Auf ihrer Abschiedstournee ließ die legendäre Titanic-Boygroup auch den Würzburger Luisengarten nicht links liegen und entfachte vor ausverkauftem Haus ein brillantes Feuerwerk des meist gehobenen, gelegentlich auch derben Humors. Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn und Thomas Gsella, als langjährige Chefredakteure der Satirezeitschrift „Titanic“ erfahrene Profis im Humor-Gewerbe, hatten ihr Publikum „aus dem kleinen Ort in der Nähe des berühmten Veitshöchheim“ schon nach wenigen Minuten auf ihrer Seite.
In rasantem Tempo führte Schmitt anhand ausgewählter „Titanic“-Cover durch die 30-jährige Geschichte des Frankfurter Magazins: Er erzählte von Skandalen und juristischen Auseinandersetzungen und belegte an vielen Einzelfällen die radikale Kraft des Humors. Sonneborn und Gsella assistierten mit einer Auswahl der besten „Briefe an die Leser“, eine stilbildenden Kolumne, die zum Besten gehört, was Humoristen deutscher Sprache produzieren.
Nicht fehlen durfte ein Klassiker des Trios – Thomas Gsellas Ranking der „schönsten“ Städte Deutschlands, die von Bielefeld über Kassel und Gießen bis hin zum Spitzenreiter – natürlich: Würzburg – führt.
In die „Politik“ gewechselt ist Martin Sonneborn, der als Vorsitzender der von ihm gegründeten Partei „Die Partei“ vehement für den Wiederaufbau der Mauer zwischen West- und Ostdeutschland kämpft. In geradezu grotesk-realistischen Filmbeiträgen berichtete er etwa von der Feier zum 60-jährigen Bestehens des Grundgesetztes im brandenburgischen Kleinstädtchen Trebbin – ein Meisterwerk soziologischer Wirklichkeitsbeschreibung.
Um Kopf und Kragen
Bis heute unübertroffen zwei weitere Boygroup-Klassiker des investigativen Interviews: das Gespräch mit einem Lobbyisten der Pharma-Industrie, der sich um Kopf und Kragen redet, sowie die Reportage über die Aufnahmearbeiten in Privatwohnungen für ein fiktives Google-Homeview.
Überhaupt spielte das Trio auf jeweils unterschiedliche Weise mit den Möglichkeiten der modernen Kommunikationsformen: Gefakte Twitter-Accounts, virtuelle Facebook-Profile und ein grandioser, von Schmitt aus Presseberichten montierter Text über die weihnachtliche Afghanistan-Reise des ehemaligen Verteidigungsministers („Wüstentreff mit Guttensteff“) taugen mit ihrer aufklärerischen Haltung fürs Standardrepertoire jeder medienpädagogischen Ausbildung.