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BERLIN
Die Bismarcks vom Mittelalter bis Stephanie zu Guttenberg
dpa
 |  aktualisiert: 28.05.2013 16:22 Uhr

Sohn eines berühmten Vaters zu sein ist nicht immer ein Privileg, es kann auch zu einem schweren Handicap werden. Bismarcks Sohn Herbert etwa stand ein Leben lang im Schatten seines mächtigen Vaters, den er maßlos bewunderte, aber nie erreichte. In seinem Buch „Die Bismarcks – Eine deutsche Dynastie“ entwirft der Publizist Jochen Thies („Die Moltkes“) das Porträt eines hochbegabten Mannes mit der „Statur zum Reichskanzler“, der jedoch als alkoholkranker, verbitterter Privatmann auf Schloss Friedrichsruh endete.

Bis heute wurde Herbert von Bismarck (1849-1904) von der Geschichtsschreibung links liegen gelassen. Diese Lücke schließt nun zum Teil Thies, indem er dem unglücklichen Reichskanzler-Sohn in seinem Buch über die Bismarck-Familie ein bemerkenswertes Kapitel widmet. Herbert von Bismarck lebte viele Jahre als Diplomat in London. Seine profunde Englandkenntnis und sein diplomatisches Geschick hätten ihn zum idealen Mittler zwischen Deutschland und Großbritannien machen können, meint Thies. Doch die kalte Entmachtung seines Vaters nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. und das aggressive Machtgebaren des jungen, hitzköpfigen Kaisers verleideten ihm die Politik.

Die tragische Abhängigkeit Herberts von seinem Übervater zeigt sich vor allem auch im Privaten. Da seine große Liebe, Elisabeth zu Carolath-Beuthen, dem Vater nicht passte, verzichtete Herbert schweren Herzens auf sie und zerbrach daran fast. „Mir ist so dumpf und stumpf in der Seele – der Rest des Lebens liegt vor mir wie eine endlose sandige Pappelallee in flacher Gegend“, schrieb er melancholisch. Erst sehr spät heiratete Herbert eine viel jüngere Frau und wurde Vater von fünf Kindern.

In dem Buch macht die Lebensgeschichte Otto von Bismarcks nur einen kleineren Teil aus. Das ist auch gut so. Denn über den Reichskanzler ist genug geschrieben worden. Ein besonderer Schwerpunkt der vom Mittelalter bis in die Gegenwart reichenden Familiengeschichte liegt vielmehr auf den ausgesprochen spannend zu lesenden Biografien der fünf Enkel des Reichsgründers: Hannah, Goedela, Otto II., Gottfried und Albrecht. In den Lebensgeschichten dieser Enkel, die hier erstmals im Zusammenhang vorgestellt werden, spiegeln sich die Tragik und die Zerrissenheit deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert wider.

Die Älteste, Hannah, eine couragierte, ernste Frau, eine echte Bismarck, war von Beginn an eine entschiedene Nazigegnerin. Im Februar 1933 schrieb sie über Hitler in ihr Tagebuch: „Der Mann ist ein Verbrecher großen Ausmaßes. Ich lasse mich gerne hängen, wenn es sein soll, aber ich werde nie Nazi!“ Ihre jüngeren Brüder Otto und Gottfried ließen sich dagegen anfangs vom Regime vereinnahmen.

Otto wurde Diplomat in London und Rom, Gottfried NSDAP-Kreisleiter und sogar Regierungspräsident. Beide kehrten sich aber schließlich von den Nazis ab. Besonders erstaunlich ist Gottfrieds Geschichte, der sich am Ende sogar dem Widerstand anschloss und vor den Volksgerichtshof kam. Wundersamerweise wurde er freigesprochen, was so gut wie nie vorkam. Thies vermutet, dass die Weisung von Hitler höchstpersönlich kam, der gegenüber den berühmten Bismarcks eine Art „Beißhemmung“ hatte. Gottfried konnte sich seine tragische Verblendung aber nie verzeihen und starb als gebrochener Mann 1949.

In der Nachkriegszeit machten die Bismarcks weniger durch große Politik als durch Jet-Set-Allüren auf sich aufmerksam, etwa die Urenkelin des Reichskanzlers, Gunilla. Auch Stephanie zu Guttenberg, eine geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen und Ur-Urenkelin Otto von Bismarcks, lieferte der Klatschpresse viele schöne Bilder. Heute schreiben die Bismarcks also mehr Geschichtchen denn Geschichte. Man mag wie Thies diesen Niedergang bedauern. Doch seine These, der Adel sei unverzichtbar für unser traditionsvergessenes Land, muss man nicht teilen.

Jochen Thies: Die Bismarcks. Eine deutsche Dynastie (Piper Verlag, 432 Seiten, 22,99 Euro)

 
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