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WÜRZBURG
Der Würzburger Bach-Marathon
Bach fordert das Können: Matthias Querbach an der Orgel der Würzburger Johanniskirche.
Foto: Theresa Müller | Bach fordert das Können: Matthias Querbach an der Orgel der Würzburger Johanniskirche.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:04 Uhr

Lassen Sie eine Orgelkomposition in ihrem Kopf erklingen. Ganz spontan. Was haben Sie in sich gehört? Wahrscheinlich: Dadadaaa–dadadadada-da, den Beginn der d-Moll-Toccata von Johann Sebastian Bach. Wenn Sie ausgerechnet diese Töne im Ohr hatten, ist das kein Wunder: Es ist die bekannteste Orgelkomposition überhaupt. Bloß: Womöglich ist sie gar nicht von Bach. Darüber wird seit Jahrzehnten spekuliert: Es gibt keine handschriftlichen Noten von Bach, und der Stil weiche zu stark von anderen Werken des Barockmeisters ab, argumentieren Musikwissenschaftler. Bach oder nicht Bach? Matthias Querbach möchte sich zwar nicht festlegen. Der Würzburger wird Toccata und Fuge d-Moll dennoch in seinen Bach-Zyklus aufnehmen, schon weil das Werk derart bekannt ist.

Querbach führt das gesamte Bach'sche Orgelwerk in der Würzburger Johanniskirche auf. Knapp sechs Jahre werden vergehen, bis der 42-Jährige – Johanniskantor und Leiter der Bachtage – den Zyklus mit der „Kunst der Fuge“ abschließen wird. Bachs letztes, unvollendetes Werk trägt im Werkverzeichnis (BWV) die Nummer 1080. Die hohe Zahl zeigt, dass der gebürtige Eisenacher (1685 bis 1750) ein riesiges Werk hinterlassen hat. Ein beachtlicher Teil davon sind Orgelkompositionen.

„Alles in allem sind es rund 14 Stunden Musik“, hat Matthias Querbach ausgerechnet – ein Marathon. Die umfangreiche „Kunst der Fuge“ – nicht ausdrücklich für Orgel geschrieben, aber darauf spielbar – wird er in einem Konzert aufführen. Alle anderen Orgelwerke werden in Gottesdiensten gespielt, „normalerweise an jedem ersten Sonntag im Monat“, erklärt der Organist. Wenn dem Termine im Kirchenjahr entgegenstehen, die eine spezielle Liturgie erfordern, rutscht der Orgeltermin einen Sonntag weiter.

Den Zyklus in Gottesdiensten zu spielen anstatt in einer Reihe von Konzerten, findet Querbach richtig. Er bewege sich da durchaus auf den Spuren Bachs, erklärt er. Der habe hauptsächlich für die Kirche komponiert. Zudem: „Orgelkonzerte im heutigen Sinn gab's damals nicht“, vermutet der gebürtige Wertheimer, der im Herbst die Nachfolge von Christian Kabitz an St. Johannis angetreten hat. Querbach passt die Aufführungen an moderne Gewohnheiten an. So ein Bach-Orgelwerk kann bis zu 15 Minuten dauern. Im Zusammenhang gespielt, würde es den Gottesdienst sprengen. Also teilt Querbach die langen Kompositionen auf. Zu Beginn des Gottesdienstes wird eine Toccata oder ein Präludium gespielt, am Ende dann die jeweils dazugehörige Fuge.

Zu Bachs Zeiten sei das wohl anders gewesen, vermutet Querbach. Kirchgänger seien damals an Messen von drei Stunden Dauer gewöhnt gewesen. Da war dann auch genügend Zeit für längere musikalische Strecken. Heute dauern Gottesdienste selten länger als eine Stunde.

Querbach nimmt Aufführungen in Gottesdiensten ebenso ernst wie Konzerte: „Die Vorbereitung ist die gleiche. Ich strebe im Gottesdienst ebenso nach Perfektion wie im Konzert.“ Der Musiker hat die meisten Orgelwerke von Bach schon gespielt, trotzdem: „Alle vier Wochen so ein Werk aufzuführen, ist schon eine Herausforderung.“ Zum Üben nutzt er gerne das Klavier. Das trainiert den Anschlag. Mit dem Klavier hat Querbach auch angefangen, da war er gerade mal fünf. Orgel spielt er, seit er zwölf ist.

Bachs Harmonien muten heute noch revolutionär an.

Zeitgenossen waren verunsichert: „Halthen Ihm vor daß er bißher in dem Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone mit eingemischet, daß die Gemeinde darüber confundiret worden“, warf man ihm in Arnstadt vor, verbot ihm, „zu geschwinde“ auf einen neuen Ton zu „fallen“, und fand das Ganze „befremdlich“.

Der Meister fordert auch das Können des Spielers heraus. Selbst dem modernen, an der anspruchsvollen französischen Romantik geschulten Organisten macht er's nicht immer einfach: „Die F-Dur-Toccata ist einfach schwer“, sagt Matthias Querbach. Und bewundert gleichzeitig Bach und die Organisten der damaligen Zeit. Denen machte es schon das Instrument schwerer: „Vor allem die Pedale waren recht träge.“

Die passende Orgel

Gerade in die F-Dur-Toccata hat Bach reichlich virtuose Pedalarbeit eingebaut. Wie das die Alten wohl hingekriegt haben? „Ich wäre froh, wenn ich eine Einspielung hätte“, sagt Querbach. In St. Johannis hat der Musiker eine Orgel zur Verfügung, die speziell für Barockmusik disponiert wurde. Fast 56 Jahre alt, weist das dreimanualige Instrument des Hamburger Orgelbauers Beckerath mittlerweile allerdings ein paar Eigenheiten auf.

Und wenn Querbach die Koppel nutzt, also Manuale verbindet – was rein mechanisch funktioniert –, braucht's schon kräftige Finger, um die Tasten zu drücken. Der Musiker ist dennoch zufrieden: „Bach lässt sich hier sehr gut darstellen.“ Auch die Akustik der Johanniskirche passt: „Der Nachhall hält sich in Grenzen, alles bleibt schön transparent“ – wichtig bei Bachs komplizierten Tongeflechten.

„Der komplette Bach im Gottesdienst“ scheint auch eine Art von missionarischem Effekt zu haben: Matthias Querbach, der im Januar mit der Reihe begann, hat beobachtet, dass bei Gottesdiensten mit Bach mehr Menschen in der Johanniskirche sitzen.

Bach im Gottesdienst gibt es wieder am 8. Mai, 9.30 und 11 Uhr (Praeludium und Fuge C-Dur, BWV 547). Am 30. April, 20 Uhr, leitet Matthias Querbach Mendelssohns „Elias“ (Johanniskirche).

 
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