Als Vorbild der weiblichen Rundungen soll eine Tiffany-Vase Pate gestanden haben, deren fließende Linien von der damals weit verbreiteten Jugendstil-Ästhetik inspiriert war. John Stith Pemberton hatte erstmals am 8. Mai 1886 in Atlanta/Georgia seinen Sirup aus Kokablättern und Kolanüssen verkauft und nicht zu träumen gewagt, dass seine Coca-Cola auf einen weltweiten Erfolgskurs zusteuerte.
Im Laufe der nächsten 30 Jahre fühlten sich unzählige Nachahmer auf den Plan gerufen und wollten auf den Cola-Zug aufspringen. Sie hießen Coke-Ola, Carbo-Cola, Sola-Cola, Coca-Nola, Pepsi-Nola, Cola-Coke, Kola-Kola, Noka-Cola oder Cold-Cola. Auch Pembertons ehemaliger Partner J. C. Mayfield produzierte Getränke wie Dope, Wine Cola oder Koke.
Um der verworrenen Situation Herr zu werden, heuerte 1909 Harold Hirsch, Anwalt der Coca-Cola-Company, Detektive an, die in Soda-Bars Proben nahmen und kontrollierten, ob unter dem Namen Coca-Cola nicht etwa andere Produkte ausgeschenkt wurden. Bis 1915 baute er eine hausinterne Ermittlungsabteilung mit vollzeitbeschäftigten Spionen auf, die sämtliche Coca-Cola-Trittbrettfahrer verfolgte. In den beiden Jahrzehnten zuvor hatten Coca-Cola-Abfüller glatte Standardflaschen in etlichen Variationen benutzt, die leicht mit anderen Marken verwechselt werden konnten.
Deshalb schrieb Hirsch 1915 einen nationalen Wettbewerb aus, an dem rund 30 Flaschenhersteller teilnahmen. Coca-Cola wollte sich mit neuem Design und unverwechselbarer Flasche präsentieren. Gewinner wurde die Root Glass Company aus Terre Haute in Indiana, deren Flaschenform sogar im Dunkeln zu ertasten war und die selbst zerstört am Boden noch als Coca-Cola-Behältnis erkennbar blieb. Bis heute erinnert eine Gedenktafel im Ort an die Geburtsstätte der berühmten Flasche mit dem sexy Hüftschwung.
Die wahre Geschichte über ihre Entstehung sei über Jahrzehnte durch „Mythen, Missverständnisse und Widersprüche“ vernebelt worden, behauptet Norman L. Dean in seinem im Jahr 2010 erschienenen Buch „The Man Behind the Bottle“. Sein Vater Earl R. Dean habe die Flasche im Juni 1915 entworfen, nicht der als Erfinder in die Geschichte eingegangene Alexander Samuelson. Der damalige Betriebsleiter der Root Glass Company meldete die Konturflasche beim US-Patentamt in seinem Namen an, am 16. November 1915 erhielt Samuelson das Patent.
„Deans Rolle wird inzwischen auch von Coca-Cola anerkannt”, sagt Phil Mooney, bis 2013 über 30 Jahre lang Archivar und Historiker der Coca-Cola Co. in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia), „selbst wenn nicht das gesamte Design von ihm stammen sollte, ist es größtenteils sein Werk. Das Hauptproblem liegt darin, dass Samuelsons Name in der Patentschrift steht. Warum passierte das?“, fragt sich Mooney. „Es könnte einfach so gewesen sein, dass der Chef die Meriten erntete, weil er verantwortlich war“, spekulierte Mooney. Earl Dean habe zweifelsfrei über die nötige Erfahrung im Flaschendesign verfügt, er sei mit dem Projekt betraut gewesen und arbeitete direkt mit Firmeninhaber Chapman J. Root zusammen.
Am Morgen des 28. Juni 1915 zitiert Root Vorarbeiter Dean in sein Büro. Dort warten bereits Samuelson und der Buchprüfer T. Clyde Edwards. Dem 25-jährigen Dean eröffnet Root, dass die Firma innerhalb von zwei Tagen Coca-Cola eine neue Glasflasche präsentieren müsse.
Während des Treffens fragt Samuelson in seinem stark schwedisch gefärbten Akzent: „Woraus besteht Coca-Cola eigentlich?“ Dean äußerte später, diese Frage sei der einzige Beitrag Samuelsons zur Entwicklung der neuen Flasche gewesen. Aus Erfahrung weiß Root, dass die Hauptzutaten Extrakte von Kokablättern und Kolanüssen sind. Aber wie sehen die aus? Um sich inspirieren zu lassen und das herauszufinden, schickt er Edwards und Dean, chauffiert von seinem Fahrer, umgehend in die örtliche Bibliothek.
Dort wälzen sie zig Bücher, Abbildungen von Kokablättern und Kolanüssen finden die beiden aber nicht. Doch schließlich entdecken sie in der Encyclopedia Britannica ein paar Seiten weiter die Darstellung einer Kakaobohne. Im Text dazu heißt es: „Kakaosamen produzieren ein Getränk, das zu den Göttern passt.“ Das gefällt ihnen, aber was sie überhaupt nicht realisieren: „cocoa“ (deutsch: „Kakao“) ist etwas völlig anderes als „coca“ (deutsch: „Koka“) und keinesfalls ein Bestandteil von Coca-Cola.
Earl Dean fertigt trotzdem schnell eine Bleistiftskizze der Kakaobohne. Auf dieser Grundlage entwirft er dann einen ersten Prototypen der Flasche. In die Produktion gelangt sie jedoch nie, da ihr Durchmesser in der Mitte größer ist als am Boden. Dadurch würde sie bei der Verarbeitung in den Förderanlagen instabil sein und leicht umkippen. Dean löst das Problem, indem er den Bauch und den Sockel des 15 Zentimeter langen Entwurfs angleicht.
Wegen der bevorstehenden Deadline arbeitet Dean 22 Stunden durch – dann gelingt ihm der Coup mit einmaliger Silhouette und prägnanten Konturlinien. Der Rest ist Geschichte. Die Verantwortlichen erklären sein Design mit überwältigender Mehrheit zu ihrem Favoriten, 1916 wird die Flasche in den Handel gebracht. Dabei zeigt sich ein weiterer Vorteil des dicken Glases – es lässt den Inhalt größer erscheinen. Am Anfang ist es noch grünlich gefärbt, später wird Klarglas verwendet.
Als das Patent 1923 ausläuft, beantragt die Root Company erfolgreich ein Folgepatent und kassiert von Coca-Cola Lizenzgebühren in Höhe von fünf Cents je Gros (144 Flaschen). Diese Vereinbarung macht Root zu einem der reichsten Männer Indianas. Erst 1937 erwirbt Coca-Cola die Rechte. Dean erhielt das Angebot, entweder einen einmaligen Bonus von 500 Dollar einzustreichen oder eine Arbeitsplatzgarantie auf Lebenszeit zu wählen. Er entschied sich für den Job. Als Root die Firma 1932 verkaufte, arbeitete Dean weiter für die neuen Besitzer Owens-Illinois Glass Company.
Die Riffelung der neuen Cola-Flasche mit den zehn Längsrippen lag gut in der Hand. Ihren Namen erhielt sie aus Frankreich, 1925 wurde sie im Magazin „Le Monde“ wegen ihrer fühlbaren Wölbungen erstmals als Konturflasche bezeichnet. 1950 erschien sie auf dem Cover des „Time Magazine“. Coca-Cola war zur bekanntesten Marke der Welt geworden und das Getränk zu einem Symbol westlichen Lebensstils avanciert. 1960 wurde die Konturflasche als „Trade-Mark“ registriert. Patente können auslaufen, eingetragene Warenzeichen nicht.
Zahlreiche Künstler haben den Verpackungsklassiker in ihren Werken verewigt. Der Surrealist Salvador Dalí porträtierte die Flasche 1943 in seinem Gemälde „Poetry of America“, Roy Lichtenstein und Keith Haring sowie Plakatkünstler Klaus Staeck oder Joseph Beuys konnten sich ihrer Faszination ebenfalls nicht entziehen. Andy Warhol schuf 1962 das Bild „Coca-Cola Bottles“, im November 2013 wurde es in London für 42,7 Millionen US-Dollar versteigert.