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Würzburg
Der Schöpfer von Bulle & Bär: Vor 100 Jahren wurde der große Würzburger Tierbildhauer Reinhard Dachlauer geboren
Seine beiden Plastiken vor der Frankfurter Börse sind weltberühmt. Erinnerungen und Betrachtungen zu Leben und Werk von Reinhard Dachlauer (1922-1995).
Reinhard Dachlauer bei der Arbeit: Bronze war sein bevorzugter Werkstoff, gegossen meist nach Gipsfiguren wie dieser hier.
Foto: Gerhard Mahler | Reinhard Dachlauer bei der Arbeit: Bronze war sein bevorzugter Werkstoff, gegossen meist nach Gipsfiguren wie dieser hier.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:08 Uhr

Schleicht dort Nachbars Peterle? Reinhard Dachlauers 70 Zentimeter lange Bronze von 1964 zeigt beides: Individuum und Gattung. So wie dieses Tier schleicht, lässt es uns staunen und schmunzeln – typisch Katze! Und doch ist sie ganz konzentriert auf ihr einziges Ziel – Momentaufnahme.

Die documenta III untersuchte 1964 in Kassel die Bezüge zwischen Skulptur und umgebendem Raum in ganz neuen Ansätzen. Der Bildhauer Reinhard Dachlauer, damals 42 Jahre alt, löste derweil mit jedem seiner Kunstwerke eine Aufgabe der klassischen Ästhetik: das Ineinander von Besonderem und Allgemeinem.

Nach Würzburg war der gelernte Maschinenschlosser und Tischler 1948 gezogen

Am 16. Februar 1995 starb der große Tierbildhauer an Krebs, an diesem 17. November wäre er 100 Jahre alt geworden. Seine bekanntesten Plastiken "Bulle & Bär" schuf er zum 400-Jahres-Jubiläum der Börse in seiner Geburtsstadt Frankfurt 1988. Ein Jahr später zeichnete die Stadt Würzburg ihren Wahlbürger Dachlauer mit dem Kulturpreis aus. Und wieder ein Jahr später standen riesige exotische Vögel aus der Hand des Meisters auf der Landesgartenschau, bald auch der Salamanca-Stier.

 Die Bronzeplastiken von Bulle und Bär dem Gebäude der Frankfurter Wertpapierbörse. Ihr Schöpfer ist der Würzburger Bildhauer Reinhard Dachlauer (1922-1995).
Foto: Frank Rumpenhorst, dpa |  Die Bronzeplastiken von Bulle und Bär dem Gebäude der Frankfurter Wertpapierbörse. Ihr Schöpfer ist der Würzburger Bildhauer Reinhard Dachlauer (1922-1995).

Nach Würzburg war der gelernte Maschinenschlosser und Tischler 1948 gezogen, wo er bis zu seiner vorgezogenen Verrentung einen Industriebetrieb leitete. Indes, bereits früh führten ihn die Bildhauer Fried Heuler und Julius Bausenwein in ihre Profession ein. In Holz geschnitzt hatte er schon als Junge. Jetzt konzentrierte er sich zusehends auf das Modellieren zum Zweck des Bronzegusses.

Sein Lieblingsmotiv: Tiere. Die gelangen ihm bald so überzeugend, dass seine Schöpfungen in den Zoo kamen, nach Berlin und Münster. Dabei studierte er seine pelzigen und gefiederten Modelle am liebsten in freier Wildbahn, reiste dazu nach Griechenland, Ägypten und Afrika. Auf die natürliche Haltung dieser Wesen und auf ihre Bewegungen kam es ihm an. Heinz-Georg Klös, Direktor des Berliner Zoos, schrieb in einem Dachlauer-Bildband, für ihn sei besonders reizvoll, "wenn das Kunstwerk leicht abstrahiert, das heißt auf das Wesentliche zurückgeführt ist". Und Dachlauer selbst: "Die Spannung zwischen Abstraktion und Naturwahrheit ist wohl das Hauptmerkmal meiner Arbeiten."

Dachlauer nahm jedes Tier jedes Mal als einzigartige Herausforderung an

Wie er sein Leben lang an dieser Spannung – aber auch diesem Gleichgewicht – arbeitete, das lässt sich sehr gut in dem erwähnten Buch "Reinhard Dachlauer. Leben und Werk" (Stürtz-Verlag 1991) studieren. Denn hier stehen einander oft gleiche Motive gegenüber, die Dachlauer mit vielen Jahren Abstand formte. Dachlauer nahm jedes Tier jedes Mal als einzigartige Herausforderung an, fand jedes Mal einen eigenen Abstraktionsgrad und eine eigene Individualität für seine Kreaturen.

Eine Skulptur von Reinhard Dachlauer auf dem Würzburger Gartenschau-Gelände.
Foto: Thomas Obermeier | Eine Skulptur von Reinhard Dachlauer auf dem Würzburger Gartenschau-Gelände.

Bronze war sein bevorzugter Werkstoff, gegossen meist nach Gipsfiguren in Auflagen von acht bis zwölf Stück. Nur einmal ließ er für einen Gartenmarkt einen Pinguin in 100er-Auflage fertigen, berichtet der Würzburger Galerist Gerd Michel. In den letzten zwölf Jahren hat Michel den 170 Kunstwerke umfassenden Nachlass Dachlauers an Liebhaber gebracht, übrigens weit über die Region hinaus. Derzeit, bis 20. November, stehen 70 Kleinplastiken in der Ausstellung zum 100. Geburtstag im Kunsthaus Michel, kombiniert mit Tierzeichnungen von Raoul Kaffka.

Die Exponate kamen allesamt zurück nach Würzburg, erzählt Michel: Er habe Sammler angeschrieben, ob sie Stücke beitragen – und vielleicht wieder in den Handel bringen – möchten. Sie wollten, und es zeichnet sich auch hier ein schwunghafter Handel ab. Das ist nicht selbstverständlich. Um andere profilierte regionale Künstler aus dieser Generation ist es derzeit auf dem Kunstmarkt arg still. Und auch Dachlauer scheint im Internet nicht sonderlich präsent. Aber, erklärt Galerist Michel: "Der Handel läuft weniger über das Netz als über persönliche Kontakte."

Weggefährten beschreiben Reinhard Dachlauer als sehr freundlich und gesellig.
Foto: Gerhard Mahler | Weggefährten beschreiben Reinhard Dachlauer als sehr freundlich und gesellig.

Gerd Michel lernte Reinhard Dachlauer persönlich kennen, als "sehr nett und freundlich". Und "gesellig", ergänzt Günther Vollkommer. In Vollkommers Musiklokal "Omnibus" hätten sie sich getroffen, in privater Runde und gelegentlich bei Folklorekonzerten. Mit dem Jazz im "Bus" habe es Dachlauer nicht so gehabt, dafür aber mit dem Holzschnittdrucker HAP Grieshaber. Auf die nähere Bekanntschaft mit ihm sei der Bildhauer stolz gewesen, große Bilder von ihm hingen an den hohen Wänden des Dachlauer-Studios im Frauenland, wo man oft fröhlich beisammen gewesen sei.

Bei einer dieser Geselligkeiten konnte Vollkommer Reinhard Dachlauer eine große Freude machen: Er leitete die Publikation über ihn beim Stürtz-Verlag in die Wege. Die Antiquariate halten das Buch und damit auch Leben und Werk Reinhard Dachlauers durch einen angemessenen Preis in Ehren.

Kunsthaus Michel, Semmelstraße 42, Würzburg: Zum 100. Geburtstag von Reinhard Dachlauer sind bis 20. November 70 Kleinplastiken zu sehen, kombiniert mit Tierzeichnungen von Raoul Kaffka.

 
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