
Nimm den, der dich zum Lachen bringt! Im Grunde könnte man „Die Entführung aus dem Serail“ zu dieser Alltagsweisheit zusammenfassen – einen Satz also, wie er vermutlich schon tausendfach in Frauenzeitschriften der ganzen Welt zu lesen war. Und doch dauert es nicht nur in der Oper oft ein wenig länger, bis die handelnden Personen das begreifen.
Damit ist jetzt schon fast verraten, wie Sigrid Herzogs lebenskluge, witzige und warmherzige Inszenierung der Mozartoper ausgeht, die am Sonntag im Mainfranken Theater Würzburg Premiere feierte.

Um noch ein bisschen deutlicher zu werden: Konstanze steht zwischen zwei Männern: Bassa Selim und Belmonte. Der Bassa Selim hat sie zwar ihrem Verlobten Belmonte geraubt, entpuppt sich aber schnell als unterhaltsamer und großzügiger, wenn auch ziemlich cholerischer Gastgeber.
Humor ist nicht Belmontes Stärke
Belmonte dagegen ist eine eher trübe Tasse – gesungene Liebesschwüre sind zwar eine tolle Sache (besonders, wenn Mozart sie komponiert hat), aber auf die Dauer vielleicht doch ein wenig eintönig. Und Humor ist nun wirklich nicht Belmontes Stärke.
Sigrid Herzog gelingt das Kunststück, das Singspiel auf einer gleichsam privaten (und zeitlosen) Ebene anzusiedeln, ohne dabei am Libretto vorbei zu inszenieren, in dem der Konflikt zwischen christlicher und islamischer Kultur ja dauernd thematisiert wird.
Selbst die „Martern aller Arten“ kann man aus dieser Perspektive heraus metaphorisch interpretieren. Und dass der Bassa Selim in Momenten ungeduldiger Wut tatsächlich körperliche Gewalt gegen Konstanze ausübt, hat weniger mit seiner Machtstellung als muslimischer Fürst zu tun als mit emotionaler Überforderung.
Liebevoll gezeichnete Figuren
Damit ist Konstanzes Konflikt kein kultureller, sondern ein persönlicher: wortbrüchig werden zugunsten eines Lebens voll aufregender Kicks oder Wort halten und sich in bürgerliche Langeweile fügen?

Nachgerade liebevoll zeichnet Sigrid Herzog die Figuren. Konstanze ist ein vormals braves Oberschichtgewächs, das ungeahnte emotionale Facetten an sich selbst entdeckt. Silke Evers macht diese Facetten mit warmem Sopran und beeindruckender schauspielerischer Präsenz erlebbar und ist damit ideale Partnerin für den Schauspieler Wolfram Rupperti. Der holt den Bassa Selim aus der statuarischen Ecke und macht ihn zum sensiblen, durchaus nicht unsympathischen Machtmenschen, der hart und mit Rückschlägen (siehe häusliche Gewalt) daran arbeitet, die Machtfrage gegenstandslos zu machen.
Kein Problem mit der Machtfrage hat dagegen Anja Gutgesells energiegeladene Blonde – dass sie den armen Osmin voll im Griff hat, leuchtet unmittelbar ein, wenn auch dessen nicht gänzlich unwillkommene Zudringlichkeiten schon mal einen Spitzenton ins wollüstig Schrille kippen lassen können. Dies nur eines von vielen Details, mit denen Sigrid Herzog ganz nah an der Musik bleibt. Das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Enrico Calesso steuert dazu – nach eher matter Ouvertüre – das duftige, griffige, geistreiche und bei Bedarf auch ergreifende Material bei.
Pedrillo ist Blondes Bad Boy
Tomasz Raffs Osmin überzeugt am Premierenabend vor allem mit komödiantischem Geschick, sein Bass könnte ein wenig mehr Strahlkraft entfalten. Maximilian Argmann gibt den Pedrillo im karierten Dobrindt-Anzug (Ausstattung: Davy van Gerven) als Intriganten mit erheblicher krimineller Energie. Ihren Bad Boy hat Blonde in ihm bereits gefunden.
Und dann ist da noch der arme Belmonte. Die Regie lässt ihn schon während der Ouvertüre Zeuge der Annäherung zwischen Selim und Konstanze werden. Als er sie dann endlich wiedersieht, zieht er erst das Sakko an und streicht sich die Haare glatt. Roberto Ortiz, neuer Tenor im Ensemble, singt und spielt den verhinderten Helden, der einfach nicht aus seiner Haut kann, mit lyrischer Tiefe und einer kleinen Prise Selbstironie. So einen mag man gern. Aber lieben tut man dann doch lieber den anderen.
Die weiteren Vorstellungen: 10., 14., 18., 26., Dezember; 4., 13., 19. Januar; 14., 19., 26. Februar; 18., 31. März, jeweils 19.30 Uhr.
8. Januar, 5. Februar, jeweils 15 Uhr.
Karten: Tel. (09 31) 39 08 124 und
karten@mainfrankentheater.de