Vitrinen heben die Bedeutung und machen Kunst gleich noch einmal kostbarer. Dass Caspar David Friedrichs schneebedeckte Fichten jetzt aber flachgelegt präsentiert werden, ungefähr so, wie im Dezember die Nordmanntannen bei den Christbaumhändlern – daran muss man sich erst noch gewöhnen. Auf der anderen Seite kann man froh sein, dass wichtige Werke der seit Januar geschlossenen Neuen Pinakothek in München nicht für die nächsten Jahre in irgendeinem Depot verschwinden, sondern nun vis-à-vis in der Alten Pinakothek sowie in der Sammlung Schack an der Prinzregentenstraße zu sehen sind.
Die aktuellen Zahlen zur Generalsanierung des von Alexander von Branca konzipierten Baus legen sowieso Geduld nahe. Mit einer Wiedereröffnung ist 2025 – wie ursprünglich beabsichtigt – jedenfalls nicht zu rechnen, 2027 dürfte realistischer sein.
Aus 80 Millionen Euro Kosten sind inzwischen 220 Millionen geworden
Doch immerhin hat der Landtag nun grünes Licht gegeben und die geschätzten 220 Millionen Euro Renovierungs- und Baukosten genehmigt. Vor wenigen Jahren war noch von 80 Millionen Euro die Rede, dann wurde die Mängelliste länger und länger, und schließlich waren noch ein paar Eingriffe mit Alexandra von Branca, der Tochter des 2011 gestorbenen Architekten, zu klären. Sie wahrt die Rechte an den Entwürfen ihres Vaters.
Im Fall der 1981 eröffneten Neuen Pinakothek geht es um minimale Veränderungen an der Fassade und um einen behindertengerechten Eingang. Raum für die Vermittlung braucht es auch. All das war in den 70ern noch lange kein Thema, zumal der Museumskomplex schon deutlich früher, in den 60er Jahren, geplant wurde.
Das alles rückt in der Alten Pinakothek dann aber schnell in den Hintergrund. In den Erdgeschoss-Sälen hinter dem Klenze-Portal, wo bis vor kurzem noch die Altdeutsche und Altniederländische Malerei endlich wieder ihren Platz eingenommen hatte, darf sich nun das 19. Jahrhundert über seine zeitlichen Randzonen hinweg ausbreiten.
Fast 90 Gemälde – in der Neuen Pinakothek hingen rund 450 Werke – umfasst die Schau „Von Goya bis Manet“ mit Highlights wie Paul Gauguins „Geburt“, Cézannes Selbstbildnis, natürlich Édouard Manets „Frühstück im Atelier“, Claude Monet beim Malen in seiner Barke (gemalt von Manet), Bildern von Gustave Courbet und Eugène Delacroix, einem wunderbaren William Turner mit der Ansicht von Ostende, Bedeutungsschwangerem von Caspar David Friedrich, Max Liebermann, Gustav Klimt und natürlich Vincent van Goghs Sonnenblumen, ohne die nicht nur Touristen enttäuscht abziehen würden.
Die Kuratoren haben es sich allerdings verkniffen, lediglich ein Best-of der Sammlung aneinanderzureihen. Stattdessen sind Themenbereiche und Nachbarschaften zusammengefasst, und man kann durch das neue Nebeneinander schön vergleichen – zum Beispiel zwischen den Romantikern und den von alten Zeiten schwärmenden Nazarenern. Oder den Realisten. Wobei solche Begrifflichkeiten nicht unbedingt zielführend sind, auch das machen die neuen Konfrontationen deutlich.
Also verhandelt man besser Zentren wie „Berlin um 1900“ mit Corinth, Slevogt und Liebermann in einem eigenen Kabinett. Und schön, dass auch Fernand Khnopff, Odilon Redon und der weniger geläufige George Frederick Watts mit seinem „Glücklichen Krieger“ symbolistisch-schillernde Präsenz entfalten können.
Mächtige Schinken sucht man vergebens, aber das ist zu verschmerzen
Das alles sind ergiebige Begegnungen, wobei man besonders lange an den Porträts im Mittelsaal hängen bleibt. Die Kombination ist ja auch erlesen und markiert eine aufregende Entwicklung: von den selbstgewissen Briten, die sich etwa von Thomas Gainsborough in ihrer blasierten Upper-class-Blässe in die Natur setzen lassen, über Goyas anrührend menschelnde Beobachtungen bis hin zu Degas' Büglerin auf der anderen Seite der Gesellschaft.
Mächtige Schinken wie Carl von Pilotys theatralisch pompöse „Thusnelda im Triumphzug des Germanicus“ sucht man freilich vergebens, doch ist das zu verschmerzen. Und Spitzweg, Böcklin oder Feuerbach findet man in der Schack Galerie, wo sie sich bestens einfügen. Dem teilweise verschmähten 19. Jahrhundert wird dieser Umzug gut tun. Nur für die altdeutschen und altniederländischen Vormieter fehlt eine Lösung. Dass etwa Michael Pachers Kirchenväteraltar in den nächsten Jahren von der Bildfläche verschwunden sein soll, daran mag man sich nun wirklich nicht gewöhnen.
Alte Pinakothek, Barerstraße 27 (Eingang Theresienstraße), München, Di. von 10 bis 20, Mi. bis So. 10 bis 18 Uhr. Sammlung Schack, Prinzregentenstraße 9, Mi. bis So. 10 bis 18 Uhr, jeden 1. und 3. Mi. im Monat bis 20 Uhr.