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Würzburg
Eine junge Frau brachte Bauhaus-Ideen nach Würzburg
Die Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens (VK U) und das Bauhaus feiern 100-jähriges Bestehen. Die beiden Institutionen verbindet noch mehr. Zum Beispiel Lis Beyer.
Damals flottes Outfit: Bauhaus-Künstlerin Lis Beyer (rechts) in einem von ihr entworfenen und angefertigten Papierkleid mit der Würzburger Künstlerin Gertraud Rostosky. Das Foto entstand am 18. April 1933.
Foto: Museum im Kulturspeicher | Damals flottes Outfit: Bauhaus-Künstlerin Lis Beyer (rechts) in einem von ihr entworfenen und angefertigten Papierkleid mit der Würzburger Künstlerin Gertraud Rostosky. Das Foto entstand am 18. April 1933.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:17 Uhr

Was haben die Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens, kurz VKU, und das Bauhaus gemeinsam? Zunächst dies: Beide können in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiern. Das Bauhaus, weil es tatsächlich vor 100 Jahren gegründet wurde. Für die VKU reicht es zum Hundertjährigen, weil sie ihr eigenes Bestehen seit 1945 mit dem ihrer Vorgänger-Organisation gekoppelt hat. Die Vereinigung unterfränkischer Künstler und Kunsthandwerker (VuKuK) wurde nämlich 1919 gegründet und existierte bis 1933. Dann wurde sie von den Nationalsozialisten verboten. Ansonsten scheinen VKU und Bauhaus aber nur wenig gemeinsam zu haben. Gäbe es da nicht die Bauhaus-Künstlerin Lis Beyer, die neun Jahre lang an der Würzburger Kunsthandwerkerschule als Lehrerin tätig und während dieser Zeit Mitglied der VuKuK war.

Elisabeth „Lis“ Beyer, 1906 in Hamburg geboren, war Absolventin des Bauhauses. Ihre Ausbildung dort hat sie etwa 1925 in Weimar in der Webereiklasse begonnen. Nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau studierte sie dort bis zu ihrer Gesellenprüfung im März 1927. In dieser Zeit besuchte sie Kurse der Bauhaus-Meister Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer, schreibt die Würzburger Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin Bettina Keß in ihrer 2001 veröffentlichten Dissertation „Kunstleben und Kulturpolitik in der Provinz – Würzburg 1919 bis 1945“.

Auch Schauspielerin und Tänzerin

Mit dieser Arbeit und ihrem Aufsatz „Eine Bauhaus-Absolventin in Würzburg: Lis Beyer“ für den Katalog der Ausstellung „Tradition und Aufbruch“ (Museum im Kulturspeicher 2003/4) hat die Autorin zwei wichtige Quellen zu Lis Beyer verfasst, über die sonst nur wenig bekannt ist. Während ihrer Bauhaus-Zeit war Lis Beyer auch als Schauspielerin, Tänzerin und Kostümbildnerin an Festen und Aufführungen der von Oskar Schlemmer geleiteten Bauhausbühne beteiligt, schreibt Keß. 1929 legte sie schließlich ihre Meisterprüfung als Weberin ab.

Noch im gleichen Jahr ging die Bauhaus-Absolventin nach Würzburg. Hier übernahm sie die Leitung der Handwebereiklasse an der Handwerkerschule des Polytechnischen Zentralvereins. Wie sie zu dieser Aufgabe kam, ist nicht genau bekannt. Vermutlich kam die Verbindung nach Unterfranken über den in Sommerhausen lebenden Maler Carl Grossberg zustande, der selbst von 1919 bis 1921 am Bauhaus studiert hatte, schreibt Bettina Keß im Ausstellungskatalog.

Auch an der Würzburger Leonhard-Frank-Promenade in Würzburg sind Werke der Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der VKU (Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens) zu sehen. Im Bild: 'm-w 4' von Matthias Engert.
Foto: Thomas Obermeier | Auch an der Würzburger Leonhard-Frank-Promenade in Würzburg sind Werke der Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der VKU (Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens) zu sehen. Im Bild: "m-w 4" von Matthias Engert.

Zu Beginn der 1930er Jahre heiratete Lis Beyer den Architekten Hans Volger, der ihr alsbald nach Würzburg folgte und sich als selbstständiger Architekt niederließ. Gleichzeitig begann er ein Ingenieurstudium in Karlsruhe, das er 1936 mit einer Diplomarbeit über das Juliusspital abschloss.

Nach den Recherchen von Bettina Keß dürfte Lis Beyer die Würzburger Werkstatt nach dem Bauhaus-Vorbild geleitet haben. Das heißt: profunde Kenntnis der handwerklichen Techniken als Basis der künstlerischen Arbeit. Experimentelles Arbeiten mit ungewöhnlichen Materialien und Techniken schienen aber in Beyers Würzburger Webklasse kaum eine Rolle gespielt zu haben. Die Weberei verkaufte ihre Produkte wie Vorhang- und Kleiderstoffe oder Wandteppiche direkt an Interessierte oder produzierte auch nach Aufträgen.

Überregionale Anerkennung

Regelmäßig war die Webereiklasse auf Würzburger Kunstausstellungen vertreten und genoss auch überregionale Anerkennung. Dafür dürften laut Keß in erster Linie das Können und die Kontakte ihrer Leiterin verantwortlich gewesen sein. Als der Architekt Peter Feile seine vom Bauhaus-Stil inspirierte Villenanlage am Lerchenhain der Öffentlichkeit vorstellte, war Beyers Webereiklasse an der Präsentation beteiligt. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus fand die Handweberei noch große Anerkennung, nun allerdings als Ausdruck einer Rückbesinnung auf „traditionelle Volkskultur“.

1938 verließ Lis Beyer Würzburg. Den möglichen Grund beschreibt Bettina Keß so: „Den Ideen der Bauhausweberei – experimentelles Arbeiten einerseits und massenproduktionstaugliche Textilentwürfe andererseits – konnte Lis Beyer in Würzburg nur schwer treu bleiben. Für beides gab es in Unterfranken kaum Abnehmer. Das kreative ehemalige Mitglied der Bauhausbühne schien für ihre Lust an fantasievollen und künstlerischen Verkleidungen jedoch auch in Würzburg einen Platz gefunden zu haben: 1931 fungierte Beyer im Auftrag der VuKuK als Kostümberaterin der Gäste des Künstlerfestes ‚Farbenkoller‘“. Werke von Lis Beyer selbst oder aus ihrer Webereiklasse sind in Würzburg nicht erhalten geblieben. Allerdings gibt es ein Foto aus ihrer Würzburger Zeit, auf dem sie ein von ihr entworfenes Papierkleid trägt.

Kurt-Grimm-Skulptur 'Entwicklung G9' in der Freiluft-Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der VKU.
Foto: Thomas Obermeier | Kurt-Grimm-Skulptur "Entwicklung G9" in der Freiluft-Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der VKU.

In Lis Beyer hatte die VuKuK also ein durchaus prominentes Mitglied, aber bei weitem nicht das einzige. Auch der Aschaffenburger Ernst Ludwig Kirchner, der später zu Weltruhm kam, die Künstler-Brüder Heinrich, Matthäus und Rudolf Schiestl oder die Maler Max Slevogt, Christian Schad und Carl Grossberg waren alle Mitglieder der unterfränkischen Künstlergemeinschaft. An sie wird in der großen Jubiläumsausstellung der VKU (19. Mai bis 30. Juni) im Spitäle erinnert, wenn auch nicht mit Originalwerken, so doch mit Bild- und Texttafeln.

Ausstellungen zum VKU-Jubiläum

Ansonsten verspricht die sechswöchige Ausstellung viel Abwechslung, denn sie verändert sich wöchentlich. Beginnend mit VKU-Klassikern (Gertraud Rostosky, Emy Roeder, Joachim Schlotterbeck oder Josef Versl), überwiegend aus der Städtischen Sammlung des Museums im Kulturspeicher, wandelt sie sich bis hin zu den Werken heutiger VKU-Mitglieder. Aktuell hat die VKU rund 200 Mitglieder, 150 davon sind aktive Künstlerinnen und Künstler, der Rest sind Fördermitglieder.

Mit zwei weiteren Ausstellungen geht die VKU raus aus dem Spitäle ins Freie. Von Mai bis Ende Oktober zeigen Bildhauerinnen und Bildhauer der VKU Plastiken und Skulpturen auf der Leonhard-Frank-Promenade und im Park des Juliusspitals. Die Arbeiten wurden eigens für diese Ausstellungen angefertigt und zeigen ein breites Spektrum der skulpturalen Kunst. Sozusagen als Verbindungslinie zwischen dem Spitäle und den beiden Open-Air-Ausstellungen werden auf der Achse Spitäle-Rathaus-Domstraße-Dominikanerplatz-Juliuspromenade 20 von VKU-Künstlern gestaltete Fahnen-Unikate gehisst. Diese „Kunst im Wind“ wird vom 7. Juni bis 21. Juli gezeigt.

Zum Jubiläum wird auch eine 300-seitige Chronik erscheinen, die der Historiker Harald Knobling zusammengestellt hat. In Text und Bild wird dort das erste VKU-Jahrhundert dargestellt.

 
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