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NÜRNBERG
Drei Bands und zehn Menschen in 30 Minuten
mib
 |  aktualisiert: 09.06.2013 19:46 Uhr

Samstagnachmittag, es spielen drei Bands, von denen ich eine vom Hörensagen, die beiden anderen gar nicht kenne. Ich bin allein unterwegs. Es ist nicht der spannendste Moment von Rock im Park. Zeit für ein kleines Spielchen? Warum nicht! Ich setze mir ein Ziel: in 30 Minuten drei Bands und zehn Menschen kennen lernen. Spannend.

Dezent auffallend im 1985er-Shirt eines längst nicht mehr existenten anderen Festivals gewandet, geht es auf Piste. Und gleich zu einer Frau, die den Altersschnitt im Umkreis von 50 Metern tüchtig hebt. Sie hält ein Schild hoch: „Biete Umarmung“. Dahinter stehen drei Punkte. Gegenleistung? „Finde es raus.“ Ich habe keine Zeit, muss ja prüfen, ob Simple Plan das spielen, an was ich mich zu erinnern glaube. Jawohl, pubertären Punk. Nett. Nett ist sicher auch der junge Mann, der – offenbar Mode – ebenfalls Pappe emporreckt. „Drei Küsse fürs Geburtstagskind“, fordert er ein. Nein! Ich verweise ihn an seine Kollegin mit der Umarmung.

Zwei schwäbelnde Jungs

Dann kommen zwei schwäbelnde Jungs daher, wollen, dass ich sie fotografiere. Ein fränkelnder lässt nicht locker, ehe er sein „High Five“ bekommen hat. Hier ein Schwätzchen, da ein Schwätzchen. Und eines mit dem Ordner, der so gar nicht nett aussieht, es aber ist. Er zeigt mir zwei Mädchen um die 20, die er schon seit Minuten beobachtet. Eine hat ein silbernes Diadem im Haar und einen Fotoapparat in der Hand. Die andere ein – aufgemerkt – Papptäfelchen. „Show me your“ – und wieder diese drei Punkte. Ich hebe mein Shirt aus dem Jahr, in dem die beiden noch nicht geboren waren, zeige meinen Bauch. Den haben sie aber nicht gemeint, ich bekomme heute kein Foto und trotte weiter.

Band Nummer zwei: In der Halle toben Pierce the Vail. Gut sind die. Hardcore müsste das sein, vielleicht ein bisschen punkiger. Wenn ich rätsle, schaue ich offenbar recht ernst. Meint zumindest dieses bunt tätowierte Pärchen in den weißen Partner-Look-Unterhemden und den lustigen Schildmützen. Sie greift mir an die Mundwinkel, er fordert mich zum Lachen auf. Warum? „Party!“ Ach, so. Ich lache, sie hüpfen, ich nicht.

Würste grillen bei 25 Grad

Wieder raus ins Freie, ab zur Nummer drei: Bastille. Ein Klecks Elektro, ein Klecks Alternative und ein Klecks R&B – das Thema Rock trifft’s gerade noch so, meinen Geschmack nicht wirklich. Das gelingt Heiko. Heiko verkauft Bratwurst aus Thüringen, kommt aber aus Sachsen. „Ist fast das Gleiche“, sagt er. Zu Hause würden sie ihm dafür auf die Ohren geben, von mir bekommt er sie voll gequatscht. Er redet auch gern, erzählt, dass zwölf Stunden Würste grillen bei 25 Grad „nicht so toll ist, aber immer noch besser als mit diesem elend schweren Ding auf dem Rücken den ganzen Tag rumzulaufen“. Das Ding ist eine mobile Bier-Zapfanlage.

Ich halte Ausschau nach einem solchen Heilsbringer, finde keinen. Stattdessen findet mich eine – es schließt sich der Kreis – ältere Dame und drückt mir im Werbeauftrag einer Nürnberger Zeitung zwei gelbe Plastik-Cowboyhüte in die Hand.

Die halbe Stunde ist längst rum, ich habe die Wette gegen mich gewonnen, löse meinen Einsatz, eine kühles Radler, ein und weiß jetzt: So ein Festival hält manch gelungene musikalische Überraschung parat – und vor allem interessante Menschen.

 
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