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BERLIN
Enkelin begibt sich auf die Spuren von Adolf Hitlers Geldfälscher
dpa
 |  aktualisiert: 07.01.2016 15:11 Uhr

Das „Unternehmen Bernhard“, eine der bizarrsten Aktionen der Nazis, wurde durch den Film „Die Fälscher“ vor ein paar Jahren international bekannt. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Nationalsozialisten die gewagte Idee, die Wirtschaft der Briten durch massenhaft gefälschte Pfundnoten zu schwächen. Beim KZ Sachsenhausen gründeten sie eine Fälscherwerkstatt, in der Häftlinge unter Anleitung des SS-Sturmbannführers Bernhard Krüger unter strengster Geheimhaltung die Blüten herstellten.

Tatsächlich gelangten die falschen Pfundnoten nie zum Einsatz. Doch die als „kriegswichtig“ eingestuften 140 Häftlinge überlebten. Bernhard Krüger musste nach dem Krieg vier Jahre in alliierte Haft. Später arbeitete er in der Fabrik, die im Krieg das Papier für das Falschgeld produziert hatte. Die Journalistin Charlotte Krüger war zehn Jahre alt, als ihr Großvater Bernhard starb. In Erinnerung hat sie vor allem einen gepflegten älteren Herrn, der sich liebevoll um seine Enkelin kümmerte.

Dieser Großvater, der so leidenschaftlich Briefmarken sammelte und seine Enkel in seinem Hamburger Apartment mit Bockwürsten und Waldmeistersirup verwöhnte, war nur schwer mit dem SS-Mann in Verbindung zu bringen, der als „Hitlers Geldfälscher“ in die Geschichte einging. Doch die Vergangenheit Bernhard Krügers hatte indirekt die Familiengeschichte geprägt – durch Verschweigen, pauschale Rechtfertigungen oder auch hitzige Streitgespräche, vor allem mit der kritischen Schwiegertochter.

So ist das Buch „Mein Großvater, der Fälscher“ nicht nur eine Spurensuche nach Bernhard Krüger und dem nach ihm benannten Unternehmen, sondern auch eine sehr persönliche Auseinandersetzung der Autorin mit sich und ihrer Familie, in der die Meinungen über den früheren SS-Mann weit auseinandergingen. War Krüger ein Techniker und Opportunist, der die SS kühl kalkulierend als Karrieresprungbrett benutzte und dabei die verbrecherischen Verstrickungen billigend in Kauf nahm? Oder war er ein „Schutzengel“ in schwarzer Uniform, ein zweiter Oskar Schindler, der Leben gerettet hat? Immerhin waren die Häftlinge in seiner Fälscherwerkstatt geschützt, so lange die Arbeit andauerte.

Charlotte Krüger schafft es, mit einem der wenigen Überlebenden aus der Fälscherwerkstatt ins Gespräch zu kommen. Der Jude Isaak Plapler verlor zahlreiche Familienangehörige im Holocaust. Der hochbetagte Mann bestätigt den Bericht anderer Häftlinge von Krügers Freundlichkeit.

Bei der ersten Begrüßung sprach er „seine Juden“ als „meine Herren“ an und siezte sie „als wäre es das Normalste auf der Welt“. Dieser respektvolle Umgangston genügte damals schon, um Menschlichkeit zu suggerieren, stand er doch im krassen Gegensatz zu den brutalen Auftritten anderer SS-Männer. Doch es gibt kein richtiges Leben im falschen. Wer in der SS an oberer Stelle mitmischte, konnte schwerlich eine weiße Weste behalten.

Krüger gelingen in ihrer aufwendigen Spurensuche, die sie bis nach Neuseeland und in die USA führt, spannende neue Einblicke in eines der abenteuerlichsten Unternehmungen der Nazizeit. Die Fälscher-Geschichte hat nichts von ihrem schillernden Charakter verloren.

Charlotte Krüger: Mein Großvater, der Fälscher. Eine Spurensuche in der NS-Zeit (Deutsche Verlags-Anstalt, 352 Seiten, 19,99 Euro)

 
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