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ISTANBUL
Die Macht der Sprache - Zum Tod von Yasar Kemal
Yasar Kemal
Foto: afp | Yasar Kemal
dpa
 |  aktualisiert: 01.03.2015 16:48 Uhr

Die Sprache wird die Menschheit retten – davon war der türkische Schriftsteller Yasar Kemal überzeugt. „Ich glaube tief an die Magie der Sprache“, schrieb er. „Noch immer bin ich davon überzeugt, dass die Sprache neue Universen erschaffen, andere vernichten kann.“ Aus dieser Macht leitete Kemal die Verantwortung der Schriftsteller in der Gesellschaft ab. Eine Rolle, die er selbst sehr ernst nahm: Der Kampf für Freiheit und Menschenrechte zieht sich als roter Faden durch sein Werk. Am Samstag ist Kemal nach längerer Krankheit gestorben. Er wurde 91 Jahre alt.

Mit seinem Roman „Ince Memed“ (Memed mein Falke, 1955) wurde er zum meistgelesenen Schriftsteller der Türkei und erlangte weltweiten Ruhm. Darin lehnt sich der „schmächtige Memed“ gegen die Herrschaft der Großgrundbesitzer auf und zieht als Bandit in die Berge.

Kemal kam in Südanatolien als Sohn eines früheren Großgrundbesitzers auf die Welt. Sein genaues Geburtsdatum ist unklar. Der Schriftsteller sagt, er sei wahrscheinlich 1923 geboren worden. Gewürdigt wurde er stets zum 6. Oktober – dem Tag, an dem ihn sein Vater bei den Behörden angemeldet haben soll. Als Kind verlor Kemal bei einem Unfall ein Auge. Mit viereinhalb Jahren musste er mit ansehen, wie sein Adoptivbruder seinen Vater in einer Moschee erstach.

Kemal wurde schwer traumatisiert. Er schrieb: „Von da an begann ich zu stottern. Nur wenn ich sang, kamen mir die Worte widerstandslos über die Lippen.“ Mit etwa elf Jahren lernte Kemal als einziges Kind im Dorf Lesen und Schreiben und überwand seine Sprachstörung. Er arbeitete als Straßenschreiber und verfasste Briefe und Dokumente.

1951 erschienen seine ersten Erzählungen in der linksnationalistischen Zeitung „Cumhuriyet“ in Istanbul. Kemal arbeitete zwölf Jahre lang als Journalist. Dreimal war er im Gefängnis. Unter anderem wurde er 1971 wegen seiner Arbeit für die marxistische Türkische Arbeiterpartei von der damaligen Militärregierung inhaftiert. Kemal, selbst Kurde, hat die Kurden-Politik seines Landes immer wieder kritisiert. 1996 wurde er wegen „Volksverhetzung“ zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Weil er Mordanschläge von Rechtsradikalen fürchtete, lebte er zeitweise in Schweden, bevor er nach Istanbul zurückkehrte.

Sein letzter Roman, „Tek Kanatli Bir Kus“ („Vogel mit nur einem Flügel“), erschien im September 2013. Darin beschäftigt sich Kemal mit der Angst, die die Gesellschaft vergiftet. Der Autor wurde vielfach international ausgezeichnet, unter anderem 1997 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

 
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