Als charmanter Plauderer und humorvoller Erzähler feiner kleiner Geschichten erwies sich Hanns-Josef Ortheil in der Würzburger Stadtbücherei. Das klassische Format der Autorenlesung weit hinter sich lassend, war sein mindestens sechster Würzburg-Besuch in den vergangenen 20 Jahren eher wie ein entspannter Aufenthalt bei Freunden. Kein Wunder, dass die dicht gestellten Stuhlreihen voll besetzt waren.
„Reisen, Treiben, Bleiben, Schreiben” war das Motto des Abends, in dem Ortheil im ironisch-spielerischen Plauderton Einblicke in die Entstehungsgeschichte von vier aktuellen Büchern gab. Unmerklich gingen das moderierende Erläutern, das anekdotenhafte Erzählen und das Vortragen geschriebener Texte aus den Büchern ineinander über. Feine Ironie, subtiler Humor, genaues Beobachten, der Blick für das oft übersehene Detail kennzeichnen Ortheils Stil – im gesprochenen wie im geschriebenen Wort, und zum besten Amüsement des Publikums.
Eine neue Heimat
Geschickt verknüpft er die familiengeschichtlichen Stränge, die ihre literarische Form in vier unterschiedlichen Büchern gefunden haben, und doch um ein zentrales und immer neu wiederkehrendes Lebensmotiv kreisen: das zu Hause sein und das andernorts ein (neues) Zuhause finden. Wenn etwa der Venezianer Matteo in einer Frauen-WG in Köln eine neue Heimat sucht („Der Typ ist da”, Kiepenheuer & Witsch), oder wenn Ortheil uns das fünfte und sechste Arrondissement in Paris nach vielen längeren Aufenthalten so detailgenau beschreibt, dass wir uns als Leser dort sofort zu Hause fühlen („Paris links der Seine”, Insel).
Noch tiefer hinein blicken in eine, in seine literarische Lebenskunst lässt Ortheil in „Was ich liebe – und was nicht” (Luchterhand), in der er uns die vielfältigen Facetten und Passionen seines Schreibens genauer vorstellt – und sie uns und sich selbst wie einen Spiegel vorhält. Kulminierend verband er sämtliche Stränge in der in wenigen Wochen erscheinenden „Mittelmeerreise” (Luchterhand), seinem dann insgesamt dritten Reisebuch.
Reise auf einem Frachtschiff
Wieder ist es eine biografische Begebenheit – eine Reise die der heute 66-Jährige als 15-Jähriger mit seinem Vater auf einem Frachtschiff durch das Mittelmeer unternahm – die der Ausgangspunkt für eine literarische Selbstbefragung ist: Was ist es, das uns zum Bleiben drängt? Und was ist es, das uns doch immer wieder aufbrechen lässt? Fragen, die zu beantworten sich Hanns-Josef Ortheil geduldig Zeit nahm, während er seinen vielen alten und neuen Freunden die alten und neuen Bücher signierte.
Nächster Gast beim Literarischen Herbst ist Kirsten Fuchs am 16. Oktober.