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BAD KISSINGEN
Die Liebe ist ein wildes Vögelchen
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:50 Uhr

„Liebe, Treue und Verrat“ beim Kissinger Sommer – so wie italienische Komponisten und ihre Librettisten menschliche Regungen in Belcanto gegossen haben und so, wie sie zwei Stars der Opernbühne interpretieren: die gebürtige bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova und der mexikanische Tenor Ramón Vargas, eingehüllt vom Klanguniversum des Münchner Rundfunkorchesters unter Francesco Ivan Ciampa.

Natürlich können die Künstler ihre Leidenschaften bei den zwei Quadratmetern Platz, der ihnen im Max-Littmann-Saal zwischen Geigen, Notenpulten und Dirigent bleiben, nicht großartig theatralisch ausleben. Reicht es also, die Augen zu schließen, Ohren und Herz zu öffnen und sich dem Fluss des schönen Gesangs hinzugeben? Im Bad des Belcanto versteht der Sprachdilettant zwar nichts als ein gelegentliches „Si“ oder „No“, schwelgt aber trotzdem in Fantasien, die ihm das eigene Liebesleben für Augenblicke in ganz anderes Licht rücken.

Auf der musikalischen Reise streifen wir den Vierwaldstätter See (Rossinis „Guglielmo Tell“-Ouvertüre), stehen vor dem Haus der Capulets in Verona (Bellinis „I Capuleti e I Montecchi“), werfen einen Blick in die Todeszelle am Hof von Königin Elisabeth I. (Donizettis „Robert Devereux“), landen schließlich im Kloster zu Santiago de Compostela, wo zwei andere Liebende nicht zueinander finden. Und spüren allerorten, wie herrlichste Töne schrecklichste Leiden umschmeicheln.

Also, Augen zu? Mitnichten. Dann würde uns entgehen, wie die Kasarova ihre winzige Stellfläche zur Opernbühne wandelt. Nicht nur mit atemberaubender Phrasierung, sondern mit ihrer gesamten Gestik und Mimik. In einem Moment liebäugelt sie mit ihrem Partner, im anderen mit dem Orchester, im dritten mit dem Dirigenten, im vierten mit dem Himmel und im fünften mit sich selbst. Ramón Vargas hingegen, dessen Stimme makellos den Raum füllt, guckt geradeaus und wechselt so gut wie keinen Blick mit seiner Gesangspartnerin.

Im Grunde müssten wir nach so viel tragischen Liebeswendungen deprimiert den Saal verlassen. Doch das Leid versickert in den Bravorufen. Als schließlich die Kasarova noch Bizets „L'amour“ aus „Carmen“ und Vargas Rossinis „La danza“ als Zugabe anstimmen, weicht jeder Schmerz der Hoffnung. Die Liebe ist eben doch ein wildes Vögelchen.

 
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