Betritt man den kleinen Laden des Geigenbauers in der Neubaustraße, steigt einem sofort der Duft von Harz und edlem Holz in die Nase. Es sieht aus wie in einer normalen Schreinerei – nur Hobel und Messer, mit denen der 46-jährige Markus Lützel arbeitet, sind wesentlich feiner und kleiner als die eines Schreiners. Das sind die Werkzeuge, mit denen Lützel die für die Schwingung der Geige notwendige Wölbung herausarbeitet. Gerade bei Streichinstrumenten „kommt es auf das Material an“, erklärt Lützel. „Holz arbeitet immer.“
Das Holz trocknet mehrere Jahre
Deshalb muss es mehrere Jahre trocknen, bevor es zum Geigenbau verwendet werden kann. „Gut eignen sich Fichte und Ahorn.“ Lützel hat eine Scheune, in der manches Holz schon seit 25 Jahren lagert.
Bei den Saiten der Geige scheiden sich die Geister. Besonders alte Instrumente werden gerne traditionell mit Naturdarm bespannt, neuere Modelle mit Kunststoff oder Metall. Der Bogen für die Geige besteht meist aus Tropenhölzern. Gestrichen wird mit Pferdehaaren, die teilweise aus Sibirien oder der Mongolei stammen. „Die Herstellung eines Streichbogens ist nicht die ureigenste Aufgabe eines Geigenbauers“, sagt Lützel. Das erledigt traditionell der Bogenmacher. Neben dem Neubau von Instrumenten sind die Hauptaufgaben des Drei-Mann-Unternehmens von Markus Lützel Restaurierung und Reparatur alter und gebrauchter Instrumente.
Seine Kundschaft ist kunterbunt: von jung bis alt, vom Anfänger bis zum Profi, aus Würzburg, St. Petersburg oder auch mal London. Zu tun hat Lützel genug, sagt er. Oft sei nicht die Abnutzung des Instruments durch den Musiker Grund für eine teure Restaurierung – vielmehr „passieren die größten Schäden bei nicht sachgerechter Behandlung durch den Reparateur“, so Lützel. Es gab nur ganz wenige Fälle, bei denen selbst der Geigenbaumeister, der die gesamte Violinfamilie von Geige über Bratsche bis Cello verarztet, das Handtuch werfen musste. Für einen von Holzwürmern zerfressenen Kontrabass sah Lützel keine Zukunft in der Musik. Er baute ihn zu einer Seifenkiste um.
Stolz holt der Geigenbauer eine Antiquität aus dem Tresor. „Dieses Instrument könnte man ebenso in einem Museum ausstellen“, sagt Lützel – und zeigt eine Bratsche, die er für einen Kunden restauriert. Das Schmuckstück wird immer noch gespielt – „und zwar nicht nur in der Freizeit oder in speziellen Barockorchestern. Über die Jahre hinweg wurde sie dem jeweiligen Klangideal der Klassik oder Romantik angepasst, verlor dabei aber nie ihren Charakter“, erzählt Lützel.
Eine fast 400 Jahre alte Bratsche
Er schätzt, dass die Bratsche fast 400 Jahre alt ist – und mehrere hunderttausend Euro wert. Vermutlich kommt sie aus Brescia, neben Cremona, woher die legendären Stradivaris stammen, eines der großen Geigenbauzentren Italiens. „Leider ist der Name des Herstellers unbekannt. Sonst wäre sie wohl noch ein Vielfaches mehr wert“, mutmaßt Lützel. In seiner Werkstatt hängen viele alte Streichinstrumente an der Wand – ein ganzes Orchester alter Geigenbaukunst. Die Geschichte der Instrumente reicht teils bis in die Frühzeit des Geigenbaus zurück.
Die Reparatur einer Geige dauert oft mehrere Tage, ein Neubau bis zu drei Wochen. Lützel klopft gegen ein Stück Holz, das allenfalls eine noch zu werdende Geige erahnen lässt, um Schwingung und Klang zu testen. Und wenn man ihn beobachtet, wie konzentriert er klopft und lauscht, wird eines klar: Das 400 Jahre alte Traditionshandwerk des Geigenbaues ist kein gewöhnlicher Beruf – es ist eine eigene Kunst, fast so wie das Musizieren selbst.