John Cleese ist vielleicht der Mensch auf der Erde, der auf die meisten Arten lustig sein kann. Und nicht nur das. John Cleese ist so etwas wie ein lebendes Paradoxon. Dieser lange Lulatsch, der bei Monty Python noch in der abstrusesten Maske immer sofort als John Cleese erkennbar war, scheint gar nicht aus fester Materie zu bestehen. Sondern aus irgendeiner formbaren Masse, die es ihm gestattet, binnen Zehntelsekunden so gut wie jede Form menschlicher Durchgeknalltheit anzunehmen. Und deren gibt es viele.
Wenn er als Sachbearbeiter im Ministerium für alberne Gänge in vielleicht 30 Sekunden ebenso viele alberne Gangarten vorführt. Oder als angestaubter Anwalt in „Ein Fisch namens Wanda“ russisch schwadronierend plötzlich zum Sexlöwen mutiert. Oder als total bescheuerter Ritter Lancelot in „Die Ritter der Kokosnuss“ eine gesamte Burgbewohnerschaft niedermetzelt, auf der Suche nach der zu rettenden Jungfrau.
In der Ausgangsposition ist John Cleese immer der etwas verklemmt wirkende Engländer, wenige Augenblicke später ist er irgendetwas sehr, sehr lustiges anderes.
In der Sitcom „Fawlty Towers“, von der Cleese nach seinem Ausstieg bei Monty Python zusammen mit seiner damaligen Frau Connie Booth in den Jahren 1975 und 1979 zweimal sechs Folgen geschrieben und gespielt hat, beschränkt er sich auf eine – auf den ersten Blick – übersichtliche Rolle: Basil Fawlty, cholerischer Besitzer eines eher schäbigen Hotels im Küstenort Torquey. Angeblich gab es für die Figur eine sehr reale Vorlage, die Cleese und Booth selbst als Gäste erleben durften. Ein Geizhals, Rechthaber, Speichellecker, Pantoffelheld und Faulpelz, der vor allem eines hasst: Hotelgäste. Was ja allein schon eine ziemlich unglückliche Konstellation ist. Aber John Cleese macht aus diesem Basil Fawlty so etwas wie ein Monument menschlicher Unzulänglichkeit. In immer neuen Facetten zeigt er einen Überforderten, dem immer nur ein Ausweg aus den Schwierigkeiten einfällt, in die er sich ohne Not selbst bringt: die Lüge. Die natürlich immer auffliegt, und die natürlich immer direkt in die größte denkbare Katastrophe führt. Das ist atemberaubend rasant inszeniert und mit einer ganz eigenen Mischung aus Slapstick und Wortwitz höchst vergnüglich.
Die 30 Minuten pro Folge reichen vollkommen aus, um alles in ein unentwirrbares Chaos zu stürzen. Da ist zum Beispiel Fawltys Bewunderung für Titel aller Art. Um einem vorgeblichen Lord (der sich als Hochstapler entpuppen wird) den besten Tisch im Speisesaal geben zu können, verscheucht er mitten in der Mahlzeit eine ganze Familie. Und als einmal ein Psychiater-Ehepaar eincheckt (dessen Doktortitel ihn maßlos beeindrucken), steigert er sich so in den Gedanken hinein, dass Psychiater immer nur über Sex reden wollen, dass die Konversation höchst skurrile Wendungen nimmt.
Einmal serviert Fawlty, ständig in kaum zu bändigender Wut über die immer neuen Extrawünsche seiner Gäste (zum Beispiel ein Zimmer, in dem keine ohnmächtigen Menschen im Schrank liegen), einem toten Gast Frühstück im Bett. Der Mann war in der Nacht zuvor gestorben, Fawlty, völlig absorbiert von seinem Groll, bemerkt es nicht. Als es herauskommt, glaubt Fawlty, der offenbar schlechtgewordene Frühstücks-Bückling, den er ihm serviert hatte, habe den Mann umgebracht, und er versucht panisch, das vermeintliche Beweisstück verschwinden zu lassen. Seine Frau Sybil (Prunella Scales) lässt ihn gnadenlos hängen: „Basil, du hast da einen Bückling im Pullover.“
Basil steht hoffnungslos unter Sybils Fuchtel, deren ruhiger Autorität er sich mit kindischem Trotz zu entziehen versucht. Etwa, indem er auf Pferde wettet. Er gewinnt, muss den Gewinn dann aber vor seiner Frau verheimlichen. Das Zimmermädchen Polly (Connie Booth) muss also behaupten, sie habe das Geld gewonnen. Sybil, die den Schwindel längst durchschaut hat, will wissen, wie denn das Siegerpferd hieß. Worauf es zu einer der komischsten Szenen bei „Fawlty Towers“ überhaupt kommt: Hinter Sybils Rücken versucht Basil Polly pantomimisch den Namen des Pferds („Dragonfly“, Libelle) zu übermitteln.
Und dann ist da noch Manuel (Andrew Sachs), der spanische Kellner, der weder englisch noch kellnern kann. Der grundsätzlich die absurdeste Form des Missverstehens wählt, um eine Anweisung auszuführen. Der vor allem aber alles ausbaden muss, was Basil verbockt hat. Basil dreht sich dann mit kriecherisch-überlegenem Lächeln zu den Gästen und sagt „Er ist aus Barcelona“, als reiche das schon als Erklärung. Nach den Jahren als Ensemblemitglied von Monty Python tobt sich John Cleese in „Fawlty Towers“ in aberwitziger Hochform aus. Das Resultat ist in Großbritannien ein legendärer Klassiker, die Serie läuft nahezu pausenlos in der BBC. In Deutschland ist sie nicht ganz so bekannt, vielleicht, weil der englische Sprachwitz eine große Rolle spielt. Fans hat sie allerdings auch hierzulande jede Menge, wie die YouTube-Aufrufe zeigen.