Unübersichtlich, dieses 19. Jahrhundert – politisch wie kulturell. All die Kriege, Umbrüche und Restaurationen zwischen französischer und industrieller Revolution wirken sich direkt auf die Kunst aus. Mit dem Bedeutungsverlust der Kirche als Auftraggeberin und inhaltlicher Instanz entsteht ein freier Markt, in dem nicht zuletzt das zu Geld und Status kommende Bürgertum den Ton angibt.
Neben den Fürsten- und Adelshäusern, die weiterhin Porträts und Schlachtengemälde ordern, müssen sich die Maler des 19. Jahrhunderts neue Kundenkreise erschließen. Und werden so wiederum zu Chronisten bewegter Zeiten. Irgendwann zählt nicht mehr, wer die Gunst dieses oder jenes (Kirchen-)fürsten erringt, sondern wer auf den Weltausstellungen oder den großen internationalen Schauen ausstellen darf. Plötzlich wirken Einflüsse und Ideen in alle Richtungen, was wiederum bei manchen die Sehnsucht nach nationaler, „dem Wesen nach deutscher Kunst“ weckt.
In einer Liga mit Alter Nationalgalerie in Berlin und Neuer Pinakothek in München
Das Museum Georg Schäfer (MGS) in Schweinfurt kann diese bewegten Zeiten in Deutschland bebildern wie sonst nur Alte Nationalgalerie in Berlin oder Neue Pinakothek in München. Jedenfalls nennt Wolf Eiermann, seit zwei Jahren Leiter des Museums, diese beiden Häuser als einzig würdige Bezugsgrößen.
Der Bestand aus 1000 Gemälden umfasst alle Stilrichtungen und Strömungen zwischen 1760 und 1930, und wenn sich in der Präsentation stilistische oder inhaltliche Lücken ergäben, so habe das ausschließlich Platzgründe, sagt Eiermann: „Die Sammlung hat eine unglaubliche Qualität. Deshalb besteht bei uns das Depot ebenfalls aus Meisterwerken.“ Ein gutes Viertel dieses Bestands war seit dem Jahr 2000 mit 260 Gemälden auf Ebene 3 ausgestellt, nun ist es Zeit für eine Neupräsentation – eröffnet wird sie am 23. September, dem 17. Jahrestag der Eröffnung des MGS.
Jens Christian Jensen (1928-2013), viele Jahre Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Sammlung Georg Schäfer, hatte für diese erste Gesamtschau eine Mischung aus thematischer und stilistischer Systematik gewählt und etwa Räume mit Überschriften wie „Das große Galeriebild im 19. Jahrhundert“ oder „Zwischen Biedermeier und Realismus“ geschaffen.
Eiermann will nun weitgehend weg von inhaltlichen Zuordnungen und bietet erstmals einen im Wesentlichen chronologischen Rundgang an, der mit dem Klassizismus beginnt und mit dem Impressionismus – genauer: mit Max Liebermann – endet. Das Problem: „Ausgerechnet im 19. Jahrhundert, das überhaupt erst die Stilgeschichte entwickelt hat, knirscht es bei den Zuordnungen.“
Das heißt: Das 19. Jahrhundert lässt sich nicht einfach linear erzählen, dazu gibt es zu viele Parallelströmungen, Überschneidungen, Widersprüche. Oft existieren Bewegung und Gegenbewegung – etwa Klassizismus und Nazarener – jahrzehntelang nebeneinander. Und dann sind da noch die Ausnahmekünstler, Dillis oder Böcklin zum Beispiel, die ihrer Zeit weit voraus sind und nirgends so richtig dazugehören. Eiermann beschreibt das Erlebnis für den Rundgänger so: „Es wird ein Strom aus Chronologie und Stilgeschichte, aber unser Boot kommt an Klippen und Stromschnellen, und die wollen wir dem Besucher nicht verschweigen.“
Bis auf zwei Räume hat Wolf Eiermann den neuen Rundgang fertig – die Wände sind neu gestrichen, nur das helle Grau für Spitzweg wirkt einfach zu nüchtern. Und das erstaunlich leuchtstarke Rot für Leibl und seinen Umkreis geht auch nicht: „Da haben wir uns vertan, das muss neu gemacht werden.“ Die Wandfarben holt sich Eiermann oft aus den Bildern selbst. Die Nazarener hängen auf einem extra gemixten Ocker, für die Romantiker um Carl Gustav Carus liefert ein Gletscher genau den richtigen Blauton.
Die Bilder stehen auf dicken Schaumstoffriegeln bereit
Neu ist übrigens auch die Erkenntnis, dass es in den meisten Räumen zu hell zugeht. „300 Lux sollte unser Richtwert sein, in Zukunft wird das elektrische Licht gedimmt, wenn das natürliche ausreichend ist.“
Noch ist kein einziger Haken gesetzt. Die Bilder stehen auf dicken Schaumstoffriegeln bereit, aber hie und da werden sich noch Änderungen ergeben. Franz von Lenbachs „Selbstbildnis mit Tochter Marion“ etwa, eines der Starstücke der Sammlung, wirkt inmitten anderer Kinderdarstellungen eher deplatziert. 30 Gemälde werden erstmals zu sehen sein, darunter einige Großformate. Ihnen weichen 40 bislang gezeigte, wobei Publikumslieblinge wie Spitzweg, Impressionisten oder „Der Liebestod“ von Ludwig Schnorr von Carolsfeld weiterhin ausgestellt sind.
Zehn der elf Caspar David Friedrichs der Sammlung hängen künftig ständig, einer harrt seiner Restaurierung.
Von der Neuhängung erhofft sich Eiermann – neben einer Auffrischung der Attraktivität des Museums für Gäste und Einheimische – auch mehr Beachtung in der Kunstwelt: „Es ist angesichts des Reichtums des Museums kaum zu glauben, aber kunsthistorisch wird die Sammlung kaum in Publikationen zur Kenntnis genommen. Wir sind immer noch ein Geheimtipp.“
Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, Eröffnung der neu gehängten Ständigen Sammlung: Samstag, 23. September, 15 Uhr. Anschließend schließt die Ebene für Wechselausstellungen für drei Monate zur Renovierung. Öffnungszeiten: Di.-So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr