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MÜNCHEN
Edgar Selge und die Kraft der Überzeugung
Schauspiel mit Haut und Haar: Edgar Selge als böser Wolf in „Rotkäppchen“.
Foto: Felix Holland/dpa | Schauspiel mit Haut und Haar: Edgar Selge als böser Wolf in „Rotkäppchen“.
Von dpa-Korrespondent Georg Etscheit
 |  aktualisiert: 26.03.2013 17:49 Uhr

Schauspieler Edgar Selge hat Maßstäbe gesetzt: Die ARD-Krimireihe „Polizeiruf 110“ mit ihm als einarmiger Polizeikommissar Jürgen Tauber, den er bis 2009 verkörperte, bestach mit ihrer ruhigen Erzählweise sowie pointierten Charakter- und Milieustudien. Die Rolle brachte ihm 2003 sogar den Deutschen Fernsehpreis ein. An diesem Mittwoch (27. März) wird der TV- und Theaterschauspieler, der schon zusammen mit seinem ebenfalls schauspielernden Sohn vor der Kamera stand, 65 Jahre alt.

Im Gegensatz zu manchen Kollegen ist Edgar Selge kein „Selbst“-Darsteller, sondern ein echter Mime. Er setzt sich keine Maske auf, sondern stürzt sich geradezu hinein in seine Rollen. Man müsse versuchen, sich jeder Figur über eigene, authentische Erfahrungen zu nähern. „Jeder von uns kennt das Gefühl der Ohnmacht. Wenn einem Unrecht geschieht und man sein Gefühl der Wut und Aggression nicht loswird. Solche Erinnerungen muss man wiederbeleben, wenn man zum Beispiel einen Kindesentführer spielt“, sagte Edgar Selge in einem Interview. Sogar als Wolf in der teils in der Region gedrehten „Rotkäppchen“-Verfilmung war er stark.

Selge verkörpert seine Figuren mit Haut und Haaren, was ihn auch als Jürgen Tauber so überzeugend machte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Selge den Einarmigen nur spielt. Bis heute werde er auf der Straße von vielen Leuten angesprochen, die sich darüber freuten, dass er zwei Arme habe, erzählte Selge dem „Playboy“. Mit seinem asketischen Äußeren mache er „bei aller Lässigkeit eine sehr elegante Figur“, befand das Männermagazin. Körper hatte er schon in einer Nebenrolle in Helmut Dietls legendärer Serie „Kir Royal“ gezeigt. Dort mimte er, mit nackter Brust und arrogantem Tonfall, den blasierten Kellner eines Münchner Nobelrestaurants.

Die Schauspielerei war Selge, Sohn eines Gefängnisdirektors im westfälischen Herford, nicht in die Wiege gelegt. Nach einem Philosophie- und Klavierstudium gelang ihm der Sprung an die renommierte Otto-Falckenberg-Schule in München, die Theater-Talentschmiede schlechthin. Direkt nach seinem Abschluss wurde er vom Berliner Schillertheater engagiert, von 1978 bis 1996 gehörte er zum Ensemble der Münchner Kammerspiele, wo mit Klaus Schwarzkopf ein Kollege wirkte, der in den 70er Jahren im „Tatort“ als mürrischer Kommissar Finke brilliert hatte.

Parallel zu seiner Theaterkarriere startete Selge seine Laufbahn als Fernseh- und Filmdarsteller, wobei der bekennende Hypochonder oft den Neurotiker vom Dienst gibt. Auch „Polizeiruf 110“-Ermittler Tauber war ein Mann, der mit sich und seinem Beruf haderte und von seiner Filmpartnerin Jo Ostermeier alias Michaela May stets ein wenig bemuttert werden musste. Zuletzt gelang ihm als Kindesentführer im Berliner „Tatort“ ein beklemmender Auftritt. Der Sohn des Entführers in „Machtlos“ war auch sein eigener Sohn, Jakob Walser, eines von zwei Kindern aus seiner Ehe mit der Schauspielerin Franziska Walser, Tochter des Schriftstellers Martin Walser. „Das ist sehr schön, wenn einem ein so vertrauter Mensch für Momente so fremd werden kann“, sagte Selge junior in einem Interview der „Berliner Morgenpost“ – was für die Wandlungsfähigkeit des Vaters spricht.

Am 7. April kann man den Alten im ZDF abermals in der Rolle eines Verbrechers erleben. Diesmal spielt er in „Fähner“ nach Ferdinand von Schirachs Bestseller „Verbrechen“ einen Arzt, der nach höllischen Ehejahren seine bösartige Ehefrau brutal ermordet. Anspruchsvoller Nervenkitzel ist garantiert.

 
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