(epd/dpa/gl) Er war stets eine imposante Erscheinung. Schwungvoll die grau-silberfarbene Mähne nach hinten gekämmt, einen eleganten weißen Schal um den Hals drapiert, die dunklen Augen effektvoll weit aufgerissen – so inszenierte Maximilian Schell seine Auftritte als Suchender: „Ich habe eigentlich gar keinen Beruf. Ich wandere durch das Leben und durch alle Bereiche der Kunst.“ In der Nacht auf Samstag starb er im Klinikum von Innsbruck. Er hatte sich zu Dreharbeiten für das ZDF in Kitzbühel aufgehalten. Schell wurde 83 Jahre alt.
„Voller Trauer müssen wir bestätigen, dass Maximilian Schell im Klinikum Innsbruck an der Folge einer plötzlichen und schweren Erkrankung verstorben ist“, erklärte seine Sprecherin Patricia Baumbauer. „Seine Frau Iva war bis zuletzt bei ihm.“ Schell hatte die heute 35-jährige Operettensängerin im vergangenen Jahr geheiratet. Laut seiner Agentur ist er „nach langwierigen Problemen mit seinem Rücken an den Folgen einer für ihn wichtigen Operation unglücklicherweise verstorben“.
Der Vielseitige arbeitete beim Film, beim Fernsehen und Theater – als Darsteller wie als Regisseur, Produzent oder Autor. Für seine Rolle des Verteidigers in dem Gerichtsdrama „Das Urteil von Nürnberg“ erhielt der Künstler mit dem Schweizer Pass 1962 einen Oscar – der erste für einen deutschsprachigen Schauspieler nach dem Zweiten Weltkrieg.
Am 8. Dezember 1930 in Wien geboren, wuchs Schell mit seinen Geschwistern Carl, Immy und Maria in Zürich auf, wohin die Familie 1938 nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland emigriert war. Der Vater war Bühnenautor, die Mutter Schauspielerin. Das Theater entpuppte sich für den Jungen als eine Zauberwelt, die ihn nicht mehr loslassen sollte. Schon früh hatte Maximilian Schell Engagements in Basel, München, Berlin und am New Yorker Broadway.
1963 spielte er am Deutschen Schauspielhaus Hamburg unter Gustaf Gründgens den „Hamlet“. Eifersüchtigen Kollegen zufolge bekam der attraktive Schauspieler die Rolle nur wegen seiner schönen Beine. Aber der Erfolg spreche für sich, sagte Schell: „Wir hatten 49 Vorhänge, das ist über eine Stunde Applaus.“ Auch im Kino machte Schell rasch Karriere. Nach „Kinder, Mütter und ein General“ (1955) und sieben weiteren Rollen in nur zwei Jahren wurde Hollywood auf ihn aufmerksam. In dem Kriegsfilm „Die jungen Löwen“ spielte er einen arroganten deutschen Hauptmann, der ohne Skrupel Gefangene erschießt. Als Juwelendieb glänzte er neben Peter Ustinov in der Komödie „Topkapi“ (1964), einen Oscar erspielte er sich in Stanley Kramers Prozessfilm „Das Urteil von Nürnberg“ (1961). Schell gab den Verteidiger eines Nazirichters (Burt Lancaster).
Weitere Auszeichnungen folgten, Oscar-Nominierungen, Bundesfilmpreise und schließlich 2009 ein „Bambi“ für sein Lebenswerk. Auch hinter der Kamera machte sich Schell einen Namen: Er führte Regie in „Erste Liebe“ (1970), „Der Fußgänger“ (1973) sowie der Dürrenmatt-Verfilmung „Der Richter und sein Henker“ (1976). 1983 entstand „Marlene“, ein ungewöhnliches Porträt von Marlene Dietrich. Die Diva ließ sich von Schell zwar befragen, aber nicht filmen.
Jahrzehntelang war Schell in Europa und den USA künstlerisch tätig, immer unterwegs. Er bilanzierte: „Ich fühle mich manchmal losgerissen.“ Wurzeln spürte er allein in Kärnten, auf der Stündlalm, die den Schells seit Generationen als Zufluchtsort dient. Dort drehte er 2002 einen Dokumentarfilm über seine Schwester Maria Schell, das einige Jahre mit dem 2013 verstorbenen Sommerhäuser Theater-Prinzipal Veit Relin verheiratete „Seelchen“ des Nachkriegskinos, deren Ruhm den Maximilians lange überstrahlte.
Eine drei Jahre dauernde Liaison mit Soraya, der Gattin des letzten Schahs von Persien, erregte große mediale Aufmerksamkeit. 1985 heiratete Schell die russische Schauspielerin Natalja Andreitschenko. Vier Jahre später wurde ihre gemeinsame Tochter Nastassja geboren. 2002 trennte sich das Paar. Verbindung zur großen Filmwelt hatte Schell immer. Hollywoodstar Angelina Jolie ist seine Patentochter. „Ich hatte Angelina als kleines Mädchen auf dem Arm. Aber das ist Erinnerung“, erzählte Schell gern. Kontakt zur inzwischen glamourösen Patentochter hat er nicht. „Sie weiß wahrscheinlich gar nicht, wer ich bin.“
In einem Interview erzählt er, wie ihn als Kind der Alptraum geplagt habe, verfolgt zu werden, Treppen hinaufzuflüchten, bis es nicht mehr weiterging. „Und plötzlich fällt mir ein – ich kann ja fliegen. Ich stoße ab vom Balkon und fliege über dunkle Täler, und unten ist die Menge, die zu mir raufschaut.“