Am erschreckendsten aber wirkte das Gesicht des Pharao, dieses übertrieben lange Gesicht mit den schiefen Brauen, den abstehenden Backenknochen und dem geheimnisvollen Lächeln eines Träumers und Lästerers um die wulstigen Lippen.“ Der Arzt Sinuhe steht in Karnak. 40 kolossale Statuen von Pharao Echnaton überragen ihn. Diese Art Kunst, überzeichnet bis zur Karikatur, ist Sinuhe nicht gewohnt. Kein Wunder, dass in seinem Inneren alles „zitterte und bebte“. Der verschreckte ägyptische Arzt ist eine Erfindung des Schriftstellers Mika Waltari. Die Statuen aber sind Wirklichkeit. Denn der Finne hat für seinen Roman „Sinuhe der Ägypter“ (1945) gut recherchiert. So wie Sinuhe könnte ein Zeitgenosse von Echnaton (er herrschte in der Mitte des 14. Jahrhunderts vor Christus etwa 17 Jahre lang) auf die neue Kunst reagiert haben. Wer hinabsteigt in die Tiefe des soeben eröffneten Museums ägyptischer Kunst in München (siehe Kasten rechts) erlebt den harten Umbruch in der Kunst. Das Fragment des Gesichts einer Echnaton-Skulptur, es stammt von einer der 40 Statuen, die Waltari beschreibt, blickt ihn von einer Stele herab an: Die dicke, hängende Unterlippe, die stumpfe Nase wirken so ganz anders als die idealisierten, ebenmäßigen Gesichter, wie sie die Kunst des alten Ägypten über 1500 Jahre lang beherrschten.
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