Das Erste, was David Hockney nach dem Aufwachen sah, war seine Handschrift: „STEH AUF UND ARBEITE SOFORT“, forderte er sich in Großbuchstaben auf, wie Wegbegleiter verrieten. Die Botschaft hatte der junge Künstler auf eine Kommode gemalt, die am Ende seines Betts in der kleinen Londoner Wohnung stand. Es war Anfang der 60er Jahre und Hockney hatte gerade erst sein Studium am Royal College of Art abgeschlossen. „Ich las nicht nur jeden Morgen diesen Hinweis, sondern erinnerte mich auch daran, dass ich zwei Stunden damit verschwendet hatte, es aufzumalen, also sprang ich aus dem Bett“, sagte Hockney einmal.
Heute gehört er zu den erfolgreichsten und wichtigsten Künstlern. Und auch wenn die Kommode wohl längst ausgetauscht wurde, arbeitet Hockney bis heute jeden Tag. Am 9. Juli wird der Maler, Zeichner, Fotograf und iPad-Künstler 80 Jahre alt. Schon jetzt widmet ihm die Tate Britain eine 60 Jahre umfassende Retrospektive. Das Londoner Museum hat mit der größten Hockney-Schau, die es je gab, einen wahren Hype ausgelöst.
Der Gang durch die zwölf Ausstellungsräume ist eine Reise sowohl durch sein Leben als auch seine Gefühlswelt – eine, die vor allem von Lebensfreude und Optimismus geprägt ist. Die Besucher verlassen die Ausstellung fast beschwingt vom Farbenrausch und werden gefangen von der guten Laune, die die Bilder ausstrahlen. Insbesondere vor den großflächigen Leinwänden halten zahlreiche Betrachter inne, lächeln ob der vibrierenden Farben und der leicht zugänglichen Szenen. Trotz des vielseitigen Werks ist Hockney der Mann mit den Swimmingpools. Mit ihrer Darstellung, dem leuchtend blauen Wasser, der Bewegungen auf dessen Oberfläche, die er so markant als Schlangenlinien abbildet wie kein anderer, wurde David Hockney bekannt. Dabei könnte der Lebensstil Südkaliforniens kaum weiter entfernt sein von jenem in seiner Heimat: Der Brite stammt aus einer Gegend im nordenglischen Yorkshire, wo verwechselbare Reihenhäuser aus grau-braunem Backstein die Straßenzüge prägen.
In seiner Fantasie war er aber schon in jungen Jahren Weltbürger. Während und nach seinem Kunststudium in London in den Swinging Sixties experimentierte der junge Hockney auf der Suche nach seinem Stil mit Malerei und unterschiedlichen Motiven, wie die Ausstellung nahelegt. In seiner Kunst zeigt sich die Entwicklung vom jungen schwulen Mann, den in der verklemmten Gesellschaft Großbritanniens viele Themen umtrieben, hin zum Swimmingpool-Paradies. „Es wirkt wie ein erfolgreicher politischer Akt als auch eine persönliche Befreiung“, schreibt der „Guardian“ über den Schritt des Auswanderns.
Denn erst, als er in sein „gelobtes Land“, in die USA zog, schaffte er in den 60er und 70er Jahren den internationalen Durchbruch mit seiner realistischen Malerei. Als „sexy“ stellte er sich Los Angeles vor, da war er noch nicht einmal angekommen. Sein noch in London geschaffenes Werk „Domestic Scene“, in dem ein Mann mit nacktem Po, Schürze und Tennissocken einem anderen während der Dusche den Rücken einseift, drückte seine Erwartungen an sein künftiges Zuhause aus. Sie wurden erfüllt.
Der junge Hockney mit den blondierten Haaren und den auffallenden Brillen liebte die kalifornische Sonne, die offenen Räume, den ewigen Sommer, die manikürten Rasenflächen, die sexuelle Ausgelassenheit zu einer Zeit, als Homosexualität in Großbritannien noch unter Strafe stand.
In der Ausstellung springen den Betrachter die Lebenslust und der Spaß von den großflächigen Leinwänden fast an. „A Bigger Splash“ heißt das berühmteste Gemälde, und obwohl außer Himmel, Bungalow, Palmen und Schwimmbecken nur das spritzende Wasser zu sehen ist, das verrät, dass ein Badegast soeben vom Sprungbrett gehüpft ist, wirkt dieser eingefangene perfekte Moment geradezu magisch anziehend. Hollywood-Glamour präsentiert sich auch in den Paarbildnissen. Und noch viel mehr: Zahlreiche Freunde und Mäzene hat der überzeugte Kettenraucher auf hintersinnige Weise abgebildet, wie etwa die Intellektuellen Christopher Isherwood und Don Bachardy, die Anfang der 60er Jahre als erstes offen schwules Paar in den Hollywood Hills lebten. Es war sein erstes Doppelporträt in Acryl, viele weitere sollten folgen.
„Bei Hockneys Kunst geht es ums genaue Hinschauen und darum, alles zu feiern, was Leben bedeutet“, sagt Kurator Chris Stephens. Tatsächlich erkundet, fotografiert, skizziert und malt der Künstler unermüdlich seine Umwelt und beobachtet die Menschen um ihn herum. Hockney finde Schönheit im Alltäglichen, so Stephens., aber: „Die Tatsache, dass die Bilder visuell vergnüglich sind, heißt nicht, dass sie oberflächlich sind.“
Irgendwann war dem Pop-Art-Star das Sonnenbad in Kalifornien genug. Er kehrte für eine Weile zurück nach Europa und verbrachte auch Zeit in seiner Heimat Yorkshire. In seiner Kunst nahm er das schöne Wetter mit nach Großbritannien. Denn viele der menschenleeren Wald- und Landschaftspanoramen bestechen durch die Spannung ihrer leuchtenden Farben sowie durch den Horizont, der Offenheit illustriert und gefühlt in die Freiheit führt.
Die Ausstellung ist bis 29. Mai zu sehen