Der Applaus war mäßig, als hätten die paar Hundert Gäste bei Christie's gar nicht gemerkt, dass gerade Kunstgeschichte geschrieben worden war. Wurde aber: Vielleicht erhofft, aber ganz sicher nicht ernsthaft erwartet hat ein Triptychon von Francis Bacon den Rekord als teuerstes Werk der Auktionsgeschichte aufgestellt. Es ist nicht annähernd so bekannt wie der bisherige Rekordhalter, hat mit gut 142 Millionen Dollar den legendären „Schrei“ von Edvard Munch aber alt aussehen lassen.
Gerade eineinhalb Jahre ist es her, dass der Kunstwelt der Atem stockte. Für fast 120 Millionen Dollar war Munchs „Schrei“ versteigert worden. Weltrekord. Der Chefauktionator von Sotheby's, der sonst betont sachliche Tobias Meyer, ließ sich sogar zu einem „I love you!“ an den Käufer hinreißen. Doch der Rekord währte nicht lang: Am Dienstagabend (Ortszeit) waren es 142,4 Millionen Dollar (106 Millionen Euro), die „Three Studies of Lucian Freud“ kosteten.
Damit wurde zum ersten Mal ein Bild für umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro zugeschlagen. Und der Auktionärsbegriff „Hammerpreis“ bekam eine ganz neue Dimension. Das Besondere: Keiner hatte so wirklich mit einem Rekord gerechnet. Zumindest nicht mit einem Weltrekord. Christie's hatte vorsorglich keinen Schätzpreis genannt, doch in dem Auktionshaus hoffte man auf 90 Millionen Dollar. Damit wäre nicht nur der 2008 aufgestellte Bacon-Rekord um vier Millionen übertroffen worden, es wäre mit Sicherheit auch der Kunstdeal des Jahres geworden. Nun wurde es sogar ein Stück Auktionsgeschichte.
Die drei Bilder, jedes zwei Meter hoch und fast eineinhalb Meter breit, zeigen den britischen Maler Lucian Freud. Freud, 1922 in Berlin geboren und somit 13 Jahre jünger als Bacon, war ein Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud und Malerkollege von Bacon. Die drei Bilder sind noch nie zusammen auf einer Auktion angeboten worden. Allerdings waren sie mehrfach zu sehen, zum Beispiel bald nach ihrer Entstehung in der Kunsthalle Düsseldorf. Viele Jahre waren die drei Bilder aber getrennt, jetzt wurden sie wieder als Triptychon zusammen verkauft.
Wer sie kaufte, gab das Auktionshaus natürlich nicht preis. In diesen Preisdimensionen schweigt man. Zumal Christie's innerhalb der paar Minuten, in denen sich die sieben Bieter im Sekundentakt Millionensummen um die Ohren warfen, etwa 15 Millionen Dollar verdient hat. Nicht für den Abend, bei dem noch andere Rekorde purzelten, nur für den Bacon! Am Abend wurden fast 692 Millionen Dollar umgesetzt – auch das rekordverdächtig.
Im Schatten des Bacon löste der Amerikaner Jeff Koons den Deutschen Gerhard Richter als teuersten lebenden Künstler ab. „Balloon Dog“ des 58-Jährigen wurde für 58,4 Millionen Dollar versteigert. Damit lag der quietschbunte Hund gute 20 Millionen Dollar über dem bisherigen Rekord: Im Mai war „Domplatz, Mailand“ von Richter (81) für 37 Millionen Dollar versteigert worden. „Balloon Dog“ erinnert an die aus Luftballons geknoteten Tiere – nur ist der von Koons groß wie ein Auto.
Warhol war fasziniert von Coca-Cola und kreierte 1962 die Serie „Coca-Cola Bottles“. Sein Bild einer Konturflasche, Titel „Coca-Cola (3)“, wurde für 42,7 Millionen Dollar versteigert. Die „Flasche mit dem Hüftschwung“ ist eine der berühmtesten Verpackungen des Industriezeitalters und fast 100 Jahre alt.
Die verstörende Welt des Francis Bacon
Im April 1992 starb Francis Bacon während einer Reise in Madrid an einem Herzinfarkt. Er gehörte da schon zu den am teuersten gehandelten Künstlern der Welt. Auch ist er weithin als der wohl bedeutendste britische Maler des Jahrhunderts anerkannt. Anmerken allerdings ließ er sich das nie. Von der etablierten Gesellschaft hielt er sich fern, die Kunstwelt und der Medienrummel waren nicht sein Ding. Trotz seines Reichtums lebte er in einem kleinen Häuschen im Londoner Stadtteil South Kensington, sein Atelier glich einer Rumpelkammer. Geboren wurde Bacon, Sohn eines englischen Pferdezüchters und Berufssoldaten, am 28. Oktober 1909 in Dublin. Der berühmte irische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon (1561-1626) ist einer seiner Vorfahren zu. Weil der Vater während des Ersten Weltkriegs im Kriegsministerium arbeitete, pendelte die Familie zwischen Dublin und London. Bacon ging kaum zur Schule.
Als er zum ersten Mal seine Homosexualität offen zeigte, schickte der Vater ihn 1926 zur Arbeit in ein Londoner Büro. Doch Bacon setzte sich nach Berlin ab, zog dann weiter nach Paris. Es waren die Jahre, in denen der Autodidakt seine ersten Versuche als Maler wagte. Um Geld zu verdienen, arbeitete er als Kellner und Diener, später schuf er sich ein Einkommen mit Innenarchitektur-Designs wie etwa Möbelentwürfen. In den 30er Jahren versuchte er, sich als Künstler zu etablieren. Als das nicht klappte, wurde er professioneller Roulette-Spieler. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg war die Welt bereit für seine Werke. Er schockierte mit verzerrten, verstümmelten Figuren. Seine Welt war verstörend, ein schauriges Schlachthaus, Spiegel des brutalen Lebens, wie er meinte. Zuerst verwendete Bacon verhaltenere Töne, später wurden die Farben immer greller. Er mischte Staub, Sand, Dreck in die Farbe. Als Werkzeuge dienten ihm auch Stahlwolle oder alte Pullover. FOTO: dpa