An dieser Nuss hat Bruno, der erfahrene Chef de police aus dem Périgord-Städtchen Saint Denis, heftig zu knacken: Was haben ein schwer misshandelter fremder toter Mann und ein einheimischer autistischer Junge, der anscheinend im Dienste des Dschihad stand, miteinander zu tun? Martin Walker, Schöpfer der beliebten Krimireihe um Bruno, ist mit seinem neuen Buch („Provokateure“) so aktuell und politisch wie noch nie.
Die übel zugerichtete Leiche des Unbekannten schlägt dem feinsinnigen Polizisten schwer auf den Magen, denn die Foltermerkmale verraten Methode. Bald ist klar, dass der Fremde ein Undercover-Agent war, der in der benachbarten islamischen Gemeinde und Moschee einen Pool zur Radikalisierung junger Muslime vermutete. Nahezu zeitgleich sucht in Afghanistan ein völlig verstörter junger Mann um Hilfe bei den französischen Truppen. Der als geistig verwirrt eingestufte Sami will zurück nach Hause, ins Périgord.
Freund oder Feind?
Die Rückführung gelingt, wenn auch die Zukunft des Jungen ungewiss scheint: Niemand weiß, ob er als Freund oder Feind einzustufen ist. Sami hatte die Schule jener Moschee besucht, die der ermordete Agent ins Auge gefasst hatte. Bruno sieht sich mit politischen Verwicklungen konfrontiert, von denen er sich nie hätte träumen lassen, dass sie mal seine stille Heimat erreichen könnten.
Saint-Denis gerät auch wegen einer anderen, jedoch positiven Geschichte, in den Fokus der Öffentlichkeit. Dort hatten während der Nazi-Besetzung und des Vichy-Regimes mutige Einwohner ein jüdisches Geschwisterpaar versteckt, das sich jetzt, Jahrzehnte später, der Gemeinde im großen (finanziellen) Rahmen erkenntlich zeigen will. Auch hier ist Bruno involviert, was ihm allerdings mehr Zeit abfordert, als er eigentlich hat. Ganz zu schweigen von der Gefahr, in die er sich wegen seines Engagements für Sami befindet und die er auf die jüdische Familie übertragen könnte.
Als Martin Walker den siebten Fall für seinen Chef de police konstruierte, ahnte er noch nicht, dass sein neuer Roman schon bald von einer grausamen Wirklichkeit eingeholt werden würde – das Attentat auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am 5. Januar dieses Jahres in Paris. Es sei ihm nicht möglich gewesen, in Zeiten, wo sich die Welt so radikal verändere, einen Roman zu schreiben, ohne Fragen zum Terrorismus aufzuwerfen, sagte Walker in einem Zeitungsinterview.
Das ist nachvollziehbar, vor allem für einen politischen Journalisten, der 25 Jahre lang für die britische Tageszeitung „The Guardian“ schrieb, bevor er sich im Périgord niederließ. Dort widmet sich der Schotte neben den Geschichten um Bruno auch mit viel Leidenschaft der berühmten Küche seiner Wahlheimat, die er stets seinen Lesern schmackhaft macht. So gibt es auch in „Provokateure“ Feines aus Topf und Pfanne oder vom Grill zum Nachkochen.
Martin Walker: Provokateure (Diogenes, 426 Seiten, 23,90 Euro)