zurück
Die Schätze des Gunter Sachs
Kunsthalle Schweinfurt: Seine Sammlung spiegelt den Geschmack, die Interessen, die Persönlichkeit von Gunter Sachs wider – 165 Werke sind für gut vier Monate in Schweinfurt zu sehen.
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 14.11.2013 19:40 Uhr

Rolf Sachs ist so begeistert von der Ausstellung in der Schweinfurter Kunsthalle, dass er mit deren Leiter Erich Schneider um eine Cola Light gewettet hat. Der Witz an der Sache: Beide glauben, dass die Sammlung Gunter Sachs mehr Menschen anlocken wird als die Landesausstellung, die immerhin gut 90 000 Besucher gesehen haben. Rolf Sachs' überraschende Bemerkung, dass die Sammlung seines Vaters wohl nie mehr öffentlich zu sehen sein wird, verleiht der Schau noch mehr Gewicht. Ab heute, Freitag, 15. November, sind 165 Kunstwerke zu sehen – in dem Gebäude, das der Großvater von Gunter Sachs, der Industrielle Ernst Sachs, den Schweinfurtern einst als Hallenbad geschenkt hat und das seit 2009 eine Kunsthalle beherbergt.

In der Ausstellung werden zwei ganz unterschiedliche Typen Mensch aufeinandertreffen. Jene Kunstfreunde, die ohne Hilfe des Internets die ungegenständlichen Gemälde eines Jean Fautrier erklären können, und die Leser von Promi-Illustrierten, die seinen Namen heute noch mit dem schillernden Jet-Set-Leben zwischen St. Tropez, Gstaad und Paris verbinden. Beide werden auf ihre Kosten kommen. Denn die Ausstellung spiegelt Geschmack, Interessen, Lebensgefühl, Freundschaften und Persönlichkeit des 2011 verstorbenen Sammlers auf eine Weise wider, wie das normalerweise bei privaten Kunstsammlungen nicht der Fall ist.

Der erste Raum führt also nicht nur in die Welt der Surrealisten, deren Bilder das Unbewusste und Traumhafte zum Thema hatten, er führt auch ins Paris der 1960er Jahre, als der junge Gunter Sachs beim Kartenspiel Écarté so viel Geld gewinnt, dass er sich zwei Gemälde von Victor Brauner und Max Ernst kaufen kann. Die wunderbare Madonna, die Salvador Dalí mit einem Spazierstock auf Leinwand gezeichnet hat, gelangt als Ausgleich für Spielschulden in seinen Besitz. Und als Sachs bei einem Kunsthändler drei Bilder erwirbt, bekommt er ein Aquarell von René Magritte geschenkt, „Arbre et Lune“. Das kleine Bild hängt nun ein wenig im Schatten des Hauptwerks in diesem Raum: das fantastische „Colere des dieux“ (Zorn der Götter) zeigt ein galoppierendes Pferd auf dem Dach eines Wagens.

In Paris lernt Sachs die Künstler des Informel und des Nouveau Réalisme kennen. Der abstrakte Maler Jean Fautrier wird sein Freund. In Schweinfurt sind mehrere Gemälde und eine Bronze zu sehen, mit der der Künstler 1943 auf die Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten reagiert hat. „Otage“, zu deutsch „Geisel“, lässt an einen Kopf denken, obwohl keine Gesichtszüge zu erkennen sind. Diese Arbeit ist freilich eine Ausnahme. Die Werke in diesen Räumen erzählen eher von wilden Happenings. Der Franzose Arman zerschlug vor Publikum kostbare Musikinstrumente und tackerte sie auf eine Platte. César Baldaccini goss nicht nur den Daumen von Gunter Sachs in Bronze – in Schweinfurt zu sehen –, sondern auch dessen Penis. Wer die Geschichte vom Abguss in Anwesenheit einiger attraktiver Damen hören will, kann sich den rund einstündigen Audioguide zur Ausstellung ausleihen.

Wer kennt nicht das Yves-Klein-Blau, dieses tiefe Ultramarin, das den Betrachter förmlich ins Bild hineinzieht? In Schweinfurt ist nicht nur ein monochrom-blaues Bild zu sehen, sondern auch ein seltener roter Yves Klein und das poetische „La Marseillaise“, der flüchtige Abdruck eines Frauenkörpers. Überraschenderweise ist der Raum mit der sprödesten Kunst dieser Zeit der schönste: Die Konzeptkünstler Ben Vautier und Joseph Kosuth brauchten nur Sprache und Schrift, um sich auszudrücken. Rolf Sachs zeigte sich begeistert, noch mehr freilich von der Präsentation der Graffiti-Kunst: „So habe ich sie so noch in keinem Museum gesehen.“ Ab dem Jahr 2000 erwarb sein Vater, der sich immer für neue Strömungen interessierte, die Kunst der meist anonymen Sprayer, darunter das allererste Graffiti auf Leinwand. Das neun Meter breite „Snake Collective“ (1974) sprengt fast den schmalen Raum.

Unbedingt sehenswert sind die Fotografien. Darunter eine Aufnahme von Henri Cartier-Bresson: St. Tropez im Sommer 1959. Noch ist das Fischerdorf ein verschlafenes Nest, und Gunter Sachs ist noch nicht der berühmte Playboy, als ihn der Magnum-Fotograf mit Freunden auf seinem Boot erwischt.

Als Höhepunkt der Ausstellung ist die Große Halle mit Ikonen der Pop Art inszeniert. Diese Kunstrichtung hatte die moderne Konsumgesellschaft zum Thema, von der Suppendose bis zur Zigarettenschachtel. Vor allem der Maler Mel Ramos spielte mit dem Thema „Sex sells“ (Sex verkauft). Ende der 1960er-Jahre entdeckte Gunter Sachs die Pop Art und ließ sein Appartement in St. Moritz von befreundeten Künstlern gestalten. Verteilt auf diesen großen Ausstellungsraum, geben die Arbeiten freilich nur eine Ahnung von der Wirkung des bewohnbaren Gesamtkunstwerks.

Andy Warhol schmückte die Küche mit Porträts von Marilyn Monroe, Roy Lichtenstein verkleidete die Badewanne, Michelangelo Pistoletto malte auf Spiegeltüren lebensgroß ein Liebespaar. Die Sitz-Schafe von François Xavier Lalanne werden die Besucher sicher amüsieren. Bleibt abzuwarten, wie das Publikum auf die sehr speziellen Möbel von Allen Jones reagiert. Man kann seine unterwürfigen Girls empörend finden oder sich darüber amüsieren, wie Jones Männerfantasien ironisch überspitzt.

Die Sammlung Gunter Sachs, Kunsthalle Schweinfurt, Rüfferstraße 4. Bis 30. März 2014. Geöffnet täglich 10 bis 17 Uhr, Do, bis 21 Uhr, Mo. geschlossen. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog und einen Audioguide.

Die Schätze des Gunter Sachs
Mel Ramos: „Tobacco Red/Vantage“
| Mel Ramos: „Tobacco Red/Vantage“
Die Schätze des Gunter Sachs
Die Schätze des Gunter Sachs
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Allen Jones
Andy Warhol
Ausstellungen und Publikumsschauen
Cartier
Erich Schneider
Ernst Sachs
Graffiti
Gunter Sachs
Jean Fautrier
Kunsthalle Schweinfurt
Marie-Berthe Aurenche
Marilyn Monroe
Max Ernst
Mel Ramos
Michelangelo Pistoletto
René Magritte
Roy Lichtenstein
Salvador Dalí
Yves Klein
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen