
Wenn in der Schweinfurter Roßbrunnstraße neben dem Theater das ein oder andere Auto mit den Buchstaben BA-CH im Kennzeichen parkt, wissen die Einheimischen: Die Bamberger Symphoniker sind wieder in der Stadt. 7000 Konzerte in über 500 Städten in 63 Ländern seit der Gründung 1946: Das Orchester ist einer der wichtigsten kulturellen Exportartikel Frankens, Bayerns, ja Deutschlands. Von Anfang an war ausgerechnet Schweinfurt häufigstes Ziel außerhalb Bambergs. Am 2. März werden die Bamberger zum 500. Mal hier gastieren.

"Über Jahrzehnte und über alle Intendanzen hin hielt und hält die intensive künstlerische Zusammenarbeit, die durch das Engagement der Großindustrie in schweren Zeiten begonnen hatte", heißt es in der Ankündigung des Theaters zum Jubiläumskonzert. Die Bamberger Symphoniker, die anfangs noch "Bamberger Tonkünstlerorchester" hießen, hatten sich gerade erst zusammengefunden. Im März 1946 fand der erste öffentliche Auftritt statt. Den Kern des neuen Klangkörpers bildeten Mitglieder des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag (weswegen das Orchester lange für seinen "böhmischen" Klang gerühmt wurde), hinzu kamen weitere Musiker etwa aus Karlsbad und Schlesien, die ebenfalls vor Kriegs- und Nachkriegswirren aus ihrer Heimat in die beschauliche, unversehrte oberfränkische Stadt geflohen waren.
Ein gutes halbes Jahr später, am 10. Oktober, gaben sie bereits ihr erstes Konzert in Schweinfurt, im großen Kugelfischer-Saal, einem der wenigen Räume, die den Bombenangriffen entgangen waren. Nachmittags fand die erste Großkundgebung der Bayerischen Gewerkschaften nach Kriegsende statt. Es sprach, so die Annonce in "Der Volkswille", ein Kollege Reuter zum Thema "Der Aufbau und die Aufgaben der Gewerkschaften". Die Bamberger umrahmten die Kundgebung mit den Beethoven-Ouvertüren Egmont und Leonore.
Wegen des Erfolgs gaben die Bamberger schon neun Tage später ein weiteres Konzert
Abends fand das eigentliche Konzert statt: Es dirigierte Konrad Lechner, Solist des Violinkonzerts von Max Bruch war Konzertmeister Otto Büchner. Außerdem auf dem Programm: Tschaikowskys "Romeo und Julia" und "Don Juan" von Richard Strauss. Ganz unpolitisch war auch der Abendtermin nicht, laut Programmzettel sprach ein Vertreter der Amerikanischen Gewerkschaftsföderation. Titel: "Wirklich freie Gewerkschaften stärken den Frieden. Sie sind die beste Sicherung gegen Diktaturen."
Die Premiere gelang, wegen des Erfolgs gab es schon am 19. Oktober das nächste Konzert, diesmal mit Werken von Gluck, Boccherini und Beethoven. Im "Volkswillen", der ersten Schweinfurter Tageszeitung, die nach Kriegsende die Lizenz der amerikanischen Militärregierung erhalten hatte und 1959 in der "Schweinfurter Volkszeitung" aufging, erschien eine euphorische Rezension: "Hervorragend gebildete Künstler auf den einzelnen Instrumenten sind zu einem lebendigen, feinnervigen Organismus vereinigt, der die Ausdeutungen seines begabten Dirigenten Konrad Lechner bis ins letzte zu verwirklichen vermochte."
Die Initiative dieser ersten Schweinfurter Konzerte war von der Industriellenfamilie Schäfer ausgegangen, Inhaberin des Wälzlager-Herstellers FAG Kugelfischer. Daraus entstand eine mäzenatische Förderung, die Jahrzehnte Bestand hatte. In der Festschrift zu 50 Jahre Theater der Stadt Schweinfurt aus dem Jahr 2016 heißt es dazu: "Der Schweinfurter Industrielle Dr. Georg Schäfer half dem Orchester nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern stellte auch Auftrittsmöglichkeiten zur Verfügung. Daraus entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, das bis heute anhält."
Christian Schmölder, Betriebsdirektor der Bamberger Symphoniker, ist seit 1986 dabei und gilt als bester Kenner der Geschichte des Klangkörpers. "Dem Orchester hat das damals sehr gut getan", sagt er, "es bedeutete auch die Möglichkeit, mehr zu spielen als nur in der kleinen Stadt Bamberg." Etwa 100 Konzerte spielen die Bamberger heute pro Jahr, 40 davon in Bamberg, 25 in der Region (davon acht allein in Schweinfurt), den Rest etwa je zur Hälfte national und international.

Das Ziel Schweinfurt hat den Vorteil, dass das Orchester hier kein Hotel braucht, weil die Musiker ja nicht weit nach Hause haben. Dadurch könne man zu günstigeren Konditionen auftreten, sagt Schmölder. "120 000 Kilometer haben wir in den Jahren allein zwischen Bamberg und Schweinfurt zurückgelegt. Also dreimal im Bus um die Erde." Schmölder schätzt das 1966 eröffnete Schweinfurter Theater als solches, aber auch dessen Konzertbesucher: "Hier gibt es schon immer ein tolles, aufgeschlossenes Publikum, hier haben wir immer wieder Sachen ausprobiert, die wir uns in Bamberg nicht getraut haben."
In den ersten Nachkriegsjahren organisierte ein Kulturverein die kulturellen Veranstaltungen in Schweinfurt, zeitweise übrigens unter der Leitung von Oskar Ballhaus, Vater des Hollywood-Kameramanns Michael Ballhaus, vor allem aber zusammen mit seiner ersten Frau Lena Hutter Gründer des "Fränkischen Theaters" aus dem die Fränkische Landesbühne Theater Schloss Maßbach hervorging.
Der Mangel an größeren Sälen in der zerstörten Stadt war mit der Eröffnung der Stadthalle am 4. März 1951 beendet. Es spielten die Bamberger Symphoniker. Die Halle mit ihren 715 Plätzen war als Mehrzwecksaal angelegt, es gab zwar ansteigende Stuhlreihen auf Podesten, doch die mussten nach jeder Vorstellung wieder abgebaut werden, weil am nächsten Morgen hier wieder Schulsport stattfand.
Die Bamberger wirkten an vielen bedeutenden Momenten der Schweinfurter Nachkriegsgeschichte mit
Schon damals scheint die Verbindung zwischen Stadt und Orchester stabil und herzlich gewesen zu sein. Der "Volkswille" berichtete nach einem Konzert im November 1951 jedenfalls: "Die Schweinfurter haben ,ihre Bamberger' nicht vergessen und waren am Dienstag zu Aberhunderten in die Stadthalle gekommen, um ihnen in immer neuen Ovationen ihre Anhänglichkeit zu beweisen." Der Kritiker lobte die Solistin in Beethovens viertem Klavierkonzert, Branka Musulin, allerdings nicht ohne auf einen Missstand hinzuweisen: "Leider stand ihr kein einwandfreier Flügel zur Verfügung."
Die Bamberger Symphoniker haben an vielen bedeutenden Momenten der städtischen Nachkriegsgeschichte mitgewirkt. Als im Mai 1954 der Grundstein für das Neue Rathaus gelegt wurde, gab es dazu eine Reihe kultureller Veranstaltungen, eine davon das Konzert der Bamberger mit Werken von Haydn, Bartók und Brahms. Die Eröffnung des Theaterneubaus am 1. Dezember 1966 bestritt zwar die Bayerische Staatsoper mit Mozarts "Hochzeit des Figaro" vor geladenen Gästen, der eigentliche Spielbetrieb begann erst am 3. Dezember – mit einem Konzert der Bamberger Symphoniker.
Die Aufzeichnungen über die Jahre 1946 bis 1966 sind lückenhaft, die Konzerte der Bamberger im neuen Theater aber sind vollständig dokumentiert inklusive jeder Menge Prominenz. So gastierten Dirigenten wie Rudolf Kempe, Vaclav Neumann, Eugen Jochum, Dietrich Fischer-Dieskau, Christoph von Dohnányi, Christoph Eschenbach, Kurt Sanderling, Herbert Blomstedt, Roberto Abbado, Krzysztof Penderecki oder Gustavo Dudamel hier und Solisten wie André Navarra, Leonard Rose, Bruno Leonardo Gelber, Edith Mathis, Janos Starker, Krystian Zimmerman, Lynn Harrell, Lucia Popp, Murray Perahia, Tabea Zimmermann oder Heinrich Schiff.
500. Konzert der Bamberger Symphoniker in Schweinfurt: Samstag, 2. März, 17 Uhr. Konzertante Aufführung der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss unter der Leitung von Manfred Honeck, mit dem Philharmonischen Chor München. Karten: Tel.: (09721) 514955, www.theater-schweinfurt.de