Der Teufel hat vor allem zwei Interessen: Männliche Geschlechtsorgane sollten erstarken, weibliche brennen. Das ist das satanische Hauptprogramm. Im Jahr 1012 erschien dem Bischof Thietmar von Merseburg der Leibhaftige. Ausgerechnet in Gestalt des als tugendhaft geltenden König Heinrich I. Der hatte sich an einem hohen kirchlichen Feiertag betrunken und Geschlechtsverkehr mit seiner Gattin gehabt, was an diesem Tag verboten war. Sex mit dem Teufel? Ungeheuerlich, da war der Satan in ihn gefahren, eine andere Erklärung konnte es für den Bischof nicht geben.
Warum haben so viele Leute Angst vor dem Teufel? Der Philosophiehistoriker und Mittelalter-Experte Kurt Flasch, 85, schlug sich im Finale seines Lebens mit dem Gehörnten herum. Dieser war immerhin eine zentrale Figur der Christenheit. Selbst Goethe, ein für seine Zeit überaus aufgeklärter Mensch, hatte es mit dem Satan. Sein zynischer, menschenfeindlicher Mephisto war dessen moderne Version. Flasch beginnt seine Ausführungen rigoros: „Wer Europa kennen will, muss Gott und den Teufel erkunden. Beide haben dort lange geherrscht.
“ Der Teufel kann ein Dämon sein, im Alten Testament wuchs er zum Satan heran, und Gott ließ zu, dass er Hiob mit seriellen Schicksalsschlägen so lange quälte, bis der seelisch zusammenbrach. Im Neuen Testament war der Teufel schuld an allem irdischen Jammer. Der Apostel Paulus nannte ihn gar den „Gott dieser Welt“, er meinte den Antigott, der dem wahren Gott ins Geschäft pfuschte. Ein Durcheinanderbringer.
Für Flasch ist der Teufel ein Epochenbild, ihm geht es um Aufklärung. „Teufelslehren waren Theorien, aber zugleich Teil der gesellschaftlichen Praxis, des Gesundheitswesens und der Gerichte“, führt er aus. Und das ganz real, es entschied oft über Leben und Tod eines Menschen. Man muss sich das vorstellen: Ein Gericht verurteilt einen Übeltäter, weil der Teufel in ihm nistet, an Universitäten gab es ellenlange Vorlesungen über Satan und Konsorten, die Dämonen. Im Mittelalter war die Verkörperung des Bösen allgegenwärtig. Zwar gab es auch Skeptiker, aber eine Barbarei wie die Hexenjagd und -verbrennung erlebte ihren Höhepunkt erst nach dem Mittelalter. Die letzte „Teufelsanbeterin“ starb Mitte des 17. Jahrhunderts auf dem Scheiterhaufen.
Wie sah der Teufel aus? Er glich dem Gott Pan, hinkte, stank nach Schwefel und war emotionslos außerhalb böser Begierden. Er trat als Drache auf, auch als Kröte, Schlange, Schwein und wenn in menschlicher Gestalt, dann dunkelhäutig und mit wüstem Zottelhaar. Er war der Herr der Fliegen, die er als Geschwader aussandte, einer, der für Verwirrung sorgte und log. Er war von Neid erfüllt auf schöne Menschen. Furcht hatte er vor nichts und niemandem – außer vor Sakramenten, für ihn Folter. Dann rächte er sich mit durchtriebenen Verlockungen, bei denen es fast immer irgendwie um Sex ging.
Die kirchliche Doktrin wusste das zu nutzen. Der Teufel war Herr des ewigen Feuers, wer nicht der Kirche angehörte, würde einst dort schmoren; selbst ungetauft verstorbene Babys kamen dorthin, Heiden sowieso. Kirchenlehrer Thomas von Aquin dachte lange über das Fassungsvermögen der Hölle nach. Andere Theologen meinten, erst am Jüngsten Gericht würde der Oberböse sein gerechtes Urteil erhalten. Generationen von Intellektuellen hingen am Teufel fest. Er galt als „historisch real“, so Flasch. Der Teufelsglauben hält sich immer noch, aber – so der Autor – „in Europa ist der Teufel tot“.
Das relativiert er aber sofort wieder, indem er auf den Satan in Literatur, Film und anderer Kunst kommt, E.T.A. Hoffmann, Bulgakow, Lars von Trier oder Salman Rushdie als Zeugen anführt. „Satanskult und Teufelsmessen gibt es bis heute, auf Bühnen und in Filmen“, schreibt Kurt Flasch, „aber nicht nur dort.“
Kurt Flasch: Der Teufel und seine Engel – Die neue Biographie (C.H. Beck, 462 S., 26,95 Euro)