Die Frau mittleren Alters meint es ernst. Sie nähert sich zuerst ein wenig schüchtern, dann tritt sie entschlossen auf Frank-Markus Barwasser zu: „Darf ich Ihnen meine Hochachtung ausdrücken und mich bei Ihnen bedanken?“, sagt sie: „Sie sind ein Segen für die Menschheit.“ Barwasser lächelt, bedankt sich höflich. Dann grinst er und meint: „Na ja, Segen für die Menschheit . . . Das ist doch ein bisschen übertrieben.“
Der 57-jährige gebürtige Würzburger steht vor dem „Vereinsheim“, einer urigen Kneipe neben dem Lustspielhaus im Herzen von Münchens Stadtteil Schwabing, in dem die Macher der ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ den Abend gemeinsam mit Freunden, Crew, Gästen und Familienmitgliedern ausklingen lassen.
Das hat Tradition seit über zehn Jahren, seitdem Urban Priol und Georg Schramm im Januar 2007 nach weitgehend satirebefreiten Jahrzehnten dem ZDF wieder heiteren Spott, hintergründigen Humor und das Lachen lehrten. „Neues aus der Anstalt“ hieß die Sendung, die Schramm nach dreieinhalb Jahren verließ. Für ihn zog Erwin Pelzig ein.
Stehender Applaus im Studio
Der war nun gekommen: das Zehnjährige der Sendung, kurz nach der Bundestagswahl. Und nicht nur die Elite von Deutschlands Kabarettisten hatte bei ihrer Rückkehr Déja-vus ohne Ende. Die Bilder glichen sich aufs Haar: Wie nach Priols und Pelzigs letzter Sendung 2013 erhoben sich am Ende wie auf einen geheimen Fingerzeig hin alle 300 Menschen im Studio und spendeten frenetisch Applaus im Stehen. Die Gesichter auf der Bühne verrieten auch diesmal: bewegende Momente.
„Sehr gerührt“ war er, sagt Barwasser: „Es hat sich angefühlt, als wären wir erst gestern gegangen“, und Priol meinte: „Es hatte was von Heimkommen. Als wären wir gar nicht weg gewesen.“ Während man so plaudert mit den beiden, kommen immer wieder Menschen vorbei und bedanken sich. Bei Priol. Bei Barwasser. Auch bei Schramm. Der 68-Jährige, der sich Ende 2013 von den Bühnen dieser Republik zurückgezogen hat und Angebote für Auftritte nur noch „nach Lust und Laune“ annimmt, lehnt im „Vereinsheim“ an einen Stehtisch. Aus den Boxen erklärt Bob Marley gerade, dass er den Sheriff erschossen hat, und Schramm nimmt einen kräftigen Schluck Weißbier.
Die „Anstalt“ ist Schramms Baby
Die „Anstalt“ ist sein Baby. Der Psychologe, der vor seiner Kabarettkarriere in einer Reha-Klinik am Bodensee Hilfsbedürftige therapiert hatte, hatte die Idee, Patient Deutschland in einer tagespsychiatrischen Klinik behandeln zu lassen, und legte das Konzept dem ZDF vor. Auch wenn Schramm es öffentlich nie eingestehen würde – man tut ihm bestimmt nicht Unrecht, nimmt man an, dass er stolz darauf ist, dass die Sendung bis heute überlebt hat.
Der Blick auf die Dinge und die Sprachgewalt seines mit unheiligem Zorn erfüllten Kriegsveteranen Dombrowski fehlen dem Kabarett inzwischen – Schramm aber fühlt sich bestätigt: „Das hier hat mich daran erinnert, was das für eine Schinderei immer war. Ich kann und will das nicht mehr.“ Auch weil er eine „sehr große innere Grundmüdigkeit“ hat. Dann muss Schramm etwas essen. Auf dem Buffet stehen Lasagne, Käse, Minifleischküchle und Schinken.
Gastgeber Uthoff, am Tag der Bundestagswahl 50 geworden, steht am Tresen und bestellt ein Helles. Fragt man ihn, wie viel Mut dazu gehört habe, die alte Garde einzuladen, sagt er: „Zur Einladung brauchte es nicht viel Mut. Aber der Auftritt war reinste Todesverachtung.“ Er nennt seine und von Wagners 30. Sendung „ein herausragendes Ereignis“, auf das sie sich „sehr gefreut haben“.
Menschlich viel gelernt
Wie das auch vorkommen kann bei – gelungenen – Familientreffen: Die Zeit vergeht wie im Flug. Es ist spät geworden. Nach zwei. Jochen Malmsheimer (56) lehnt an der Tür zum „Vereinsheim“. Bei aller „Beklemmung“, die er immer fühlt bei der „aufreibenden Arbeit im Fernsehen“, gesteht er doch: „Es ging sehr ans Herz.“ Er ist Priol, Schramm und Pelzig dankbar, weil er „so unglaublich viel gelernt“ habe, „dienstlich und vor allem menschlich“. Natürlich hatte auch er große Freude an der bemerkenswert selbstironischen Rückkehr, die 2,27 Millionen an den Bildschirmen verfolgten.
Dann gerät er ein wenig ins Philosophieren über die Nachfolgegeneration und seine „zerebrale Regsamkeit“, die er dadurch fördert, dass er mit acht verschiedenen Programmen tourt, und über den „unglaublichen Charme und die Schönheit des Vergänglichen“. Dann lacht Malmsheimer sein Zähnefletschen-Lachen und meint: „Alles hat seine Zeit.“