Wenn Dieter Wedel („Der große Bellheim“, „Der Schattenmann“) ruft, kommen hochkarätige Schauspieler vor seine Kamera oder nach Worms zu den Nibelungen-Festspielen. Nach wie vor konzentriert sich der Regisseur auf beide Fächer – Theater und Fernsehen. Im Interview spricht Wedel, der an diesem Montag, 12. November, 70 Jahre alt wird, über seine geplante Mallorca-Komödie sowie Licht- und Schattenseiten im Fernsehjahr 2012.
Dieter Wedel: Nein, absolut nicht. Zwischen all meinen Filmen lagen immer drei oder vier Jahre. Manchmal sogar noch mehr, weil ich für alle Filme auch immer das Buch geschrieben und selbst recherchiert habe. Gerade habe ich für das ZDF den Zweiteiler „Papa und Mama“ auf Spielfilmlänge umgeschnitten. Neben meinen Filmen habe ich immer auch am Theater gearbeitet. Bei den Nibelungen-Festspielen in Worms habe ich jetzt noch einmal um ein Jahr bis 2014 verlängert. Dann reicht es in Worms. Alles hat seine Zeit. Zurzeit plane ich neben einem neuen Film neue spannende Theaterprojekte in zwei Jahren.
Wedel: Daran schreibe ich gerade. Es soll eine Komödie werden. Eine Geschichte aus der Perspektive eines Deutschen, der auf die Insel kommt und gemeinsam mit ein paar Freunden ein Hotel eröffnen will. Was aber nicht im Interesse seiner mallorquinischen Konkurrenten ist. Es wird eine Geschichte werden über Sein und Schein, denn gerade hier wollen viele immer mehr scheinen, als sie sind.
Wedel: Sehr weit. Vor drei Jahren habe ich damit begonnen, immer wieder unterbrochen von Arbeiten in Worms und Dresden. Inzwischen sind etliche Verantwortliche, mit denen ich gesprochen habe, in Haft, weil eine Welle von Korruptionsprozessen über die Insel geschwappt ist. Etwas Gutes hat die Finanzkrise: Auch wenn sie ganz Europa bedroht, diese kleine Insel hat sie gerettet, weil die völlig übertriebene Bautätigkeit gemindert wurde, bevor Mallorca das Schicksal erreicht wie die Festlandküste Spaniens. Diese wurde nahezu zubetoniert, Mallorca konnte seine Schönheit bewahren.
Wedel: Den Film „Der Fall Jakob von Metzler“ fand ich grandios! Danach habe ich sowohl dem Produzenten Nico Hofmann als auch der ZDF-Redakteurin Caroline von Senden sofort geschrieben: Das war toll! Früher war das so üblich, dass man sich bei Kollegen danach meldet, ob mit positiver oder negativer Kritik, heute ist das selten so. Ich behalte das bei.
Wedel: Über die Angriffe auf Thomas Gottschalk. Ich begreife das nicht: Ein Mann, der eine wirklich grandiose Karriere gemacht hat, hat doch das Recht, auch mal danebenzuhauen. Man darf ihn nicht hinter einen Schreibtisch setzen oder in eine biedere Wohnstube, der braucht Publikum. Bei aller Kritik sollte man sich vor Augen halten: Es geht doch nicht um eine Operation am offenen Herzen, sondern bloß um eine misslungene Unterhaltungssendung.
Wedel: . . . finde ich nicht ganz glücklich, ist für mich aber auch nicht der Untergang des Abendlandes. Gottschalk ist 62 und will eben noch nicht aufhören – ich kann das sehr gut verstehen. Ich finde ihn wunderbar, schlagfertig und charmant und hoffe, dass er nicht verloren geht auf dem Bildschirm. Die Kandidaten, die sich in dieses Format begeben, wissen doch, was sie tun. Also ich würde kein Gedicht aufsagen, wenn Dieter Bohlen da sitzt.
Wedel: So lange ich die Neugier behalte, würde ich gerne noch arbeiten. Hätte ich den Eindruck, alles schon mal gemacht zu haben, alles zu wissen und nichts Neues mehr erfahren zu können – weder über Menschen noch über gesellschaftliche Zustände noch über Entwicklungen – dann würde ich sagen: Es ist genug. Aber diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht – die Neugier ist geblieben.
Dieter Wedel
Der Regisseur weiß, dass die Zweifel an seinem wahren Alter jetzt wieder auftauchen werden – an diesem Montag wird er 70. Dabei hat er als junger Mann beim Alter schon mal geschummelt, als ihm der frühere NDR-Fernsehspielchef Dieter Meichs- ner die Möglichkeit anbot, eine große Geschichte („Gedenktag“, 1970) zu drehen. „Beim Tennis fragte er mich, wie alt ich sei – und ich habe blitzschnell geschaltet und mich drei Jahre älter gemacht“, erzählt Wedel. „Jahrzehnte später hat er mir gesagt: ,Herr Wedel, hätten Sie mir gesagt 26, ich hätte mich nicht getraut.' Ich hatte also den richtigen Riecher.“ Den richtigen Riecher bewies Wedel später immer wieder. Mit seinen Filmen und Mehrteilern wurde er zu einem der renommiertesten Regisseure Deutschlands. Eine Auswahl: „Tatort – Ein ganz gewöhnlicher Mord“ (1973), „Alle Jahre wieder – Die Familie Semmeling“ (1976), „Schwarz Rot Gold“ (1982, 1985), „Wilder Westen inclusive“ (1988), „Der große Bellheim“ (1993), „Der Schattenmann“ (1996), „Der König von St. Pauli (1998), „Die Affäre Semmeling (2002), „Papa und Mama“ (2005), „Gier“ (2010). Schlagzeilen machte Wedel auch mit seinem Privatleben: Aus seiner langjährigen Dreiecksbeziehung mit zwei Frauen machte der sechsfache Vater nie ein Geheimnis. Sein Geburtstagswunsch? „Gesundheit und Wohlergehen – für mich und für die Familie, da sind auch die beiden Hunde mit eingeschlossen.“ dpa