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SCHWEINFURT
Der private Meister Johann Georg von Dillis
Johann Georg von Dillis: Das Schweinfurter Museum Georg Schäfer zeigt den lange Zeit vollkommen unbekannten Künstler als kühnen Experimentator und Vorwegnehmer der Moderne.
Wenn sich skizzenhafte Farbflächen zu echter Atmosphäre fügen – Johann Georg von Dillis, „Die Isar mit der Isarbrücke in München“, um 1820.
Foto: Museum Georg Schäfer | Wenn sich skizzenhafte Farbflächen zu echter Atmosphäre fügen – Johann Georg von Dillis, „Die Isar mit der Isarbrücke in München“, um 1820.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:31 Uhr

Johann Georg von Dillis war zeitlebens (und lange danach) kein bekannter, geschweige denn berühmter Künstler. Dillis, geboren 1759, gestorben 1841, war studierter Theologe, geweihter Priester, vor allem aber höchst einflussreiche Figur der bayerischen und der deutschen Kunstwelt: als Vertrauter und Berater bayerischer Kurfürsten, Kronprinzen und Könige im Amt eines „Central-Galeriedirektors“, als Professor an der neugegründeten Akademie, als Museumsmann, der für den Ankauf bedeutender Sammlungen sorgte, Ausstellungen kuratierte und die Galerien in Nürnberg, Bamberg, Würzburg und Aschaffenburg umgestaltete.

Der schlafende Bruder, 1795
Foto: MGS | Der schlafende Bruder, 1795

Die andere Seite seiner Persönlichkeit blieb weitgehend unbekannt: Dillis war ein hochbegabter, unermüdlicher, experimentierfreudiger und innovativer Zeichner und Maler, der 10 000 Arbeiten hinterließ, die meisten davon heute im Münchner Lenbachhaus. Rund 100 Bilder – überwiegend Zeichnungen, aber auch einige Ölgemälde – besitzt die Schweinfurter Sammlung Georg Schäfer – der Sammler Georg Schäfer (1896–1975) gehörte ab den 1950er Jahren zu den (Wieder-)Entdeckern der Kunst des Johann Georg von Dillis. Er förderte überdies die wissenschaftliche Forschung zum Phänomen Dillis, dessen umfangreiches Werk fast nur aus privatem Antrieb entstand und deshalb nie ein größeres Publikum fand.

Heute gilt Dillis (1808 geadelt) als Pionier der Freilichtmalerei und der Landschaftskunst.

Erstmals setzt das Museum seinen Dillis-Bestand monografisch in Szene

Mit der Ausstellung „Die Kunst selbst ist Natur“ setzt das Museum Georg Schäfer ab Sonntag, 22. Januar, Johann Georg von Dillis erstmals monografisch in Szene. Kuratorin Karin Rhein zeichnet in den vier Räumen des Grafik-Trakts beinahe so etwas wie ein Charakterbild des Künstlers. Dessen Porträt zeigt einen wohl eher hageren Mann mit blassem Gesicht und hoher Stirn, dessen stechender Blick dennoch nach innen gerichtet scheint.

Dillis war das zweite von elf Kindern des kurfürstlichen Försters Wolfgang Dillis. Sein Firmpate war Kurfürst Maximilian III. Joseph, weswegen der junge Johann Georg die Jesuitenschule in München besuchen konnte, wo er Zeichenunterricht bekam.

Fotoserie

Zeichnen blieb seine Leidenschaft. Die Skizzenbücher seiner vielen Reisen, allein elf führten ihn nach Italien, sind bildhafte Chroniken von Ländern und Leuten, nicht selten mit einem Hauch Humor, etwa, wenn Dillis die auf Maultieren sitzenden Reisegefährten von hinten skizziert. Die leicht gezackten Linien, die die Maultier-Beine darstellen, deuten daraufhin, dass der Künstler selbst in Bewegung war – im Sattel oder in einer Sänfte.

Linie und Fläche finden nur widerwillig zusammen: „Wasserfall im Gebirge“.MGS
Foto: Foto: | Linie und Fläche finden nur widerwillig zusammen: „Wasserfall im Gebirge“.MGS

Die auffällig schlicht, ja nüchtern gestaltete Ausstellung verzichtet etwa auf farbige Wände und lenkt so den Blick zwangsläufig auf die meist kleinformatigen Werke. Die Porträts von Dillis' Vater und Brüdern (einen davon schlafend) etwa, oder die immer achtungsvollen Studien von Bettlern und Bedürftigen, die den Zeichner in seiner Fähigkeit, individuelle Charakterzüge einzufangen, als „Kind der Aufklärung“ (Rhein) ausweisen.

Doch Dillis' große Stärke ist die Landschaft. Er kann auch idealisiert a la Lorrain, wenn er will, wie das Gemälde „Römische Herbstlandschaft“ von 1821 zeigt, eine von ganz wenigen Auftragsarbeiten.

Kuratorin Karin Rhein
Foto: Anand Anders | Kuratorin Karin Rhein

Viel mehr aber interessiert ihn die Wiedergabe echter Atmosphäre in der Natur, die er auch künstlerisch zu bewahren trachtet. Die Ölstudie von Tivoli um 1830 könnte mit ihrem grob angedeuteten Vordergrund aus Büschen und Felsen, den kubischen, magisch erleuchteten Häusern des Ortes beinahe als früher Cézanne durchgehen.

Alles ist in Bewegung, nichts wirkt statisch oder eingefroren

„Alles ist in Bewegung“, sagt Karin Rhein, „nichts wirkt statisch oder eingefroren. Immer wieder muss der Betrachter sich klarmachen, wie früh diese Arbeiten entstanden sind. Lange vor Corot, Blechen oder Caspar David Friedrich studiert und zeichnet Dillis Wolkenformationen – vorzugsweise auf farbigem Papier, womit er spektakuläre Effekte erzielt. „Man kann sich richtig vorstellen, wie er am Fenster seines Büros in den Hofgarten-Arkaden in den Himmel geschaut hat“, sagt Karin Rhein.

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Der freie Pinselstrich auf den Ölgemälden verblüfft immer wieder – die „Partie im Englischen Garten“ von 1820 hätte wohl auch Monet gefallen. Aber die wahren Kühnheiten gibt es in den Zeichnungen zu entdecken. Der „Wasserfall im Gebirge“ etwa, entstanden bereits um 1795, zerfällt aus der Nähe betrachtet in eine abstrakte, ziemlich harte, ziemlich wilde Schichtung von Braun- und Grautönen. Linie und Fläche finden hier nur noch widerwillig zusammen. Tritt man zwei, drei Schritte zurück, setzen sich die Formen zu einer ebenso dramatischen wie stimmungsvollen Waldszene zusammen.

„Die Kunst selbst ist Natur – Johann Georg von Dillis (1759–1841)“, Museum Georg Schäfer. Schweinfurt, 22. Januar bis 23. April. Di.-So. 10-17 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Zur Ausstellung erscheint ein Bestandskatalog.

 
 
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