Wer ihn nicht von der Bühne oder von seinen unzähligen Plattenaufnahmen her kennt, wird Neil Diamond vielleicht im Kino begegnet sein: Ein gutes Dutzend Filme wurde vom Glanz einiger seiner berühmtesten Songs geadelt. Darunter „Girl, you'll be a Woman soon“ in Quentin Tarantinos Kultfilm „Pulp Fiction“, „Love on the Rocks” in Donnie Brasco mit Al Pacino und Johnny Depp sowie „I'm a Believer“ im Animations-Klassiker Shrek. Angereichert vom Besten aus Rock, Pop und Countrymusik, schwungvoll und melodiös, sorgen sie immer auch für einen ein Hauch von schwelgerischer Sehnsucht und Romantik – und für den Zuspruch eines breiten Publikums.
Neil Leslie Diamond wurde am 24. Januar 1941 in New York geboren. Seine Eltern waren polnisch-russisch-jüdische Einwanderer, die in Brooklyn ein Ladengeschäft betrieben. An seinem 16. Geburtstag bekam Neil eine Gitarre geschenkt, die seither sein Geschick bestimmen sollte. Denn er hörte lieber Songs von Pete Seeger und sang im Chor seiner Highschool, als im Geschäft seines Vaters auszuhelfen.
In einem Interview räumt Diamond mit der gerne kolportierten Legende auf, er habe dort mit seiner Klassenkameradin Barbra Streisand Duette intoniert: „Wir sangen zwei Jahre im selben Chor und haben uns nie getroffen!“ Was die beiden nicht daran hinderte, später andere musikalische Verbindungen zu knüpfen.
Es dauerte nicht lange, und der junge Neil komponierte eigene Songs auf der Gitarre. Die Studienzeit an der New York University blieb ein kurzes Intermezzo. Denn statt seinem ursprünglichen Plan zu folgen – er wollte eigentlich Arzt werden, um tödliche Krankheiten zu bekämpfen – war Neil Diamond schon damals unrettbar an die Musik verloren. Also mietete er Anfang der 60er Jahre ein kleines Büro in einem New Yorker Jazz-Club und machte sich als Songschreiber selbstständig – zunächst für andere Künstler, mit kleinem Honorar und mit nur mäßigem Erfolg. Als er jedoch der 60er-Casting-Band The Monkees seinen Song „I'm a Believer“ überließ, startete mit deren Erfolg auch Diamonds eigene Weltkarriere.
Viele berühmte Kollegen
Fortan gingen Showgrößen wie Frank Sinatra, Roy Orbison, Harry Belafonte und Shirley Bassey nicht von der Bühne, ohne ihre Version der Diamond-Hits zum Besten gegeben zu haben. Auch Elvis Presley und Johnny Cash sagen Lieder von Neil Diamond – darunter ist Cashs herzzerreißende Interpretation von „Solitary Man“, Diamonds erstem eigenen Hit als Sänger im Jahre 1966.
Bis heute freut sich der Komponist über den Zuspruch seiner berühmten Kollegen: „Frank Sinatras Version von ,Sweet Caroline' war ebenfalls unglaublich toll. Solche Künstler fügen durch ihre Interpretation deiner Musik etwas zu, an das du nicht mal gedacht hast, als du den Song geschrieben hast. Es liefert dir eine neue Perspektive – mal abgesehen von dem Stolz, den du empfindest, wenn ein großartiger Künstler einen Song von dir performt.“
Diamond erklomm auch als Sänger mit Gitarre unaufhaltsam den Pop-Olymp: Mit „Cracklin? Rosie“ gelang ihm sein erster Nummer-1-Hit, „I am . . . I said“ erreichte 1971 die Top 5 in England und den USA, wo er 1972 zudem mit dem „Song sung blue“ in den Charts erfolgreich war. Auch die Deutschen liebten und lieben Neil Diamond: 1972 wurde er von der Jugendzeitschrift „BRAVO“ mit dem bronzenen Otto geehrt; sein 1976 erschienenes, von The-Band-Mitglied Robbie Robertson produziertes und erfolgreichstes Album („Beautiful Noise“) erreichte 1977 in Deutschland die Spitze der Albumcharts. Der Künstler 2014 über sein Verhältnis zu Good Old Germany: „Ich fing in den späten Sechzigern an, in Deutschland zu touren, und es war großartig. Das ist es immer noch.“
Auf Neil Diamonds Songs können sich Musikfans aller Couleur einigen. Sein Welthit „Sweet Caroline“ aus dem Jahr 1969 erklang bei Caroline von Monacos erster Hochzeit genauso, wie er Tag ein, Tag aus auf dem Münchner Oktoberfest gespielt wird. Dazu der Sänger diplomatisch: „Die einen trinken dazu, die anderen haben ihn zur Hymne ihres Sportvereins auserkoren. Ich liebe das alles.“
Dabei hat er seinen erfolgreichsten Song gar nicht selbst komponiert: Mit „He ain't heavy . . . He's my Brother“ hatten vor ihm bereits die Hollies einen Welthit. 1977 coverte Barbra Streisand den Diamond-Song „I'm glad you're here with me tonight“, worauf ein findiger DJ beide Versionen zu einem neuen Song verschmolz. Das von Diamond und Streisand in der Folge neu aufgenommene Duett wurde begeistert aufgenommen.
Als ein weiteres Highlight seiner Karriere kann die Zusammenarbeit mit Star-Produzent Rick Rubin angesehen werden, der auch die sechs letzten, grandiosen Studioalben Johnny Cashs betreute: Diamonds LPs „12 Songs“ und „Home Before Dark“ erschienen 2005 und 2008. Mit zahlreichen weltweiten Tourneen festigte Neil Diamond seinen Ruf als erfolgreicher Entertainer. Er reüssierte sowohl in großen Hallen als auch in der Club-Atmosphäre von Las Vegas: Im Showpalast des „Madison Square Gardens“ stellte er 2008 mit acht ausverkaufte Konzerten einen neuen Rekord auf.
Vielleicht hat sein Erfolg auch damit zu tun, dass sich der New Yorker den Moden des Musikgeschäfts stets wiedersetzte und seinem Stil treu blieb, was fast zum Bruch mit seiner Plattenfirma geführt hätte. Tatsache ist: Die Fans lieben ihn nach wie vor – und begrüßen ihn wie eh und je mit einem Kreischkonzert, wenn er die Bühne betritt.
Diamond hat bis heute über 125 Millionen Platten verkauft. Damit gilt der vierfache Vater als einer der erfolgreichsten und einflussreichsten Musiker des Pop überhaupt. Am 14. März 2011 wurde Neil Diamond in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen; am 10. August 2012 erhielt er einen Stern der Kategorie Musikaufnahmen auf dem Hollywood Walk of Fame.
Jetzt wird der erklärte Frauenschwarm stolze 75 Jahre alt – und zieht eine durchweg positive Bilanz seines Lebens: „Ich bin heute ein besserer Mensch. Und ich bin heute ein besserer Songschreiber. Manche Songschreiber brauchen die dunklen Momente, um zu schreiben. Aber ich denke, es ist besser, wenn man auf der positiven, freudvollen Seite steht.“