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BERLIN
Der Worthunger von Herta Müller ist noch lange nicht gestillt
Herta Müller
Foto: dpa | Herta Müller
dpa
 |  aktualisiert: 13.08.2013 16:59 Uhr

Herta Müller wollte eigentlich nie Schriftstellerin werden. Sie fing das Schreiben an, als die Schikanen des Ceausescu-Regimes in ihrem Geburtsland Rumänien für sie unerträglich wurden. „Ich reagierte auf die Todesangst mit Lebenshunger. Der war ein Worthunger. Nur der Wortwirbel konnte meinen Zustand fassen“, berichtete die Berliner Autorin in ihrer berührenden Vorlesung zum Literaturnobelpreis 2009. Am Samstag (17. August) wird Herta Müller 60 Jahre alt – und hat nichts von ihrem Worthunger verloren.

Seit Anfang der 90er Jahren gehört die Banater Schwäbin mit ihrem ebenso bewegenden wie bedrückenden Prosawerk zu den großen Figuren der internationalen Literaturszene. Ihre Bücher wurden in 50 Sprachen übersetzt. Poetisch zart und archaisch kraftvoll erzählt sie von den Verletzungen, denen Menschen in einem diktatorischen Regime ausgesetzt sind. Es ist ein Schreiben gegen das Vergessen, das durch ihre eigene Erfahrung mit Einschüchterung und Angst, Verfolgung und Unterdrückung große Kraft gewinnt.

Mit Herta Müller begegne einem „starke Literatur und ein starker Mensch“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck als früherer Chef der Stasi-Unterlagenbehörde 2004 bei der Auszeichnung Müllers mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Autorin habe dem Dunkel des Ostens viele Melodien abgelauscht – „nicht zuletzt jene, die uns schwer auf die Seele fallen, weil sie an das Geräusch der Ketten erinnern“. 1953 im rumänischen „Kaff“ Nitzkydorf bei Temeschwar geboren, wuchs Müller deutschsprachig auf – ihre Familie gehörte zur deutschen Minderheit im Land. Nach einem Germanistik- und Literaturstudium begann sie 1976 als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Weil sie eine Zusammenarbeit mit dem berüchtigten rumänischen Geheimdienst Securitate verweigerte, war sie jahrelanger Verfolgung, Denunziation und Arbeitslosigkeit ausgesetzt.

Aus Einsamkeit beginnt sie zu schreiben. Ihr Debütband „Niederungen“ über das elende und düstere Leben in ihrem Dorf kann 1982 nur in zensierter Form in Rumänien erscheinen. Danach verschärfen sich die Schikanen gegen die „Nestbeschmutzerin“ noch. 1987 reist sie mit ihrem damaligen Mann, dem Schriftsteller Richard Wagner, nach Deutschland aus. „Ich war mit den Nerven so fertig, dass ich das Lachen mit dem Weinen verwechselte“, schreibt sie später. In Deutschland wird sie misstrauisch empfangen. In Friedenau im alten Berliner Westen, wo sie mit ihrem zweiten Mann, Harry Merkle, bis heute lebt, findet sie ein neues Zuhause. Sie erhält renommierte Gastprofessuren im In- und Ausland und wird mit Preisen geradezu überhäuft, der Literaturnobelpreis ist 2009 die Krönung.

 
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