dass er ein ganz normaler Typ ist und dass wir musikalisch die gleiche Sprache sprechen.“
Die neuen Songs sind rockiger, aber nicht weniger gefühlvoll als das Vorgängeralbum. „Damals hatte das Produzenten-Team den Plan, einen Sound wie auf einer Motown-Platte zu erzeugen“, beschreibt Kümmert. „Jetzt haben wir uns darauf geeinigt, dass wir einen moderneren Sound wollen und diesen alten Klang in die heutige Zeit transportieren wollen.“
Neben den souligen Balladen, für die der Mann aus Gemünden mit der Monsterstimme so geliebt wird, gibt es auch gefühlvolle Akustiknummern und mit „Notorious Alien“ sogar einen dreckigen Sixties-Song, der genauso gut von Jack White oder The Black Keys stammen könnte. Im Video dazu fährt Andreas Kümmert in einem Ami-Schlitten durch die Landschaft und hat sich selbst gefesselt im Kofferraum dabei.
Im Oktober und November geht Andreas Kümmert mit dem neuen Album auf Tour. Begleiten werden ihn dann die Ruffcats, die sonst die Backing-Band des Bremer Soulsängers Flo Mega sind. Am Schlagzeug sitzt mit dem früheren Marktheidenfelder Uwe Breunig ein Unterfranke. Und außerdem wird bei dem einen oder anderen Konzert Ron Spielman die Gitarre bedienen, ein Schweinfurter, der seit etlichen Jahren in Berlin lebt und arbeitet.
Vergangenes Jahr erschienen 55 Gedichte
Ins Fernsehen kehrt Andreas Kümmert übrigens bereits an diesem Freitag, 23. September, zurück: um 22 Uhr in der NDR Talk Show, wo er Barbara Schöneberger wiederbegegnen wird, die damals auch den ESC-Vorentscheid moderierte. Dort wird er auch einen Song aus dem neuen Album vorstellen.
„Lampenfieber gehört einfach dazu“, sagt er. „Diese Blockaden sind jetzt einfach nicht mehr da. Die werden zum einen durch die Medikation unterbunden, zum anderen weil ich mit meinem Therapeuten hart an meiner Psyche arbeite.“ Am 28. Oktober macht Andreas Kümmert auf seiner Tour im Nürnberger Hirsch Station. Einen Termin für Würzburg gibt es noch nicht.
Ganz nebenbei hat Andreas Kümmert vergangenes Jahr abseits der Öffentlichkeit einen Gedichtband veröffentlicht. Limitiert auf 300 Stück, zu bestellen nur direkt bei ihm. Schon in seiner Schulzeit hat er sich sehr für Schriftsteller wie Goethe oder Schiller, aber auch für Philosophen wie Schopenhauer interessiert. Seine eigenen 55 Gedichte zu veröffentlichen, war ihm einfach ein Bedürfnis. Egal ob es die Leute interessiert oder nicht, sagt er.
Andreas Kümmert
Im März 2015 machte Andreas Kümmert Schlagzeilen. Der Voice-Of-Germany-Gewinner aus Gemünden am Main siegte souverän beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest und lehnte noch in der Live-Sendung die Teilnahme an der Endrunde in Wien ab. Kümmert tauchte ab, sagte Konzerte ab und verweigerte zeitweise Interview-Anfragen.
An diesem Freitag, 23. September, erscheint bei Universal sein neues Album „Recovery Case“, und darauf beantwortet er viele Fragen. Am selben Tag ist Kümmert ab 22 Uhr in der NDR Talk Show mit Barbara Schöneberger zu Gast, wo er auch einen Song aus dem neuen Album vorstellen wird.
Videos und Musikbeispiele gibt es auf Andreas Kümmerts Homepage: www.andreas-kuemmert.de