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BERLIN
Die Auferstehung einer legendären Exzentrikerin
dpa
 |  aktualisiert: 15.02.2013 17:02 Uhr

„Es war einmal, im Palazzo dei Leoni in Venedig, eine Frau, die mehr Edelsteine besaß als alle Sultane Arabiens. Ihr Leben war nichts als Rausch und Wollust. Eines Tages beschloss sie, einen großen Ball zu veranstalten.“ So beginnen Märchen. Tatsächlich war das Leben der Marchesa Luisa Casati (1881-1957) wie ein Märchen, allerdings ein verkehrt herum erzähltes.

Geboren in unermesslichen Reichtümern, verschwendete sie Schönheit, Geld und Leidenschaft mit vollen Händen, um in Armut zu enden. Die größte Gesellschaftslöwin ihrer Zeit, von Künstlern und Möchtegerngenies umschwärmt, berühmt und berüchtigt wegen ihrer ausschweifenden Feste und theatralischen Inszenierungen, wurde von der Welt vergessen. Nur die vielen Porträts künden heute noch von ihrem einstigen Ruhm.

Angeblich soll sie nach Kleopatra und der Jungfrau Maria die am häufigsten gemalte Frau der Kunstgeschichte sein. Camille de Peretti lässt die legendäre Exzentrikerin auferstehen. „Der Zauber der Casati“ ist der vierte Roman der jungen Französin (Jahrgang 1980), die vor allem mit ihrem vorigen Werk („Wir werden zusammen alt“) auch in Deutschland auf sich aufmerksam machte. Darin erzählt sie Geschichten ums Altwerden. Nun also ein Buch über das Leben einer Society-Lady, neben der die heutigen Jetset-Stars wie trostlose Abbilder wirken. Die spektakulären Auftritte der Casati suchten ihresgleichen: „Sie ließ sich eine Perücke von ausgestopften Schlangen anfertigen, trug eine geschlagene Woche lang eine Augenklappe wie ein Pirat, tauchte mit einem Seidenäffchen bei gesellschaftlichen Anlässen auf und flanierte unter den Arkaden der Rue Royale einher, ein Krokodilbaby an der Leine.“ Prominente und weniger prominente Maler gaben sich die Klinke in die Hand, um die Casati in den exzentrischsten Verkleidungen und Posen zu porträtieren. Der Holländer Kees van Dongen gehörte zu ihren nicht ganz uneigennützigen Verehrern, aber auch der Fotograf Man Ray. Peretti schildert die Casati als eine zutiefst einsame Frau, die Zeit ihres Lebens ihre existenzielle Leere mit wirbelnden Auftritten und Inszenierungen zu kompensieren suchte: „Wichtig ist nur, sich zu amüsieren.“

Früh verwaist, wuchs die italienische Industriellentochter unter der spärlichen Obhut von Verwandten in der Einsamkeit düsterer Paläste auf. Früh entledigte sie sich ihres gutmütigen Mannes. Um ihre Tochter kümmerte sie sich nicht einen Deut. Stattdessen umgab sie sich mit so pathetischen Gestalten wie dem Dichter Gabriele D'Annunzio, der mit 36 Überseekoffern und 20 weißen Leinenanzügen zu reisen pflegte. Casatis Inszenierung als Muse gelang nur halb. Die meisten Künstler waren von ihr so lange begeistert, wie sie als Mäzenatin aus dem Vollen schöpfen konnte. Danach war es mit dem Zauber schnell vorbei.

Camille de Peretti: Der Zauber der Casati (Rowohlt, 256 S., 19,95 Euro)

 
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