
Patrice Chéreau galt schon früh als Wunderkind der französischen Kulturszene. Mit 22 war er Theaterleiter und als knapp 32-Jähriger sorgte er mit seiner „Ring“-Inszenierung in Bayreuth für ein kulturelles Jahrhundertereignis. Auch als Cineast setzte er Maßstäbe und ging mit Werken wie „Die Bartholomäusnacht“ und dem Berlinale-Gewinner „Intimacy“ in die Annalen der Filmgeschichte ein.
Dennoch zweifelte der Franzose an seinen Qualitäten: „Ich habe nie das Gefühl, dass das, was ich mache, geglückt ist“, sagte Chéreau einst. Nun ist der Regisseur am Montag im Alter von 68 Jahren in Paris an Lungenkrebs gestorben.
„Es gibt viele Dinge, die ich gerne gemacht hätte und die ich niemals machen werde, wie Musiker sein, Choreograf oder Schriftsteller“, gestand der Franzose. „Da ich all das nicht kann, benutze ich die Musik der anderen, die Choreografien der anderen und die Romane, die ich niemals schreiben werde.“
Chéreaus Karriere erstreckte sich über vier Jahrzehnte: Im Alter von 15 Jahren wirkte er in einem Amateurtheater in Paris, nur vier Jahre später inszenierte er seine erste Oper. Seinen internationalen Durchbruch schaffte er einige Zeit später mit seinem „Ring des Nibelungen“ zum 100-jährigen Bestehen der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth 1976. Seine moderne Inszenierung zeigte Götter als gewöhnliche Menschen und die Rheintöchter als aufreizende Dirnen – ein Skandal, die Premierengäste tobten. Doch vier Jahre später wurde Chéreaus „Ring“ stürmisch bejubelt: Es gab bis heute nicht überbotene 90 Minuten Ovationen.
Trotz seiner Krankheit, gegen die er seit zwei Jahren kämpfte, arbeitete der Künstler lange weiter. Im Juli wurde er auf dem Festival im südfranzösischen Aix-en-Provence für seine Neuinszenierung der „Elektra“ von Richard Strauss gefeiert.
Als Filmregisseur schaffte Chéreau seinen Durchbruch 1975 mit dem Krimi „Das Fleisch der Orchidee“, dessen Drehbuch er auch schrieb. Zu seinen größten Leinwanderfolgen gehört aber „Die Bartholomäusnacht“ mit Isabelle Adjani in der Hauptrolle. In seinen Inszenierungen überschritt Chéreau immer wieder Grenzen, Normen und Denkmuster. Seine Bilder waren oft düster, von radikalem Pessimismus geprägt – sie spiegelten das Wesen des Regisseurs wider: Er hasse Sentimentalitäten und glaube nicht, dass man glücklich sein könne, sagte er.