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WÜRZBURG
Eine Stimme, an der man sich nicht satthören kann
Tenor mit wunderbar weicher Stimme: Daniel Behle.
Foto: Marco Borggreve | Tenor mit wunderbar weicher Stimme: Daniel Behle.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:47 Uhr

Wollte dieser Abend mit dem Besten beginnen oder mindestens dem besonders Guten: Er bräuchte zwei Anfänge. In einem würde gleich erzählt von der weichen, plastischen Stimme Daniel Behles.

Der andere Anfang würde sofort zum Einstieg das butterzarte Kalbsfilet rühmen, dass der Würzburger Sternekoch Benedikt Faust zusammen mit einem vakuumgegarten Schweinebauch auf einer Petersiliensalsa mit einem Potpourri von Spargel und Erbse servierte. Aber wenn zwei Künste – die Sangeskunst und die Kulinarik – bei einer Veranstaltung so gleichwertig und ebenbürtig nebeneinander stehen – mit was beginnen? Weil dieser Artikel nur einen Beginn haben kann, sei schlicht gesagt, dass am Samstagabend in der Würzburger Residenz das vielleicht sinnenvollste, sicher opulenteste und teuerste Konzert des diesjährigen Mozartfestes stattgefunden hat.

Daniel Behle, „der“ Mozarttenor dieser Zeit, sang elf der schönsten, bekanntesten Arien aus Opern des Festivalnamensgebers. Begleitet vom L'Orfeo Barockorchester auf Originalinstrumenten. Und kulinarisch erweitert zur Gala mit einem Diner vom Rebstock-Catering „Mundgold“ des Benedikt Faust.

Heiterer Beginn . . . mit einer Pause

Und wenn es schon schwer fällt, mit dem Besten zu beginnen, dann kann man die nebensächliche, aber heitere Anfangsanekdote erwähnen. Als die fränkische Weinkönigin die 380 Gäste im Kaisersaal begrüßt und Mozartfest-Intendantin Evelyn Meining die Gala eröffnet hatte („Lieber genießen und bereuen, als bereuen, nicht genossen zu haben“), als also Orchesterleiterin Michi Gaigg gerade angehoben hatte zu den ersten Takten aus der Don-Giovanni-Ouvertüre – da läuteten die nahen Glocken von St. Johannis so laut zum Abend, dass Gaigg erst mal schmunzelnd, dann lachend absetzte und geduldig wartete, bis das Glockensolo ausklang.

Ein Programm das schwülstig oder langweilig werden könnte – und gerade das nicht wird

Zwei Ouvertüren, elf große Arien – als Programm für einen Abend zugleich schlicht und einfallslos wie anmaßend mächtig? Was Daniel Behle und das L?Orfeo-Barockorchester aus Oberösterreich daraus machen ist schlicht abwechslungsreich, dynamisch und von höchster Kurzweil. Und dank der alten Instrumente das Beste, was dem Kaisersaal , in dem die modern besaiteten Violinen, das sinfonische Blech schnell viel zu wuchtig und metallisch klingen, widerfahren kann.

Im vergangenen Jahr schon hat der 44-jährige Tenor aus Hamburg sich auf einem Album zusammen mit dem Ensemble den missachteten Opernarien des Franz Schubert gewidmet. Jetzt gerade rücken Behle und Gaigg jenen Komponisten in den Mittelpunkt, der als „der“ größte Musikdramatiker überhaupt gilt. Und so zeichnet Daniel Behle mit dem sehr lebendig und farbenreich musizierenden Orchester den klanglichen Weg vom Verlierer zum Helden, vom zärtlichen Don Ottavio bis zu den leidenschaftlichen Königen Tito und Idomeneo. Wollte man wissen, wie „Empfindsamkeit“ klingt: man müsste nur Behle den Tamino oder Belmonte singen hören.

Wenn ein Zuhörer nach dem letzten Ton herausplatzt: „Bravo!“

Die Stimme wunderschön weich, beweglich, geschmeidig gestaltend statt kraftvoll dramatisierend. Und dabei verständlich bis zur letzten Silbe. Was Behle auszeichnet: Er reizt die Stimme nicht aus, drückt nicht, brüllt nicht, demonstriert nicht schiere Kraft – sondern singt selbst die flotten, kraftvollen, lauten Momente mit erstaunlicher Leichtigkeit. Das hinausplatzende „Bravo!“ eines Zuhörers nach „Se all?impero, amici Dei“ des Tito mag davon zeugen. Ein Sängerglücksfall, auch die Chefin des pulsierend musizierenden Ensembles applaudierte immer wieder verzückt.

„MoZarte“ Generalprobe für die CD-Einspielung

Eine Stimme, an der man sich nicht satthören kann. Gut zu wissen: Am Tag nach der Residenzgala fuhren Behle und das Barockorchester nach Oberösterreich, ins Schloss Zell an der Pram, wo sie bis Mittwoch ihr neues „MoZart“-Album aufnehmen. Der Würzburger Auftritt konnte als gelungene Generalprobe dafür gelten.

Wollte dieser Artikel mit dem Besten schließen – es müssten zwei Schlüsse sein. Im einen wäre die Rede von Pfirsichtarte, Kaffeeschaumtörtchen und Himbeersorbet, zu dem die Weinprinzessinnen der Region einen exzellenten Seinsheimer Traminer-Eiswein der Winzergemeinschaft Franken servierten. Der andere würde „Fuor de mar“, die furiose Arie des Idomeneo, nennen, bei der Daniel Behle noch einmal seine ganze Ausdrucks- und Gestaltungskraft demonstrierte.

Allenfalls ein winziger Wermutstropfen . . .

Es gibt aber nur ein Ende, also nur ein Fazit: Konzert wie Speis und Trank rundum schön und sinnenschmeichelnd. Süß, ohne süßlich zu sein. Bleibt als einziger Wermutstropfen, wenn man an diesem Abend überhaupt etwas Bitteres schmecken oder mäkeln wollte: Dass es wegen der wartenden Speisen keine musikalisch Zugabe gab.

380 Gäste kamen am Samstag zur Residenzgala - im Kaisersaal sang Daniel Behle, für das Diner im Weißen Saal kochte Benedikt Faust.
Foto: Patty Varasano | 380 Gäste kamen am Samstag zur Residenzgala - im Kaisersaal sang Daniel Behle, für das Diner im Weißen Saal kochte Benedikt Faust.
Eingedeckt für das Gala-Diner: Der Gartensaal der Residenz bei der Gala mit einem Menü von Sternekoch Benedikt Faust.
Foto: Patty Varasano | Eingedeckt für das Gala-Diner: Der Gartensaal der Residenz bei der Gala mit einem Menü von Sternekoch Benedikt Faust.
Willkommen bei der Residenzgala: Das Mozartfest lud zusammen mit dem fränkischen Weinbauverband zum sinnenreichen Konzert- und Diner-Abend.
Foto: Patty Varasano | Willkommen bei der Residenzgala: Das Mozartfest lud zusammen mit dem fränkischen Weinbauverband zum sinnenreichen Konzert- und Diner-Abend.
 
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