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BERLIN/MÜNCHEN
Der weiße Neger vom Hasenbergl - Günther Kaufmann ist tot
Günther Kaufmann: Ein Leben wie ein Krimi. Er wurde nur 64 Jahre alt.
Foto: dpa | Günther Kaufmann: Ein Leben wie ein Krimi. Er wurde nur 64 Jahre alt.
dpa
 |  aktualisiert: 13.05.2012 17:20 Uhr

Er lebte ein Leben wie in einem Film – früh läuft jetzt der Abspann: Schauspieler Günther Kaufmann ist überraschend im Alter von 64 Jahren gestorben. Auf einer Straße in Berlin brach er am Donnerstag zusammen. Bereits im Februar war er wegen einer Herzmuskelentzündung ins Krankenhaus gekommen. „Drei Tage lang bekam er nachts keine Luft mehr, das Taxi traf gerade noch rechtzeitig im Krankenhaus ein. Es war, wie alles im Leben von Günther Kaufmann: hochdramatisch“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ in einer Geschichte über Kaufmann und seinen Entdecker Rainer Werner Fassbinder.

Dabei hatte Kaufmann bei seinen öffentlichen Auftritten in der jüngsten Vergangenheit anscheinend vor Kraft nur so gestrotzt. Seine donnernde Stimme und sein lautes Lachen konnten Räume füllen. Es ist noch nicht lange her, dass er „Dschungel“-Sternchen Micaela auf dem roten Teppich gut gelaunt an die Wäsche ging, dass er den „Schrecklichen Sven“ in den Wickie-Filmen spielte, dass er im RTL-Dschungelcamp in der Hängematte lag oder seinem Sohn Dave beim „Supertalent“ zujubelte.

Falsches Geständnis

Auftritte wie diese haben ein bisschen in Vergessenheit geraten lassen, welche Karriere als gefeierter Fassbinder-Schauspieler und welch ein bewegtes und dramatisches Leben Kaufmann hinter sich hatte: Aus Liebe zu seiner krebskranken Frau ließ er sich 2002 zu 15 Jahren Haft verurteilen, fast drei Jahre saß er ab – und hätte bis zuletzt hinter Gittern gesessen, wären nicht überraschend die wahren Täter gefasst worden.

Er habe seiner Frau Alexandra die harten Vernehmungen ersparen wollen, begründete Kaufmann. „Alexandra hätte nicht einmal eine Stunde Vernehmung überstanden – ich wollte ihr das ersparen, weil sie todkrank war.“ Später stellte sich heraus, dass einer der Täter ihr Geliebter war. Das Opfer war der Steuerberater von Kaufmann und seiner Frau. 2001 wurde er erstickt in seiner Villa gefunden. Alexandra hatte ihn um mehr als 500 000 Euro betrogen. Auch als sie sechs Wochen vor Prozessbeginn starb, blieb Kaufmann bei seinem falschen Geständnis. Er habe keine Chance gesehen, seine Unschuld zu beweisen, sagte der Schauspieler. Erst als die Frau von einem der wahren Täter zur Polizei ging, klärte sich der Fall auf. Weil er im Laufe der Ermittlungen zwei unschuldige Freunde der Mittäterschaft bezichtigt hatte, bekam er allerdings eine Bewährungs- und Geldstrafe.

Bevor er mit diesem realen Krimi für Schlagzeilen sorgte, war der in München geborene Kaufmann als Krimi-Darsteller in Serien wie „Derrick“ und „Der Alte“ bekannt und als Fassbinder-Schauspieler berühmt. In den 70er und 80er Jahren spielte er in mehr als einem Dutzend Filmen von Fassbinder (1945-1982) mit, darunter „Berlin Alexanderplatz“ und „Die Ehe der Maria Braun“. Seinen „bayerischen Neger“ soll der berühmte Filmemacher, der vor 30 Jahren starb, ihn genannt haben, schreibt Jürgen Trimborn in seiner Fassbinder-Biografie. Kaufmann war wohl seine große unerfüllte Liebe und so etwas wie seine Muse. „Aber ich kann doch gar nicht spielen“, sagte Kaufmann, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb. „Das bring' ich dir schon bei“, antwortete der Regisseur. Fortan gab Kaufmann Fassbinders Filmen ein Gesicht.

Die zweite Garnitur Gottes

„Der weiße Neger vom Hasenbergl“ – so nannte der Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen sich und seine Autobiografie, in Anspielung auf das Münchner Problemviertel, in dem er lebte. Zuletzt war Kaufmann in diesem Jahr in einer Nebenrolle in dem Kinofilm „Türkisch für Anfänger“ zu sehen. Außerdem trat er in Musicalaufführungen auf. „Er hatte noch so große Pläne und war in unserem letzten Telefonat vor einigen Tagen richtig gut drauf“, berichtete die Co-Autorin seiner Autobiografie, Gabriele Droste, am Samstag.

Sein Schicksal bietet genug Stoff für einen dramatischen Film – und dazu sollte es auch kommen. Kaufmann plante die Verfilmung seines Lebens. Der Titel lautete „Die zweite Garnitur Gottes“, wie Kaufmann sagte. „Es gibt eine erste Garnitur Gottes – das sind Menschen, mit denen Gott es besonders gut gemeint hat. Ich halte mich für die zweite Garnitur.“ Er selbst wollte die Hauptrolle spielen.

 
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