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BAD WINDSHEIM
Ein jüdisches Schicksal als Ode an das Leben
Original und Darsteller: Yoram Fridman, Andrzej Tkacz.
Foto: dpa | Original und Darsteller: Yoram Fridman, Andrzej Tkacz.
dpa
 |  aktualisiert: 21.10.2012 18:39 Uhr

Als die Filmklappe fiel und der zehnjährige Andrzej vor die Kamera trat, hielt es Yoram Fridman nicht lange auf seinem Stuhl: „Ich musste aufstehen und rausgehen, weg vom Drehort. So real ist der Film. Da kamen auf einmal Erinnerungen hoch, die ich bisher nur aus Alpträumen kannte. Das war ein sehr emotionaler Moment“, schildert der 78-Jährige seine Teilnahme an den Dreharbeiten zum Film „Lauf, Junge, lauf!“, und selbst am Tag drauf wirkt der Israeli noch immer nachdenklich. Am Wochenende wurde im Freilandmuseum im fränkischen Bad Windsheim eine der letzten Szenen gedreht.

Fridmans Reaktionen überraschen Regisseur Pepe Danquart und sein 60-köpfiges Team keineswegs. Schließlich erlebt der 78-Jährige mit jeder Szene noch einmal die schrecklichste Zeit seines Lebens – gespielt von einem zerlumpt umherlaufenden Jungen, wie er selbst mal einer war. Fridman war im Jahre 1942 als neun Jahre alter Bub aus dem Warschauer Ghetto geflohen; danach versteckte er sich bis zum Kriegsende in den polnischen Wäldern. Um nicht zu verhungern, sammelte er Waldfrüchte, jagte Kleintiere und ernährte sich von Schweinefutter auf Bauernhöfen, auf die er sich heimlich schlich.

Die Verfilmung seiner Flucht aus dem Ghetto hält er für eine Art Vermächtnis – „damit auch noch die nächste Generation weiß, was ich durchgemacht habe“, lässt er seine Tochter aus dem Hebräischen übersetzen. Sie hat ihn auf der mehrtägige Reise zu den Dreharbeiten in Bayern begleitet. Für die meisten Innenaufnahmen dienten alte Bauernhäuser in dem fränkischen Freilandmuseum als Kulisse. „Das ist alles authentisch hier. Das nachzubauen, hätte uns eine Menge Geld gekostet“, erklärt Danquart. Dass Fridman überhaupt nach Deutschland kommt, war lange Zeit fraglich. „Ich habe gezögert und lange überlegt. Jetzt bin aber überrascht von der Wärme, mit der meine Tochter und ich hier empfangen worden sind“, schildert er die Eindrücke seiner ersten Deutschlandreise. Dass gerade die Deutschen seine Geschichte in einem Film aufarbeiten, unter denen er doch so viel zu leiden hatte, sei eine späte Genugtuung.

Gespielt wird Fridman in dem Film von den polnischen Zwillingsbrüdern Andrzej und Kamil Tkacz. Beide teilen sich die schwierige Rolle. Andrzej ist dabei voller Bewunderung für Fridman: „Ich konnte erst gar nicht glauben, was Yoram alles durchgestanden hat“, erzählt der Zehnjährige. Auf seine Rolle hätten die beiden aus Warschau stammenden Buben nicht sonderlich vorbereitet werden müssen: „Beide sind hoch intelligent und wussten vom Warschauer Ghetto. Auch die Nazis waren für sie nichts Unbekanntes“, berichtet Regisseur und Mitproduzent Danquart.

Der Oscar-Preisträger („Schwarzfahrer“) sieht in seinem Film, der wahrscheinlich Ende 2013 in die Kinos kommt, eine „Ode an das Leben, eine Abenteuergeschichte mit historischem Hintergrund“. Darin unterscheide sich der Film von anderen Produktionen, die sich in den vergangenen Jahren mit dem Holocaust auseinandergesetzt hätten. Gewidmet sei der Film allen Kindern, die im Krieg überleben wollen. „Daher ist er so aktuell wie nie“, betont der Filmemacher.

Gedreht wurde außer in Bayern unter anderem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hessen. Die Waldszenen, die den Film prägen, seien Großteils im nordhessischen Reinhardswald entstanden, die Ghetto-Szenen in einem älteren Stadtviertel von Breslau, berichtet Produzentin Susa Kusche. Die beiden jungen Hauptdarsteller wurden in einem Casting aus 700 Bewerbern ausgewählt. Schauspielerisches Talent allein reichte für die Rolle nicht. Beide mussten hart im Nehmen sein: Im Film versinken sie in sumpfigem Morast, werden von Hunden gejagt, müssen Schweinefutter essen und auf sechs Meter hohe Häuser klettern.

 
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