Gegründet wurde Deep Purple im April 1968. Die englische Band – bekanntester Hit: „Smoke on the Water“ – zählt zu den einflussreichsten Vertretern des Hard Rock. Das jetzt erschienene „inFinite“ ist das 20. Album der Gruppe. Und die nun schon älteren Herren sind auch noch mobil – noch bis zum 14. Juni touren sie durch Deutschland. Schlagzeuger Ian Paice (68) war von Anfang an bei der Band dabei. Bassist Roger Glover (71) stieß ein Jahr nach der Gründung von Deep Purple dazu. Ein Gespräch mit Paice und Glover über das Älterwerden, die goldene Ära des Rock und die Schwierigkeit, einen Schlussstrich zu ziehen.
Ian Paice: Es hat was mit der Langlebigkeit der Band zu tun. Nächstes Jahr ist es 50 Jahre her, dass die Band gegründet wurde. Dann gibt es die Auffassung, dass Musik an sich unsterblich, also auch unendlich ist. Aber jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Auch in Bezug auf das Cover: Was macht das Schiff im Eis? Bricht es das Eis durch, stoppt es, fährt es rückwärts? Es liegt an Ihnen selbst, was als Nächstes passiert. Es ist absichtlich vieldeutig.
Paice: Wir versuchen damit auch, die Aufmerksamkeit auf das Album zu lenken. Die Musik ist eine Sache. Aber du musst die Leute erst einmal dahin bringen, sie zu hören. Und wenn das nicht über Top-40-Radioairplay geschieht – das machen wir nicht, das bekommen wir nicht –, dann über das Cover. Das ist das Erste, was die Leute im Regal sehen.
Roger Glover: Ahhh . . . Plattenregale, Plattenläden. Wie nostalgisch.
Glover: Ich erinnere mich an ein Interview vor 30, 35 Jahren, bei dem jemand sagte: „Es ist doch an der Zeit aufzuhören.“ Ich fragte ihn: „Warum sagen Sie das?“, und er meinte: „Macht Platz für jemand anderen.“ Aber wir nehmen niemandem den Platz weg. Das ist unser Platz.
Glover: Das ist ziemlich schwer zu analysieren. Und ein bisschen gefährlich, weil es ja falsch sein könnte. Aber meiner Meinung nach umgibt uns eine gewisse Art der Ehrlichkeit, die viele Leute reizt. Wir sind kein Trick, kein Kabarett, keine Modeerscheinung, die wieder verschwinden wird. Wir sind fünf arbeitende Musiker, die ehrlich miteinander und mit ihrer Musik sind. Keine Overdubs, kein Schnickschnack. Das war von Anfang an unser Plan.
Glover: Wir sind ein Anachronismus. Eine Zeit lang hat das keine Rolle gespielt. Aber jetzt, da es nur noch wenige Bands wie uns gibt, sind wir wie eine Art Museumsgegenstand, den viele sich anschauen wollen, solange er noch existiert.
Paice: Wir entstammen einer Generation von Musikern, bei der es nicht ausreichte, „okay“ zu sein. Es gab so viel Wettbewerb, so viele großartige Leute, in allen Disziplinen. Heutzutage besteht die Notwendigkeit, verdammt gut zu sein, in dieser Form nicht mehr. Und somit sinkt die Anzahl an brillanten Musikern. Fragen Sie mich nach einem neuen Jeff Beck, Ritchie Blackmore, Eric Clapton oder Jimmy Page! Ich kann Ihnen keinen nennen.
Glover: In der Musik der 60er und 70er passierte etwas ganz Bestimmtes. Es war der Zeitpunkt, an dem die Tiere den Zoo übernahmen.
Paice: Die Musiker kontrollierten die gesamte Industrie. Die Industrie war so clever, sie einfach machen zu lassen. Und sie verdiente damit eine Menge Geld.
Glover: Wissen Sie, wir haben Gigs mit jungen Bands gespielt, die uns noch nie zuvor gesehen hatten. Sie standen am Rande der Bühne – fasziniert, baff. Weil sie solch ein musikalisches Können noch nie zuvor gesehen hatten. Sie haben ihre drei oder vier Akkorde, sie haben ihre Jugend, ihren Zorn, ihre Aufgeregtheit. Aber sie haben die Finesse nicht. Und das sind teilweise Bands, die größer sind als wir.
Paice: Und wissen Sie was? Sie lernen. Sie verfolgen genau, was da auf der Bühne passiert. „Wie machen die dieses und jenes?“ Manchmal erzählen wir es Ihnen, manchmal nicht.
Glover: Was ich auch lernte war: Du kannst Musik auf jede erdenkliche Weise über alles Mögliche schreiben. Du bist völlig frei. Heutzutage ist das alles wieder viel enger gestrickt. Es muss um eine Beziehungssache gehen, es muss eine gute Hookline geben, und so weiter. Aber das ist Popmusik. Pop und Rock sind zwei verschiedene Dinge. Popmusik ist ihrer Natur nach kurzlebig. Rockmusik ist ein lebenslanges, ernstes Ding.
Glover: Ja. Sie dürfen nicht vergessen: Wir waren alle schon vor Deep Purple in Bands. Wir haben unser Pflichtprogramm erfüllt. Die britische Autobahn rauf und runter, in Lieferwagen quer durch Europa, mit Männertoiletten als Umkleiden und Bühnen, die so groß wie dieser Tisch hier waren. Das haben wir alle durchgemacht.
Glover: Woher wissen die das? Wir wissen es ja nicht einmal.
Paice: Nein, das könnte schon stimmen. Oder doch nicht? Sicher ist: Der Tag wird kommen. Vielleicht in eineinhalb Jahren, vielleicht in drei. Aber ich habe das Gefühl, dass dies wahrscheinlich die letzte große Welttournee wird.
Paice: Es kommt aber der Punkt, an dem du das unabwendbare Vorbeiziehen der Jahre akzeptieren musst. Wir alle sind uns dessen bewusst, aber keiner ist mutig genug, es auszusprechen. Es ist eine schwere Entscheidung, nach 50 Jahren die Tür zu schließen und zu sagen: „Das war es, dies ist das Ende.“ Selbst wenn du weißt, dass dies in nicht allzu ferner Zukunft der Fall sein wird.
Paice: „Smoke on the Water“ oder „Highway Star“. Zwei wundervolle Statements über die Band.