Vom „Traumschiff“ bis zum „Tatort“: Helmut Zierl ist einer der am meisten beschäftigten Schauspieler im deutschen Fernsehen. Er spielte in etwa 100 Filmen mit und hatte Hauptrollen in zahlreichen Serien. Am Donnerstag, 12. Januar, gastiert er um 19.30 Uhr mit der Komödie „Die Wahrheit“ im Schweinfurter Theater. Zierl spielt einen Mann, der mitansehen muss, wie sein kunstvoll errichtetes Beziehungskartenhaus mit Liebesleben zwischen Frau und Geliebter (die mit seinem besten Freund verheiratet ist) zusammenbricht. Ein Gespräch mit Zierl über Wahrheit, Lüge und Beziehungen.
Helmut Zierl: Ja, nur zu. Sie arbeiten bei der Presse . . .
Zierl: Möglicherweise arbeiten Sie bei einer seriösen Zeitung. Aber die Yellow Press . . .
Zierl: Na ja, es wird ja immer behauptet: Wer ständig die Wahrheit sagt, kommt nicht weiter im Leben. Und der Michel, den ich in dem Stück spiele, der propagiert die Lüge. Aber wenn ich so rückblickend auf mein Leben schaue, war es schon gut, stets die Wahrheit zu hören und auch zu sagen. Ob es in der Schule das Zugeben eines Fehlers war oder in Beziehungsgeschichten zuzugeben – ich rede jetzt ausschließlich von der Jugend –, doch mal geknutscht zu haben mit einem anderen Mädchen . . . Ich habe das Gefühl, dass sie immer besser war, die Wahrheit . . . Die Versöhnungen sind doch auch immer so schön.
Helmut Zierl
Zierl: Kurzfristig kann es Nachteile haben, klar, aber langfristig ist es richtig, sie zu sagen. Wenn man in einer Beziehung einen Seitensprung gesteht, ist das kurzfristig ein Fehler, weil du die volle Breitseite abkriegst. Langfristig ist es aber so, dass es oft wieder versöhnlich wird, wenn man sich ausgesprochen hat.
Zierl (lacht): Hmmmm . . . Ich bin so ein Nachtmensch, und ich hatte mich zu rechtfertigen, warum ich wieder so spät ins Bett kam. Ich war an meinem Computer beim Backgammonspiel süchtigerweise sehr lange beschäftigt und habe dann natürlich gesagt: „Ich konnte nicht schlafen.“
Zierl: Glaube ich nicht. Ich gehe insgesamt sehr offen und wahrheitsgemäß mit der Presse um. Es sei denn, es geht um Beziehungen, diese ganz privaten Fragen. Da sage ich inzwischen: Hat keinen zu interessieren, ist meine Privatangelegenheit. Und das ist keine Lüge.
Zierl: Sie kennen doch Ihre Kollegen, oder? Die Yellow Press stürzt sich natürlich auf so etwas. Es gab tatsächlich Situationen, dass Kollegen von Ihnen, das fand ich unfassbar, dass die durchs Dorf gingen, in dem ich lebe, und bei der Apothekerin und dem Tankwart nachfragten, ob es Dorftratsch gebe, was denn nun mit uns beiden sei. Meine Mitbewohner sind zum Glück sehr loyal und haben die rausgeschmissen. Insofern meinte die Agentur, es sei besser, da mal den Druck rauszunehmen, so eine Bekanntgabe würde verhindern, dass die Leute ums Haus schleichen.
Zierl: Wahrscheinlich hat es mit der Präsenz zu tun, damit, dass man sehr viel unterwegs ist, reist. Es gab Jahre, in denen ich wirklich 200 Tage weg war. Das ist sicherlich kein besonders beziehungsfreundlicher Beruf.
Zierl: Das ist in dem Beruf nicht möglich, ganz abgesehen von meiner Arbeitswut. Ganz oder gar nicht. Du kannst dich nicht reduzieren. Damit schießt du dich raus, das habe ich bei vielen meiner Kollegen beobachtet.
Zierl: Wenn man sich zu rarmacht. Das Theaterspielen zum Beispiel verursacht bei vielen Film- und Fernsehproduzenten auch Bauchschmerzen. Die sagen: Der spielt jetzt Theater, den brauchen wir nicht mehr zu fragen. Das ist ein Zeitproblem. Wenn man Theater spielt, dann spielt man nicht wie bei einem Film drei Wochen, sondern dann hat man sechs Wochen Proben, und dann spielt man das Stück möglicherweise, wie in diesem Fall, zweieinhalb Monate oder länger, und dann gibt es noch eine Anschlusstournee. Die Fernsehleute lassen sich relativ schnell frustrieren und fragen nicht mehr nach einem, wenn man ein-, zweimal abgesagt hat.
Zierl: Ja. Ja. Ja. Neugier ist überhaupt eine Triebfeder, auch im Beruf. Ich habe, das können Sie ja meiner Vita entnehmen . . .
Zierl: Insgesamt waren es sogar über 300, inklusive Serien-Episodenhauptrollen und eigenen Serien. Aber ich habe nie eine Langzeitserie gemacht, wie „Schwarzwaldklinik“, „Der Alte“ oder „Ein Fall für zwei“, weil ich einfach den Beruf so begreife, dass ich immer wieder neue Charaktere schaffen möchte. Die Neugier auf andere Figuren, andere Inhalte, andere Charakterzüge . . . Das ist eine ganz große Triebfeder, die Neugier auf immer wieder andere Rollen.
Zierl: Ich schließe mit dem Theater gerade Frieden.
Helmut Zierl
Zierl: Ich bin damals mit unglaublicher Wut und Enttäuschung weggegangen vom Theater.
Zierl: Das war Anfang der 80er Jahre. Ich war festes Ensemblemitglied am Thalia-Theater in Hamburg und spielte wunderbare große Rollen. Dann gab es einen Intendantenwechsel, und der neue Intendant engagierte nur Regisseure, die ihre Leute mitbrachten. Das hieß, du warst als festes Ensemblemitglied plötzlich irgendwie der Arsch vom Dienst, weil die neue Crew die guten Rollen bekam. Im Grunde genommen terrorisierten die das ganze Theater, auch mit unglaublichen Ansprüchen, Wünschen und oft auch mit einer Arroganz behaftet . . . Der große Frust, vorher große Rollen gespielt zu haben und sich plötzlich in neuen Hierarchien neu hocharbeiten zu müssen, da war ich empört und unterfordert, und dann habe ich das Haus mitten in der Spielzeit verlassen und habe gebrochen mit dem Theater. Ich bin dann zum Fernsehen. Schauspieler zieht es ja immer dahin, wo sie spüren, dass man sie mag, und beim Fernsehen fühlte ich mich schnell sehr aufgehoben.
Zierl: Ich hoffe mal, dass ich das einigermaßen geschickt mischen kann.
Helmut Zierl in Schweinfurt
Der Schauspieler, geboren am 6. Oktober 1954 in Meldorf, besuchte von 1972 bis '75 das Schauspielstudio Hildburg Frese in Hamburg, anschließend spielte er sieben Jahre lang Theater, in Hannover und am Hamburger Thalia-Theater. Seit 1982 ist Zierl vor allem im Fernsehen zu sehen, er spielte in etwa 100 Filmen und in vielen Serien („Max Wolkenstein“, „Rotlicht“, „Florida Lady“, „Familie Sonnenfeld“) die Hauptrolle, außerdem hatte er Auftritte in (Krimi-)Reihen wie „Der Alte“, „Derrick“, „Tatort“ oder „Traumschiff“. Zierl war 14 Jahre lang – bis 2001 – mit der Schauspielerin Dolly Dollar verheiratet und hat mit ihr zwei Söhne. Im Dezember 2011 trennten sich Zierl und seine Kollegin Saskia Valencia nach zehnjähriger Beziehung. Er lebt in der Nähe von Hamburg. Am Donnerstag, 12. Januar (19.30 Uhr), gastiert Zierl mit „Die Wahrheit“ von Florian Zeller im Theater der Stadt Schweinfurt. Karten: Tel. (0 97 21) 5 14 75.