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RÖTTINGEN
Die Oma zum Pferdestehlen: Daniela Ziegler im Interview
Frankenfestpiele Röttingen: Ein Gespräch mit Hauptdarstellerin Daniela Ziegler über Fernseh-Klischees, das Älterwerden und darüber, warum jeder Abend als Norma Desmond eine tiefe Bedeutung für sie hat.
Daniela Ziegler in der Rolle der ehemaligen Stummfilm-Diva Norma Desmond.
Foto: Gerhard Meissner | Daniela Ziegler in der Rolle der ehemaligen Stummfilm-Diva Norma Desmond.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 10.02.2024 05:05 Uhr

Einem Millionenpublikum ist Daniela Ziegler (67) durch ihre zahlreichen Fernsehrollen bekanntgeworden. Sie spielte in Tatort-Folgen, Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen und Serien wie „Der Fürst und das Mädchen“. Diese Rollen zeigen aber nur einen kleinen Ausschnitt der Vielseitigkeit der international erfolgreichen Schauspielerin. Die Hauptrolle im Musical „Sunset Boulevard“ bei den Röttinger Frankenfestspielen hat sie aus sehr persönlichen Gründen übernommen. Lesen Sie hier die Besprechung der Premiere.

Frage: Sie sind dem breiten Publikum vor allem durch Ihre Fernsehrollen bekannt, in denen sie häufig die Frau von Welt spielen, manchmal mit schwierigem Charakter, selten Sympathieträgerin.

Daniela ziegler: Ich bin meistens die Antagonistin, das heißt die Gegenspielerin der Lieben und Lieblichen, die etwas entgegensetzt, die etwas anschiebt von einer anderen Seite oder etwas verhindert.

Ist das okay für Sie?

ziegler: Ja klar, das sind meistens die interessanteren Rollen.

Das heißt, Sie würden nicht lieber mal was Lustiges spielen?

ziegler: Doch, klar, Lustiges oder Komödiantisches mache ich ja immer wieder zwischendurch, aber weniger im Fernsehen. Beim Fernsehen ist es so: Man hat dreimal eine Sache gut gemacht, und dann ist man darauf abgestempelt. Das ist für den Schauspieler manchmal langweilig. Es sind ja auch oft Klischees, die da erfüllt werden sollen, innerhalb eines dramatischen Gefüges. Aber ich versuche immer, diese Rollen glaubwürdig zu machen und ihnen Wahrheit zu geben.

Sind diese Klischees beim Fernsehen stärker ausgeprägt?

ziegler: Ja, schauen Sie sich doch die Sendungen an. Die sind ganz genauso komponiert. Bei Krimis ist es manchmal etwas anders oder bei gut geschriebenen Fernsehspielen, die einen historischen Hintergrund haben. Aber die normale Unterhaltungsschiene ist schon so gestrickt.

Wird man irgendwann als Privatmensch vom Publikum mit solchen Rollen identifiziert?

ziegler: Nein, nicht unbedingt. Man unterschätzt da das Publikum. Wenn man natürlich ewig eine Rolle spielt wie Klausjürgen Wussow den Dr. Brinkmann in der Schwarzwaldklinik, dann ist es klar, dass einen die Leute irgendwann mal fragen: Herr Professor, wie sehen Sie den Fall? Aber das tue ich ja nicht.

Sie haben etwas Strenges, Aristokratisches an sich. Ist das auch die wahre Daniela Ziegler?

ziegler: Ich habe privat nichts Aristokratisches und auch nichts Strenges. Ich bin bestimmt in dem, was ich meine und äußere. Und eine Bestimmtheit in der Sprache und in der Haltung wird oft als streng ausgelegt. Das ist auch so eine Reduzierung. Quatsch. Geradheit und Bestimmtheit sind Charaktereigenschaften. Die hat man, oder man hat sie nicht. Das hab' ich privat, und das wirkt natürlich auch hinein in die Figuren, die ich spiele. Und das Aristokratische, ja, das hat mir irgendwer von da oben mitgegeben. Deshalb hab' ich ja schon alle aristokratischen Frauenrollen gespielt, von der Kaiserin über Königin Elisabeth in Maria Stuart bis zur Baronin Schießmichtot. Vor allem die Habsburger haben mein künstlerisches Leben sozusagen mitbestimmt.

Ich hab die Sissi gespielt, die Herzogin Ludowika, Mutter der Sissi, und auch Erzherzogin Sophie, die Mutter Kaiser Franz Josephs. Ich hab sie alle durch bis auf die Kaiserin Maria Theresia. Das wär noch 'ne schöne Rolle.

Sie sind von Bühnenfach zum Fernsehen und zum Musical gewechselt.

ziegler: Ich hab 1972 angefangen, Theater zu spielen und hatte 1975 meinen ersten Dreh. Die Entwicklung hat sich von selbst so ergeben. Dann bin ich nach sechs Jahren im festen Engagement nach New York gegangen, um meine Musical-Ausbildung zu machen. Danach bin ich sozusagen auf drei Beinen weiter durchs Leben gegangen, nämlich Schauspiel, Musical und Fernsehen.

Das war – damals zumindest – aber noch ein unüblicher Weg?

ziegler: Ich musste mich immer irgendwie rechtfertigen für das, was ich gemacht habe. Im klassischen Theater musste ich mich fürs Fernsehen rechtfertigen. Im Theater und im Fernsehen musste ich mich rechtfertigen, dass ich Musical gesungen habe. Das wurde ja lange fast als Subkultur betrachtet. Und dabei, finde ich, ist das die Königsdisziplin. Um eine Rolle im Musical gut gestalten zu können, muss man alle drei Disziplinen – Schauspiel, Gesang und Tanz – möglichst gleich gut können.

Herausgefordert zu werden und sich rechtfertigen zu müssen, spornt das auch an?

ziegler: Nein, sich rechtfertigen zu müssen, spornt gar nicht an. Das ist nur anstrengend.

Aber Herausforderung finde ich ganz wichtig. Es hat mein ganzes künstlerisches Leben bestimmt, dass ich mich immer wieder neuen Herausforderungen gestellt habe, um zu sehen: Pack ich's? Sonst wäre es auch langweilig. Da bin ich eher ein Abenteurer. Auch jetzt noch mal die Norma Desmond in „Sunset Boulevard“ zu spielen, nachdem ich sie vor 19 Jahren bei der deutschen Erstaufführung in Niedernhausen gespielt habe.

Sie waren auf vielen deutschen und internationalen Bühnen unterwegs. Was wussten Sie von den Röttinger Frankenfestspielen?

ziegler: Ich hab' bis letztes Jahr überhaupt nicht gewusst, dass es Röttingen gibt. Es gibt inzwischen so viele Festspiele, das ist schon fast inflationär. Aber letztes Jahr haben vier Kollegen hier gespielt.

Mit dreien von ihnen stand ich selbst schon auf der Bühne, mit Carin Filipèiæ in „Elisabeth“ in Wien, mit Dennis Kozeluh war ich mit „Elisabeth“ in Shanghai, mit Ethan Freeman hab' ich die Uraufführung des Musicals „Robin Hood“ gemacht, und Ann Mandrella kenne ich schon ganz lange. Da hab' ich mir gedacht, ich besuche sie mal. Ich wollte ohnehin von Berlin zu meiner Mutter nach Offenbach fahren, da habe ich einen Schlenker über Röttingen gemacht. Dadurch habe ich die Frankenfestspiele kennengelernt und dachte: Für die Möglichkeiten hier ist es wirklich beachtlich, was auf der Bühne zu sehen ist.

Was hat Sie aber dann gereizt, selbst in Röttingen zu spielen?

ziegler: Es hat mich gereizt, die Rolle nach 19 Jahren noch einmal zu versuchen. An der Entscheidung war meine Mutter maßgeblich beteiligt, weil sie das unbedingt noch einmal mit mir sehen wollte. Dafür wäre sie sogar mit dem Rollstuhl nach Röttingen gekommen, den sie immer abgelehnt hat, weil sie nicht gebrechlich gesehen werden wollte. Es ist nicht mehr dazu gekommen. Am 1. Juni ist meine Mutter gestorben. So widme ich ihr jeden Abend, an dem ich die Norma Desmond singe.

Wie fällt Ihr Urteil aus, nachdem sie Röttingen näher kennengelernt haben?

ziegler: Ich finde, dass das gut funktioniert, weil die Leute alle mit großer Leidenschaft hier arbeiten. Wenn das nicht wäre, könnte man's vergessen, weil die Mittel äußerst beschränkt sind. Was ich übrigens nicht gerechtfertigt finde für das, was hier passiert. Aber die künstlerische Leitung hat wirklich Glück in ihrer Auswahl des Ensembles, auch der nicht Professionellen. Die kommen für ein Taschengeld hierher, weil sie einfach eine Leidenschaft fürs Theater haben. Und das ist etwas Wunderbares.

Sie waren vor fast 20 Jahren die erste deutschsprachige Norma Desmond. Waren Sie damals noch zu jung für die Rolle?

ziegler: Nein, eigentlich war ich damals genau richtig. Es gibt einen Satz in dem Stück, der heißt: „Es ist keine Schande 50 zu sein, nur so zu tun, als sei man 20.“ Den haben wir geändert in „Es ist keine Schande 60 zu sein“. Ich war damals 49 und bin jetzt halt entsprechend älter. Das können Sie sich jetzt ausrechnen.

Ihr Alter lässt sich auch im Internet nachlesen.

ziegler: Ich habe daraus nie ein Geheimnis gemacht. Von meiner Ausstrahlung und meiner Beweglichkeit her bin ich nicht unbedingt eine Endsechzigerin. Insofern kann ich Norma Desmond immer noch singen. Das ist ein großes Glück.

Was unterscheidet die Inszenierung von der, die Sie kannten?

ziegler: Das war damals eine ungeheuer pompöse Geschichte mit riesen Bühnenbild und riesen Orchester. Und hier ist alles reduziert auf ein Minimum. Besonders musikalisch war es schwer für mich, das wegzuschieben, was ich gewohnt war zu hören, um frei zu sein für das, was ich jetzt höre. Walter Lochmann hat das hervorragend und höchst professionell arrangiert, aber es bleibt eben doch nur eine Acht-Mann-Band und kein Orchester. Dabei ist es eigentlich ein großes symphonisches Werk.

Ist dann das Ergebnis für Sie okay?

ziegler: Aber ja. Es waren Leute hier, die waren früher auch in Niedernhausen. Für die einen war es okay, für die anderen geht das gar nicht. Ich sag': Wieso, es geht doch. Es ist wirklich ein großer Versuch, das Stück mit den wenigen Möglichkeiten so groß zu kriegen, wie nur möglich. Da hat man Glück, wenn man einen hervorragenden Musiker hat wie Walter Lochmann, der dazu in der Lage ist und noch dazu ein Workaholic, der zwei Produktionen macht und gleichzeitig noch fürs nächste Jahr komponiert. Das gehört in die Abteilung Leidenschaft, von der ich vorhin gesprochen hab'. Das betrifft auch die Mitarbeiter hinter der Bühne. Ich bewundere das zutiefst und bin diesen Menschen dankbar, dass sie mit so viel Herzblut dabei sind.

Sie haben in Ihrer langen Karriere viele Umwälzungen erlebt. Manchen ihrer Kollegen erging es dabei ähnlich wie der Stummfilm-Diva Norma Desmond, die den Wandel zum Tonfilm nicht verkraftet hat. Wie viel Norma Desmond steckt denn eigentlich in Ihnen?

ziegler: Ich kann schon auch etwas Divenhaftes haben, wenn ich zu irgendwelchen Events gehe. Für mein Privatleben ist mir das viel zu anstrengend. Ich hab' eine sehr kontinuierliche Karriere gehabt, und das ist eher ungewöhnlich.

Aber ich hatte ja keine Spitzenkarriere wie die Figur Desmond oder andere Kolleginnen in meinem Alter. Ich muss für mich sagen: „Ich bin noch immer da.“ Und das hat sicher damit zu tun, dass bei mir der Übergang vom jüngeren Fach in ein älteres sehr schleichend ist. Ich hab' mich nicht so stark verändert, bin keine Matrone geworden. Dazu kann ich nichts, das liegt in meinen Genen, und ich muss dem lieben Gott dafür Danke sagen. Für die Geliebte bin ich jetzt zu alt, für die Mütter und Großmütter bin ich schon lange alt genug. Spiel ich ja auch. Aber ich bin keine Oma im klischeehaften Sinn, die zu Hause sitzt und Kuchen backt, sondern eher eine, die mit den Enkeln Pferde stehlen geht. Zu diesem Potenzial könnte sich mal jemand was einfallen lassen.

Wie geht es weiter nach den Frankenfestspielen?

ziegler: Als Nächstes bin ich wieder in „Sister Act“ als Mutter Oberin in Berlin zu sehen. Diese Rolle habe ich auch in der deutschen Erstaufführung in Hamburg gespielt. Gleichzeitig mache ich noch eine Produktion mit Helmut Baumann, ein Abend im Schlosspark-Theater, der heißen wird: „Alles halb so schlimm – Altsein für Anfänger“.

Dann hab ich mit Paramount in Babelsberg eine amerikanische Agenten-Serie, „Berlin Station“, gedreht, die geht eventuell weiter. Ich spiele eine israelische Mossad-Agentin, Golda Friedmann, und spreche Englisch mit israelischem Akzent.

Also wieder etwas ganz anderes?

ziegler: Es ist für mich immer sehr reizvoll, wenn ich mich verändern darf, was ich aber meistens nicht darf, weil die sagen: Nein, nein, wir wollen Sie so, wie Sie sind. Ich denk mir dann: Oh, schon wieder.

Es geht also weiter, business as usual?

ziegler: Ja, dabei bin ich inzwischen Rentnerin und versäume es, mein Rentnerdasein zu genießen. (lacht)

Was Ihnen aber nicht arg schwerfällt?

ziegler: Nein, ich könnte das ja auch gar nicht.

Die letzten Vorstellungen von „Sunset Boulevard“ laufen vom 10. bis 15. August, Tel. (0 93 38) 97 28-55, www.frankenfestspiele.de

 
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