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KLINGENBERG
Ein Richter redet sich um Kopf und Kragen
Mit gleichsam sprechendem Bühnenbild: Kleists „Der zerbrochene Krug“ auf der Clingenburg.
Foto: Bjoern Friedrich | Mit gleichsam sprechendem Bühnenbild: Kleists „Der zerbrochene Krug“ auf der Clingenburg.
Sabine Dähn-Siegel
Sabine Dähn-Siegel
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:53 Uhr

Von Anfang an ist bei den Clingenburg Festspielen klar: Der Kerl ist unsympathisch, nicht nur wegen seines Äußeren. In ungepflegter Unterwäsche, lädiert an Kopf und Knie, strahlt er im Umgang mit seinen Untergebenen und Mitmenschen Rücksichtslosigkeit und Macht aus. Ein lauter, böser, alternder Mann ist das, der seine späten Triebe nicht bezähmen kann und ein junges Mädchen sexuell zu erpressen versucht. Ein Provinzrichter, dem nur die überraschende Visite eines hochrangigen Vorgesetzten Hosenflattern bereitet.

Dieser Gerichtsrat nimmt seine Arbeitsweise als Vorsitzender des Steuer- und – verhängnisvoller – des Gerichtswesens unter die Lupe. Ausgerechnet in einem Fall, in dem es vordergründig um so eine Lappalie wie einen zerbrochenen Krug geht. Ausgerechnet in diesem Fall, in dem Richter und Täter ein und dieselbe Person sind und dies durch ein Gespinst improvisierter, durchsichtiger Lügen zu vertuschen und einen Unschuldigen als Täter zu überführen versucht.

Der Fiesling

Der Fiesling ist Richter Adam und die zentrale Figur in Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“. Bei den Festspielen auf der Burg über Klingenberg am Main, beherrscht Konrad Adams die Rolle der charakterlosen, selbstherrlichen und derben Hauptfigur, der nicht einmal davor zurückschreckt, Zeugen körperlich zu bedrohen, sie mal anbrüllt, mal umschwänzelt. Adams macht diese Szenen zu den Höhepunkten der Aufführung (Regie: Marcel Krohn).

Sein souveräner Gegenpart ist Gerichtsrat Walter. Werner Wulz verpasst diesem Aufklärer im dunklen Kaufhausanzug eine distanziert-kühle Note. Erst der ihm aufgedrängte Käse und Wein machen den pflichtbewussten Beamten etwas lockerer. Und obwohl er im Laufe der Gerichtsverhandlung immer weichere, verständnisvollere Züge annimmt, setzt er dem Richter mit Fragen und (gesetzlichen) Formalitäten ordentlich zu.

Letztendlich ist Walter es, der mithilfe des verhalten devoten, aber auf den Richter-Posten scharfen Schreibers (eher unauffällig: Antonio Kosztics) die Wahrheit ans Licht bringt, der die aufgebrachten beziehungsweise ängstlichen Zeugen besänftigt.

Aufgebracht wegen der Ereignisse in Eve Rulls Kammer in der letzten Nacht sind in erster Linie zwei: Mutter Marthe (Franziska Krumwiede, sehr komisch in der Szene, in der sie detailliert die Darstellungen niederländischer Geschichte schildert, die bis vor Kurzem den Krug schmückten) und der von ihr des Krugbruchs beschuldigte Verlobte ihrer Tochter, der machohaft-tölpische Ruprecht (Fabian Baecker). Er erscheint in Begleitung seines Vaters Veit Tümpel (Günther Brenner) vor Gericht.

Die Unschuld in Person

Als Eve steht Nuria Mundry auf der Bühne. Gekleidet in kurzes Röckchen und Teddyjacke, ist sie die Unschuld in Person, und macht den Mund erst auf, als Richter Adam ihren Verlobten ins Gefängnis schicken will. Für nette Szenen sorgen zudem die beiden Mägde von Adam (Franziska Lißmeier und Sandra Leitner) sowie die Muhme Frau Brigitte (Ramona Schmid), die eine neugierig-naiv-teufelsgläubige Frau verkörpert.

Am Ende dieser (leicht bitteren) Komödie, deren Uraufführung 1808 in Goethes Inszenierung ein Misserfolg war, sind alle gerettet, selbst der geflohene Adam.

Womit dieser selbstherrliche Typ den versöhnlichen Schluss verdient, kann Regisseur Marcel Krohn zwar nicht vermitteln. Dennoch: Das Publikum der nicht ganz ausverkauften Premiere bedankte sich mit viel Applaus für 100 kurzweilige Minuten.

Weitere Vorstellungen: 25. und 27. bis 30. Juli, sowie 2., 3. und 6. August. Karten: Tel. (0 93 72) 30 40.

 
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