Durch eine Luke schlüpft man barfuß in den quadratischen Raum, der nur schwach beleuchtet ist. Die Wände des Teezimmers sind aus Lehm, die zwei Fenster mit undurchsichtigem Reispapier verdunkelt. In einer Nische hängt die Kalligrafie eines japanischen Mönchs, die sich mit der Situation im Raum verändert. Heute steht da übersetzt: Herzlich Willkommen.
Als Barbara Lohoff das Teezimer betritt, verbeugt sie sich kniend vor dem Bild. Dann begibt sie sich auf eine der Reisstroh-Matten, mit denen der Boden ausgelegt ist. „In diesem Raum zu sein, dient einer Verfeinerung der Sinne.“ Vor ihr steht eine Tasse mit japanischem Maccha-Tee, den sie im Nebenraum zubereitet hat. Auf dem giftgrünen Getränk liegt ein feiner Schaum.
„Tee zu machen ist vor allem eine Sache der Übung“, sagt Barbara Lohoff. Mit einem Bambusbesen schlägt sie den Tee, bis sich viele feine Blasen bilden. „Dazu muss der Tee frisch sein, und die Temperatur des Wassers muss stimmen.“ Für die Zubereitung des heißen Getränks gibt es viele Stilrichtungen, die Barbara Lohoff mittlerweile so gut beherrscht, dass sie sich Teemeisterin nennen darf. Auf einer schmalen Holzschale, die neben der Tasse auf dem Reisstroh liegt, sind sorgsam Süßigkeiten angerichtet: ein hellgrünes Ahornblatt aus Maismehl und Zucker, drumherum bunte Blüten. „Passend zur Jahreszeit“, sagt Lohoff. Behutsam nimmt die gelernte Ingenieurin ihre Tasse in die Hände und verbeugt sich vor ihr, bevor sie den ersten Schluck nimmt. „In einer Teezeremonie ist alles auf den Moment ausgerichtet. Man teilt Zeit zusammen, die unter den Idealen Harmonie, Respekt, Reinheit und Ruhe steht.“
Das drückt sich für sie in Kleinigkeiten aus, etwa in der Art, wie man die Tasse hält, wie man geht, wie man seinem Gastgeber dankt – und wie man sich kleidet. Im Teezimmer trägt Barbara Lohoff einen Kimono: „So stelle ich mich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich auf die Zeremonie ein.“ Dasselbe erwartet sie von den Besuchern, die sie von Zeit zu Zeit mit dem fernöstlichen Ritual vertraut macht. Bei den vielen Fragen, die ihre Gäste haben, dauert eine Sitzung schon mal mehrere Stunden – anders als in Japan: „Die Mönche nehmen sich maximal eine Stunde Zeit, trinken den Tee, betrachten die Dekoration und gehen wieder.“ Während der Teezeremonie unterhält man sich auch, aber nur über Dinge, die die Situation im Raum betreffen: „Klönen ist tabu.“
Acht Jahre hat Barbara Lohoff in Japan gelebt. Ursprünglich kam sie dorthin, um zu studieren und später zu arbeiten. Mit immer größerer Leidenschaft und unter der Obhut von zwei japanischen Lehrern ging sie den so genannten Teeweg, schulte sich fast jeden Tag in der Kunst des Teemachens. Die japanische Philosophie nahm sie stets sehr ernst: „Das ist keine Frage der Nationalität, sondern der Einstellung.“
Als Barbara Lohoff nach Deutschland zurückkehrte, finanzierte ihr einer ihrer Lehrer in Kooperation mit dem Siebold-Museum das Teezimmer. Wenn sie heute Menschen unterrichtet, die sich für den Teeweg entschlossen haben, will sie das Gefühl, das ihr Lehrer ihr entgegengebracht hat, zurückgeben: „Das ist für mich eine Berufung.“