Der Espresso ist stark und schmeckt gut, und das liegt auch daran, sagt Mark Knopfler, weil die Bohnen aus Italien kommen. Er bevorzugt heute einen großen Humpen normalen Kaffee. Seinen 911er hat er gerade in der Garage seines Tonstudios in Chiswick abgestellt, dem Londoner Stadtteil, in dem Phil Collins und Pete Townshend das Licht der Welt erblickten. Mark Knopfler, 60, eilt der Ruf voraus, ziemlich grüblerisch zu sein, in Interviews nur sehr ungern über etwas anderes zu sprechen als Musik und bei seiner Ansicht nach blöden Fragen recht flott griesgrämig zu werden. Wenn man ihn dann an diesem Vormittag fragt, ob er ein kleines Spiel mitspielt, in dem er Stichworte vorgegeben bekommt und er, bitteschön, doch sagen soll, was ihm dazu in den Sinn kommt, dann antwortet er: „Natürlich spiele ich da mit.“ Und er lächelt dabei. Also testen wir mal, wie spontan der angeblich so Grüblerische ist.
Erfolg.
Mark Knopfler: Erfolg ist etwas, das ich jedem wünsche. Aber Ruhm ist das Nebenprodukt von Erfolg. Ruhm ist nicht erstrebenswert. Der Erfolg gibt mir die Freiheit, zu tun, was ich will. Aber dem Ruhm kann ich nichts abgewinnen. Können Sie sich irgendetwas Angenehmes an Ruhm vorstellen?
Na ja, vielleicht bekommen Sie eher einen Platz in einem angesagten Restaurant als ich.
Knopfler: Ist das wichtig für Sie?
Nö.
Knopfler: Für mich auch nicht.
Gibt's gar keine positive Seite des Ruhms?
Mark Knopfler schaut einen aus seinen stahlblauen Augen fest an und sagt – nichts. Dann guckt er weg. Ins Nirgendwo. Wie es noch häufiger passieren wird in diesem Gespräch. Mark Knopfler ist offenbar ein Mensch, der überlegt, bevor er spricht. Manchmal schließt er dann auch die Augen, oder er hält sich die Hand davor und stützt sich mit dem Ellenbogen auf dem Tisch vor diesem riesigen Mischpult ab. Es sind jene Momente, in denen man Armbanduhren ticken hören kann. Momente, die lang werden. Wenn man dann etwas Geduld hat, wird Mark Knopfler zwar auch nicht zu einer großen Plaudertasche. Aber es kommen dann immer wieder Sätze, die, auch und vor allem, wenn sie unspektakulär klingen, wirken, als stünden Zweifel daran unter Strafe.
Knopfler: Positiv? Nein, da fällt mir nichts ein. Allenfalls, dass man gelegentlich mit Benefizveranstaltungen Aufmerksamkeit auf etwas lenken und dadurch helfen kann. Manchmal ist das ganz nützlich.
Glück.
Knopfler: Ein wichtiger Faktor im Leben. Aber meistens musst du dir dein Glück erarbeiten. Und es ist wichtig, realistisch zu bleiben. Nicht abzuheben. Zumindest ist das dort so, wo ich herkomme.
Mark Knopfler, Sohn eines aus dem faschistischen Ungarn geflohenen Architekten und einer Engländerin, geboren in Glasgow, wuchs auf in Newcastle-upon-Tyne im Nordosten Englands, einem Ort, der früher vor allem vom Kohleexport lebte.
Knopfler: Dort, wo ich herkomme, da ist es einfach nicht erlaubt, größenwahnsinnig zu werden. Es ist einfach nicht erlaubt.
Demut.
Knopfler: Musik sorgt dafür. Wenn dich Musik interessiert, dann musst du ihr gegenüber demütig sein. Beim Songschreiben halte ich es oft schlicht. Aber wenn ich zu Hause forsche, mit der Gitarre in der Musik arbeite, dann merke ich immer wieder aufs Neue: Sie ist unendlich. Bodenlos. Unergründlich. Riesig. Zu groß. Das ist dann immer wie damals, als ich als Junge zum ersten Mal den Ozean sah. Da habe ich auch gesagt: Er ist zu gewaltig. Ich liebe Musik. Also bin ich daran interessiert, ein besserer Musiker zu werden. Einfach weil es sie gibt. Nicht, weil ich ein besserer Songwriter werden will. Macht das Sinn?
Wenn man dann die Augenbrauen hochzieht und die Schultern auch, dann faltet Mark Knopfler die Hände, knetet seine Finger und setzt noch einmal an.
Knopfler: Okay, ich weiß, das ist schwierig. Lieder zu schreiben, ist meine Lieblingsbeschäftigung, aber es ist nur ein Teil dessen, was ich musikalisch tue, wenn ich die Gitarre in die Hand nehme. Manchmal, wenn ich die Musik suche, wenn ich mich an komplizierteren Orten in ihr bewege, dann hat das nicht zwingend etwas mit den Songs zu tun, die ich schreiben will. Macht das mehr Sinn?
Es gibt zwei Musikwelten für Sie. Eine, in der Sie Lieder schreiben, und eine . . .
Knopfler: . . . und eine für meine privaten Untersuchungen . . .
Er sagt tatsächlich „Private Investigations“. So hat er ein Lied genannt, ein Lied, das relativ kompliziert ist, jedenfalls zu kompliziert, um ein Ohrwurm zu sein. Es erschien auf „Love Over Gold“, dem vierten der gerade mal sieben Studioalben der Dire Straits, mit 120 Millionen verkauften Scheiben eine der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte. Mark Knopfler gründete sie 1977 mit seinem Bruder, dem Gitarristen David, Bassist John Illsley und Schlagzeuger Pick Withers. Der Bandname bedeutet so viel wie „große Pleite“ oder „ernste Notlage“ und spielt auf die finanzielle Situation der Mitglieder in der Anfangszeit an. Schon das erste Album, „Dire Straits“, verkaufte sich wie geschnitten Brot, „Sultans Of Swing“ war der erste Hit. Während der Aufnahmen zum dritten Album 1980 verließ David Knopfler die Band, weil ihm die immer dominantere Rolle seines Bruders zu viel wurde. Die Dire Straits gab's bis 1993, dann hatte der Sultan des Swing keine Lust mehr auf Welttourneen und Band und startete seine Solokarriere. Offiziell aufgelöst hat Knopfler die Dire Straits nie, einer Wiedervereinigung aber hat er zig Mal eine Abfuhr erteilt. Natürlich auch diesmal. Ach ja, seine „Private Investigations“ . . .
Knopfler: . . . als ich in New York lebte und begann, die Gitarre ernsthafter zu studieren, hatte ich zwar einen Lehrer, aber ich studierte sie auch für mich. Langsam verstand ich ihre Sprache und die Sprache der Musik. Es ist wie bei einer Fremdsprache. Mit der Zeit lernst du längere Wörter und immer kompliziertere. Du verstehst immer mehr.
Wenn Mark Knopfler so plaudert über Musik, ruhig und unaufdringlich, dann kann man sich mit der Zeit schon ausmalen, wie er ein- und umhertaucht in seinem Ozean, wie er nach Tönen sucht und nach Akkorden, Läufe und Melodien probiert, die er der Gitarre bis dahin noch nicht entlockt hat, und wenn man sich das ausmalt, dann kann einem dieser wunderschöne Latein-Spruch einfallen: per aspera ad astra – auf rauen Pfaden zu den Sternen.
Bruderzwist.
Knopfler: Das ist eine alte Geschichte. Einige Menschen sind besser konditioniert, von ihrer Persönlichkeit her, in einer Rockband zu sein, zu touren, mit Managern zu verhandeln, mit dem ganzen Geschäft klar zu kommen. Andere können das nicht so.
Haben Sie Kontakt zu Ihrem Bruder?
Knopfler: Nein.
Mark Knopfler scheint heute gute Laune zu haben, trotzdem schaut er oft ernst. Jetzt schaut er streng. Ist das schon griesgrämig? Er knetet mal wieder seine Finger.
Dankbarkeit.
Knopfler: Natürlich bin ich dankbar. Jeden Tag. Ich bin ein glücklicher Kerl.
Was macht Sie glücklich?
Knopfler: Der Fakt, dass ich Dinge kreieren kann. Das bedeutet: Es gibt immer etwas, auf das ich mich freue. Wenn du dich auf den nächsten Tag freuen kannst, dann geht's dir gut.
Träume.
Knopfler: Es ist wichtig, sie am Leben zu halten. In der Kindheit, der Jugend, als Teenager – Dinge, die einen da begeistert haben, die muss man am Leben halten.
Was hat Sie begeistert?
Knopfler: Das sollte klar sein.
Jetzt zieht er die Augenbrauen nach oben.
Neben Musik.
Knopfler: Oh, ach so (er beginnt zu lächeln). Autos, Motorräder. Ich schaue gerne Gemälde an, war schon immer an Kunst interessiert. Und an Büchern. Ich war schon als Kind ein großer Leser. Bücher sind eine große Quelle des Vergnügens.
Mark Knopfler hat sich angeblich durch die Weltliteratur gelesen, vor allem durch die englische und amerikanische des 19. Jahrhunderts, und vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb er in seinen Liedern mit wenigen Worten so schön Geschichten erzählen kann. Häufig von Helden oder gefallenen Helden, oft sind es Geschichten von früher, als die Zeit noch anders war, die Menschen und ihre Leidenschaften und Probleme aber gleich.
Knopfler: Wenn Dich ein Buch packt, dann zieht es dich komplett in diese Welt. Manchmal kann das auch ein Film. Nicht sehr oft, aber manchmal erzählt eine Kamera eine Geschichte, wie nichts und niemand sonst es kann.
Ihr Lieblingsfilm?
Knopfler: Ohh . . .
Mark Knopfler senkt den Kopf. Stützt ihn mit der Hand ab. Augen verdeckt. Pause, mal wieder.
Knopfler: Vielleicht „Der Pate“. Oder „Wie ein wilder Stier“. Deswegen war es ja auch so aufregend, den Soundtrack zu „Wag the Dog“ zu schreiben. Ich habe dabei ständig Robert De Niro gesehen. Das war lustig.
Mark Knopfler hat die Musik zu sieben Filmen geschrieben, unter anderem zu „Local Hero“, „Die Braut des Prinzen“ und „Letzte Ausfahrt Brooklyn“. Er sagt, dass es viele Menschen gebe, die das besser könnten.
Bescheidenheit.
Jetzt trommelt er mit den Fingern auf dem Tisch und runzelt die Stirn. Pause.
Knopfler: Ich glaube, dass ich am besten damit fahre, meine kleinen Babysongs zu machen. Das kann ich am besten.
Mark Knopfler nimmt noch einen Schluck Kaffee. Und lächelt. Er fragt, ob man noch etwas wissen wolle. Und dann bedankt er sich für das Gespräch.