Donalds, Mickys, Dagoberts und Kollegen in hellen Scharen. Zehn große Leinwände unterbrechen die Reihen von kleineren Bildern: schwarz-weiß-graue Porträts und Ganzkörperbewegungen der wichtigsten Entenhausener Helden. Auch dem Laien wird auf den ersten Blick klar: Hier handelt es sich um irgendeine Art von Originalen, jedenfalls um Zeichnungen von Hand. Die aber ist nicht irgendeine Hand, sondern die Rechte eines Manns, der seit 33 Jahren für den Weltkonzern Disney arbeitet. Ulrich Schröder hat in der Würzburger Galerie Gabriele Müller eine seiner sehr seltenen Ausstellungen. Zur Eröffnung am Samstag war er selbst angereist und erzählte vom Leben eines Zeichners im Dienst „Lustiger Taschenbücher“ und eines Weltkonzerns.
Das Verhältnis zur Kunst
Ist so ein Humorproduzent nun wirklich lustig oder das Gegenteil? Schröder verhält sich wie Kabarettisten, die über ihre Arbeit sprechen: zuallererst über das Handwerkliche; da hinein spielen Vermarktungsthemen; diese Unterhaltungsspezialisten reflektieren ihre Rolle und ihr Verhältnis zur Kunst. Und sie sind meist locker drauf, wenn auch keine großen Possenreißer. So war?s an diesem angenehmen Nachmittag in der Galerie schräg gegenüber vom Bürgerspital.
Die Vernissage musste wegen großen Publikumsinteresses um eine Stunde verlängert werden. Die Besucher durften sich ihre Lieblingscharaktere aus dem Disney-Universum wünschen. 100 Hefterl-Figuren zeichnete Schröder live aus dem Kopf.
Die meisten Exponate sind interessant für eine seltene Species unter den Sammlern: Jäger nach den Originalen für die Heft-Druckvorlagen oder nach Zeichnungen für Trickfilme. Die finden hier liebevoll hergerichtete Schröders. Oft klemmt in einem Rahmen die gesamte Entwicklungsgeschichte eines Blatts: drei oder vier aufeinander aufbauende Skizzen bis hin zur endgültigen Schwarz-Weiß-Vorlage.
Der erste Entwurf
Das Einzigartige bei Ulrich Schröder: Der allererste Entwurf entsteht bei ihm auf Kärtchen von rund sieben auf sieben Zentimeter. Die enthalten meist schon das komplette Bildinventar der Schlussfassung in winzigen Krakeleien. Macht sonst keiner in der Branche. In der Galerie Müller gehört die erste Ideenskizze oft zur Ware – für einen moderat dreistelligen Preis (die Gemälde auf Leinwand rangieren so um die 2500 Euro).
Eine weitere Besonderheit dieser Musterbeispiele für historisch-kritische Gesamtausgaben: Dann und wann überkommt den bekennend langsamen Arbeiter Schröder das Gefühl, dass die letzte Fassung „weniger Energie“ als die vorige habe – oder dass er sonstwie feststeckt. Dann schickt er sie an einen der anderen europäischen Disney-Zeichner, vorzugsweise an den befreundeten Holländer Daan Jippes, und der hilft mit der nächsten Version aus der Sackgasse. Auch solche schönen Kooperationen hängen in der Würzburger Theaterstraße.
Schließlich ziehen die lauteren Donaldisten noch ein großes Los mit dieser Schau. Ulrich Schröder gehört zu jenen, die den Strich von Carl Barks (1901 bis 2000) – des Großmeisters unter den Donald-Zeichnern – weiter pflegen. Was keine Selbstverständlichkeit ist. Im Lauf der Ausbreitung Entenhausens über die ganze Welt haben sich verschiedene Zeichenstile herausgearbeitet. Der Barks-Strich ist keineswegs Dogma.
Schröder indes hängt ihm an. „Ich freue mich, wenn meine Feder genauso kratzt wie die von Carl Barks“, sagt er. Damit sie so kratzt, hat er sich dasselbe Fabrikat besorgt. Es wird schon seit vielen Jahren nicht mehr hergestellt. Der gebürtige Aachener – heute wechselnd in Barcelona und Paris daheim – besitzt genügend Vorrat für 200 Jahre, bei normal vorhersehbarem Verschleiß.
Nun hat Kunst mit Individualität zu tun, außerdem mit kaum nachvollziehbaren Feinheiten. Die Comic-Produktion eröffnet hier ein Spannungsfeld, in dem man nicht in einfachen Ausschließlichkeiten denken sollte. Die Frage, wie individuell ein Disney-Zeichner sein darf, macht Ulrich Schröder persönlich wenig Kummer: „Beim Zeichnen für Merchandising oder für Trickfilme nur sehr wenig“, sagt er ohne Bedauern. „Im Rahmen eines Stils“ – wie dem von Carl Barks etwa – „kann ich meine eigene Handschrift entwickeln. Das tun wir auch, und ich erkenne die anderen Zeichner sofort, jedenfalls zu 80 Prozent.“
Das „Genie Uderzo“
Eine eigene Comic-Reihe mit Schröder als Autor ist nicht zu erwarten. Der Mann ist Disney-Fan seit Kindheit an und sagt noch heute und wohl für alle Zukunft: „Ich möchte die Disney-Figuren weiterentwickeln. Etwas Eigenes interessiert mich nicht.“ Freilich lässt er andere Comic-Zeichner vollauf gelten, spricht vom „Genie Uderzo“ oder den „Heroen der Neuen Frankfurter Schule“.
Im letzten Jahr interessierten ihn einmal besonders die Wimmelbilder von Ali Mitgutsch. Er erfuhr: Originale sind in der Würzburger Galerie Gabriele Müller einzusehen. Hier studierte er die Gemälde mit den vielen Details einen ganzen Tag lang. Am Ende, als er die Lupe aus der Hand legte, fragte die Inhaberin, was er denn beruflich so mache. „Da sagte er mir ganz bescheiden: Ich bin auch Zeichner“, berichtet Müller von der „tollen Begegnung“. Sie fragte, ob er bei ihr ausstellen würde. Er wollte – schließlich sind seine Originale sonst nur auf Festivals und Messen zu sehen. In den anschließenden zwölf Monaten entwickelte er als Seitenlinie seines Schaffens die Großformate auf Leinwand. Sie entstanden extra für die Schau am Main.
Öffnungszeiten: Montag 10-13 Uhr, Dienstag bis Freitag auch 14 bis 18.30 Uhr, Samstag 10-14 Uhr. Bis 15. März