Von Jack the Ripper bis Albrecht Dürer, von der Antike bis ins 20. Jahrhundert: eine Auswahl an geheimnisvollen Geschichten aus der Welt der Kunst. Ohne jeglichen Anspruch an Vollständigkeit.
Heute gehört ein Lächeln in den meisten Fällen ganz selbstverständlich dazu, wenn man fotografiert wird – aber jahrhundertelang wollte man unbedingt mit ernstem Gesicht porträtiert werden. Warum also lächelt die Mona Lisa, die Dame auf dem berühmtesten Bild der Welt? Lächelt sie überhaupt? Es gibt ungezählte Theorien, zum Beispiel folgende: Die Dargestellte litt an Zahnausfall beziehungsweise an einer Gesichtslähmung. Oder: Der Maler Leonardo da Vinci hat ihr die ganze Zeit Witze erzählt. Oder: Sie lächelt gar nicht – alles ist nur eine optische Täuschung. Die vielleicht schönste Theorie: Als das Bild entstand, war Mona Lisa schon tot. Um ihren kleinen Sohn zu trösten, ließ der Vater ein Bild von Mama anfertigen – zufrieden lächelnd. Auf ewig.
Der englische Porträtist und Landschaftsmaler Thomas Gainsborough (1727 bis 1788) schuf als junger Mann das beeindruckende Bildnis „Mr. und Mrs. Andrews“. Das Merkwürdige: Auf dem Schoß von Mrs. Andrews prangt ein leerer Fleck. Sollte dort vielleicht ihr später geborenes Baby eingefügt werden? Ihr Schoßhund? Ein erlegter Fasan? Aber warum geschah es dann nicht – Gainsborough hätte noch fast 40 Jahre Zeit gehabt, das Bild fertigzustellen. Das Seltsamste ist, dass die Auftraggeber das Bild mitsamt dem Fleck akzeptierten und offenbar schätzten, denn es blieb jahrhundertelang im Besitz der Familie.
1990 entwendeten zwei als Polizisten verkleidete Männer 13 Meisterwerke aus dem Stewart Gardner Museum in Boston, darunter Rembrandts einziges Marine-Bild und Vermeers „Musikstunde“. Bis heute sind die Bilder nicht wieder aufgetaucht. Es ist der größte unaufgeklärte Kunstraub überhaupt, der Gesamtwert wird auf eine halbe Milliarde Dollar geschätzt.
Die Frage ist nicht nur, wo sich die Bilder befinden, sondern auch: Was wollten die Täter damit? Verkaufen lassen sich solche Ikonen nirgendwo, betont der Experte Dirk Heinrich von der Kunstversicherung Axa Art: „Der Fall ist ein Rätsel.“
„Asterix“-Leser wissen: Es war Obelix, und es war keine Absicht. Archäologen wissen es besser: Es war volle Absicht! Die etwa ein Meter lange und als besonders prächtig bekannte Nase der Sphinx von Gizeh wurde mit langen Beiteln mutwillig abgebrochen. Täter war nach Angaben eines mittelalterlichen arabischen Historikers der strenggläubige islamische Scheich Sajim al-Dahr – „der allzeit Fastende“. Er soll Gesicht und Ohren der Sphinx (Archäologen sagen des Sphinx, weil es ein Männerkopf ist) 1378 nach Christus zerstört haben, weil er empört darüber war, dass die Statue von der örtlichen Bevölkerung immer noch als Gottheit verehrt wurde. Dass Napoleons Soldaten während des Ägypten-Feldzugs die Statue mit einer Kanonenkugel demolierten, ist hingegen eine Legende: Die Nase war nachweislich schon früher ab.
Ein paar Jugendliche hatten 1890 in dem kleinen Ort Auvers-sur-Oise bei Paris Spaß daran, einen „irren Holländer“ zu piesacken. Sie schütteten ihm Salz in den Kaffee und steckten ihm eine Grasschlange in seinen Malkasten. Der Namen des Rothaarigen mit verstümmeltem Ohr war damals gänzlich unbekannt: Vincent van Gogh. Als Rädelsführer der Mobber tat sich der 16 Jahre alte René Secrétan hervor. Manche Forscher verdächtigen ihn sogar, van Gogh – absichtlich oder unabsichtlich – die Schusswunde beigebracht zu haben, an der dieser kurz darauf starb. Zwar versicherte van Gogh auf dem Sterbebett mehrmals, er selbst habe sich umbringen wollen – doch die Mordtheorie ist nicht totzukriegen.
Der Stich „Ritter, Tod und Teufel“ von Albrecht Dürer gilt seit Jahrhunderten als eines der Meisterwerke deutscher Kunst. Zu sehen sind ein einsamer Reiter und zwei unheimliche Nebenfiguren. Was genau will uns der Künstler damit sagen? Früher glaubten die Gelehrten: Der Ritter ist ein Sinnbild für den guten Christen. Der atheistische Philosoph Friedrich Nietzsche meinte dagegen: Der Ritter ist ein Sinnbild für den gottverlassenen Menschen der Moderne.
Die Nazis behaupteten: Der Ritter ist ein Sinnbild für den Deutschen. Heutige Kunsthistoriker sagen: Sorry, aber wir wissen's auch nicht. Die Tendenz geht aktuell aber dahin, dass Albrecht Dürer mit dem Bild vor allem eines sagen wollte: Guckt mal, wie gut ich ein Pferd zeichnen kann!
Der Prostituiertenmörder aus dem Londoner East End wurde nie gefasst, und deshalb geht das Detektivspiel um seine Identität munter weiter. Als Verdächtige galten schon ein Enkel von Königin Victoria, ein Affe und der „Alice im Wunderland“-Autor Lewis Carroll. Aber auch der einflussreiche Maler Walter Sickert (1860 bis 1942), ein gebürtiger Münchner, wird immer wieder genannt. Die Bestseller-Autorin Patricia Cornwell schreckte nicht davor zurück, eines seiner Bilder zu zerschneiden, um versteckte Hinweise zu finden. Das Ergebnis: ein zerstörtes Kunstwerk – sonst nichts. Dennoch ist sie von der Täterschaft überzeugt, unter anderem, weil Sickert ein Bild mit dem Titel „Jack the Rippers Schlafzimmer“ schuf. Er selbst erzählte, eine Gruppe junger Mädchen habe einmal Reißaus vor ihm genommen und dabei laut „Jack the Ripper!“ geschrieen.
Die Vorstellung, deshalb im 21. Jahrhundert als Verdächtiger herhalten zu müssen, hätte dem exzentrischen Künstler womöglich sogar gefallen.