Ein Eimer Farbe war noch übrig, deshalb leuchten die Wände in Berthold Warneckes Büro im Mainfranken Theater im gleichen warmen Sonnengelb wie das Treppenhaus. Ansonsten besitzt das Zimmer des neuen Operndirektors denselben doch eher diskreten Charme aller Räume des schwer sanierungsbedürftigen Hauses.
Derlei Äußerlichkeiten scheinen Berthold Warnecke freilich nicht weiter zu interessieren. Viel interessanter ist es, sich mit ihm über Musik, Oper, Theater zu unterhalten.
Er ist mit Leib und Seele Dramaturg, sagt er. Deshalb inszeniert er nicht selbst. „Auch wenn es mich manchmal in den Fingern juckt, aber dann sage ich mir, Schuster bleib bei deinen Leisten. Ich arbeite sehr gerne sehr eng als Produktionsdramaturg mit dem Team zusammen.“ Aus Sicht des Theaterbesuchers findet diese Arbeit ausschließlich im Hintergrund statt, die Ergebnisse aber kann jeder sehen, denn der Operndirektor stellt unter anderem die Teams zusammen, die eine Produktion erarbeiten – also Regie und Ausstattung – und schlägt sie dem Intendanten vor.
Zwischen Regietheater und Bilderoper
Nach Stationen als Musikdramaturg für das Konzertrepertoire am Theater seiner Geburtsstadt Münster und in gleicher Funktion für Musiktheater in Erfurt hat er nun als Operndirektor sehr viel weiterreichende Gestaltungsmöglichkeiten. „Als Dramaturg wird man immer gerne gehört, wenn es um Ratschläge geht, aber die Entscheidungen treffen dann doch andere.“
Nun fallen die Entscheidungen meist im Team mit Intendant Markus Trabusch und Generalmusikdirektor Enrico Calesso, den er bereits aus Erfurt kennt, wo beide 2007 ihre Stellen antraten.
Es hängt viel davon ab, wer eine Oper inszeniert
Die Position ist übrigens neu. Trabuschs Vorgänger Hermann Schneider brauchte als Mann des Musiktheaters keinen Operndirektor, hatte aber einen Schauspieldirektor. Dieser, Stephan Suschke, ging mit Schneider nach Linz. Für Schneider kam Trabusch, der wiederum das Schauspiel selbst betreut. Und so wurde, noch kurzfristiger als die Berufung des neuen Intendanten, die Stelle eines Operndirektors geschaffen.
Es hängt viel davon ab, wer eine Oper inszeniert. Mit der bundesweit beachteten Inszenierung von Giacomo Meyerbeers „Die Hugenotten“ des Japaners Tomo Sugao, der lebensklugen „Entführung“ von Mozart in der Regie von Sigrid Herzog und der spannenden Deutung von Verdis Bibelepos „Nabucco“ als Polit- und Familiendrama der Italienerin Pamela Recinella hat Berthold Warnecke drei sehr anschauliche erste Arbeitsproben vorgelegt, die er alle auch als Dramaturg betreut hat.
Zwischen verkopftem Regietheater und naiver Bilderoper
Warnecke, Jahrgang 1971, arbeitet seit bald 20 Jahren in der Branche. „Da hat man einiges an Inszenierungen mitgemacht, viele Regisseure kennengelernt und weiß, welche Art Musiktheater einen interessiert“, sagt er.
Dem Publikum die Werke vertraut machen
Beides hält er für überkommen. Beim Wort „Musiktheater“ ist für ihn erst mal der Bestandteil „Theater“ wichtig. „Sänger sollen auf der Bühne auch spielen. Sie sollen Musiktheater-Darsteller sein und nicht Musiktheater-Dasteher.“ Gleichzeitig müsse die Regie dem Publikum viele Werke als solche erst wieder vertraut machen, nachdem auf den Bühnen jahrzehntelang die Brechung, die Dekonstruktion vorherrschte. „Was ist eigentlich die Fabel der ,Zauberflöte'? Welche Geschichte wird in der ,Entführung' erzählt? Es geht darum, die Geschichten wieder in den Mittelpunkt zu nehmen, ohne dabei naives Bildertheater zu machen. Dennoch muss der Zuschauer etwas sinnlich Unmittelbares erfahren, ohne dafür große Erklärungen zu brauchen.“
Das Mainfranken Theater sieht Berthold Warnecke als „Start-up-Haus“. Da müsse man gar nicht erst auf Diana Damrau oder Christian Gerhaher hinweisen. Es gehe darum, junge, begabte Leute ausfindig zu machen. „Die können entweder eine kleine Produktion an einem großen Haus machen oder gleich richtig mit einer großen Kiste an einem mittleren Haus wie Würzburg reüssieren.
So wie der zuvor kaum bekannte Regisseur Tomo Sugao, dem wir mit den ,Hugenotten' einen der ganz großen Opernschinken des 19. Jahrhunderts in die Hand gegeben haben.“
Natürlich kennt auch der Operndirektor (wie schon der Musikdramaturg) die Anspannung, wenn er die Dinge aus der Hand gegeben hat und die Proben beginnen. „Man kann sich vorher viel überlegen, trotzdem ist die Angst immer da.“ Die Arbeit mit Sugao etwa sei ein Sprung ins kalte Wasser gewesen: „Wir hatten noch nie zusammen gearbeitet, ich kannte nur Bilder seiner Produktionen.“
Der spannende erste Eindruck
Der erste Eindruck, wie „Die Hugenotten“ werden würde, war deshalb nicht nur für den Operndirektor spannend: In der ersten Kostümprobe saß auch der Intendant, den Warnecke erst im Vorstellungsgespräch kennengelernt hatte. „In der Mitte des ersten Akts kam Markus Trabusch zu mir und sagte: ,Mir gefällt das sehr gut'. Und ich machte pffff“, erzählt ein erleichterter Warnecke. „Ich hatte vorher schlaflose Nächte gehabt.“
Deshalb muss auch der Operndirektor seinen eigenen Stil finden. Loslassen können, wo Regisseur und Ensemble ungestört sein müssen, bereitstehen, wenn sein Rat gefragt ist. Und wenn der neue Job auch mehr Sitzungen bedeutet und kunstferne Tätigkeiten wie etwa das Verhandeln von Verträgen: „Ich bin wirklich glücklich auf dieser Position.“
Die nächsten Vorstellungen: „Die Entführung aus dem Serail“, 14. und 19. Februar, 19.30 Uhr. „Die Hugenotten“, 17. Februar, 18 Uhr. „Nabucco“ 12. Februar 15 Uhr, 22. und 24. Februar, 19.30 Uhr