Lustvoll gelebte Körperlichkeit: Eduardo Guerrero hämmert Flamenco
Wer meint, ein Tänzer alleine könne die große Bühne des Mainfranken Theaters nicht füllen, der hat Eduardo Guerrero noch nicht gesehen. Und nicht gehört: Guerrero tanzt nämlich nicht nur zur Musik. Nein, der Tänzer selbst ist die Musik, wenn er mit den Fingern schnipst, den Takt mit den Händen weckt, wenn er Synkopen auf seine Oberschenkel klatscht. Und natürlich, wenn er minutenlang die Tacones, seine Absätze, in den Boden hämmert - im Überhol-Tempo und mit einer Lust, die das Publikum wärmt. „Wahnsinn“, hört man die Zuschauer murmeln, wenn er Guerrero sich in rasante Solo-Fußteile, die Zapateados, hineinsteigert. „Wahnsinn“.
Schon im 17. Jahr organisiert die Flamenco-Lehrerin und Spanischlehrerin Mercedes Selbald das mehrtägige Würzburger Flamenco-Festival, das größte seiner Art im Süden Deutschlands. Dafür hat Sebald in den letzten Jahren berühmte Compagnien wie jene von Antonio Andrade nach Würzburg geholt, hat traditionsgebundene Tanzpaare wie Andres Pena und Pilar Ogalla eingeladen oder klassisch-elegante Startänzer wie Joaquin Ruiz hergelockt. Guerrero, laut Sebald in Spanien ein „Shooting-Star“, lässt sich dagegen kaum in eine Stilecke einordnen. In seinem aktuellen, „Faro“ (Leuchtturm) genannten, Programm scheinen Stile für ihn nur da zu sein, um sie zu sprengen.
Klassisch die Technik. Stilübergreifend die Performance: Beim umjubelten „Zapateao Mediterraneo“ rammt Guerrero seine Absätze so schnell in den Boden, dass am Ende fast ein orientalischer Shimmy herauskommt. Die aufrecht-elegante Haltung, die klassische Flamencotänzer nie aufgeben würden, verlässt Guerrero gern - er folgt dem, was er in der Musik hört. Und deshalb biegt Guerrero auch mal den Rücken bis fast ganz auf den Boden beim Ritardando. Oder kauert sich, kniet oder springt, weil die Musik ihn zwingt. Der 35-jährige Künstler aus Cadiz schert sich keinen Deut um Tradition, wenn er typische Flamenco-Drehungen mit Ballett-Pirouetten beendet oder zusätzlich Verzierungen aus dem argentinischen Tango einbaut. Breakdanceähnliches Schulterzucken a la Michael Jackson: Warum nicht?
Was Guerreros Kostüme betraf, fühlten sich Teile des Publikums an Freddie Mercury erinnert: Weiß, grün, rot-und ziemlich eng. Die sicher nicht klassischen Outfits führten dazu, dass Zuschauerinnen nach der Vorstellung lebhaft drüber stritten, ob Guerrero denn eher den „Torrero“ gegeben habe oder den Feuerball, eher den Macho oder den Gockel.
Unstreitig bleibt allerdings, dass Guerrero am Freitagabend gelang, mit fantastischer Technik, durch effektvolle Inszenierung und vor allem aufgrund seiner lustvoll ausgelebten Körperlichkeit die fränkischen Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Getragen wurde der Tänzer von seiner Compagnie, von den Flamenco-Gitarristen Javier Ibañez und Juan Jose Alba. Isabel Rivera Mora und Samara Montañez Romero sangen; sie waren großartig. Das Würzburger Fachpublikum -für viele langjährige Flamencotänzerinnen aus der Region ist Sebalds Festival ein Muß - belohnte Guerreros Show mit stehenden Ovationen.
Weitere Vorstellungen von Flamencokünstlern am Samstag, 20. April, und am Sonntag, 21. April, in der Würzburger Zehntscheune.